Visualisierte Nervenverbindungen

Wassermoleküle werden als körpereigenes Kontrastmittel verwendet, um lokale Gewebestrukturen dreidimensional aufzulösen“, so beschreibt Dr. Gregor Kasprian von der Universitätsklinik für Radiodiagnostik der Medizinischen Universität Wien das Prinzip der Diffusions-Tensor-Bildgebung (DTI).

Dr. Gregor Kasprian
Dr. Gregor Kasprian

Mit dieser speziellen Form der Magnetresonanztomographie kann die lokale Bewegung von Protonen im menschlichen Körper gemessen werden. Die nachbearbeitete Visualisierung dieser Ergebnisse wird Traktographie genannt. „Das ist die einzige Methode, um in vivo und auf nichtinvasivem Weg die Strukturen von Nervenverbindungen im Gehirn darzustellen“, betont der österreichische Radiologe, „die Bahnen, die auf diese Weise visualisiert werden, repräsentieren axonale Verbindungen.“

In den Neurowissenschaften ist die MRT-Bildgebung von Leitungsbahnen – also Nervenfasern, die einen Bereich des Gehirns mit einem anderen verbinden – mittlerweile weit verbreitet. In der Forschung zum Beispiel basiert das Human Connectome Project – ein millionenschweres Forschungsprojekt, das die Gesamtheit der Nervenverbindungen im menschlichen Gehirn untersucht – auf dieser Methodik. Im klinischen Bereich wird die DTI beziehungsweise die Traktographie bei der präoperativen Bildgebung von Gehirntumoren eingesetzt. Auf diese Weise sieht der Neurochirurg, wo wichtige Bahnstrukturen verlaufen, zum Beispiel jene, die für die Motorik der Extremitäten verantwortlich sind. Diese Informationen werden dem Operateur intraoperativ in das Neuronavigationssystem eingespielt. „Diese Technik findet mittlerweile bei vielen neurologischen Erkrankungen des zentralen Nervensystems Anwendung“, unterstreicht Kasprian.

Ein weiteres Anwendungsgebiet dieser speziellen MRT-Bildgebung ist die pränatale Diagnose von Entwicklungsstörungen im Gehirn. „So kann man bereits beim Fötus im Mutterleib abklären, ob eine Entwicklungsstörung vorliegt, und man kann diese auch besser verstehen. Das war bisher mit keiner anderen Methode möglich“, betont Kasprian, dessen Klinik eine führende Rolle bei der Entwicklung dieser Diagnosetechnik innehatte.

DTI und Traktographie machen es aber auch möglich, die Position peripherer Nerven dreidimensional zu visualisieren. Mit der 3-Tesla- MRT, die immer mehr zum Standard wird, können auch sehr kleine Strukturen, wie eben die peripheren Nerven, dargestellt werden. So kann dem Chirurgen bei einem Tumor oder einer Verletzung präoperativ gezeigt werden, wo der Nerv im Verhältnis zur jeweiligen Pathologie liegt, sodass er die Operation gut planen kann. Außerdem lässt sich aus der Diffusion der Wassermoleküle auch ein wenig funktionelle Information gewinnen: Anhand dieser lässt sich feststellen, ob ein peripherer Nerv überhaupt noch intakt ist oder nicht. „Noch steckt diese Methode in den Kinderschuhen“, erklärt Kasprian. Ob sie sich durchsetzt, hängt in seinen Augen von zwei Faktoren ab:


• inwieweit es damit gelingt, nicht nur den Verlauf des Nervs, sondern auch den Ort einer etwaigen Nervenschädigung genau zu lokalisieren.
• inwieweit mit DTI eruiert werden kann, ob ein Nerv funktionell noch intakt ist.

Daran werde derzeit intensiv geforscht, weiß der Radiologe: „Noch ist man weit von der klinischen Routine-Anwendung entfernt. Aber in zehn Jahren kann das ganz anders aussehen.“

 

Im Profil
Dr. Gregor Kasprian ist Facharzt für Radiologie an der Universitätsklinik für Radiodiagnostik der Medizinischen Universität Wien. Seine Hauptinteressengebiete liegen in der pädiatrischen Neuroradiologie und in der Bildgebung peripherer Nerven. Seine wissenschaftliche Beschäftigung mit der klinischen Anwendung der Diffusions-Tensor-Bildgebung zur Darstellung des peripheren Nervensystems und der Entwicklung des pränatalen Zentralnervensystems wurde mehrfach durch Wissenschaftspreise wie zum Beispiel der European Society of Radiology (ESR; 2008) und Radiological Society of Northern America (RSNA; 2010) ausgezeichnet.
 

29.05.2014

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