Trend verschlafen?
Die DVT in der HNO-Radiologie
Die Digitale Volumentomographie (DVT) wurde bereits Ende der 1990er-Jahre in die Zahnheilkunde und Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie eingeführt.
Bei geringem Field of View (FOV) ermöglichte das neue Schnittbildverfahren Bilder mit einer sehr hohen Ortsauflösung. Gleichzeitig bedeutete das kleine FOV aber auch eine Indikationseinschränkung. Seitdem hat sich die DVT-Gerätetechnik deutlich weiterentwickelt und verbessert, sodass heute auch größere Volumina im Kopf-Hals-Bereich untersucht werden können. Einen Trend, den viele Radiologen erst spät erkannt haben, glaubt Prof. Dr. Sabrina Kösling, Stellvertretende Direktorin an der Klinik für Diagnostische Radiologie der Martin-Luther-Universität Halle- Wittenberg und Vorsitzende der Arbeitsgruppe Kopf-Hals-Diagnostik in der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG). Laufen die Radiologen also Gefahr, zukünftig Indikationen an die HNO-Ärzte zu verlieren?
Es gab eine Zeit, da wurde schon einmal ein Großteil der bildgebenden Diagnostik selbstständig von HNO-Ärzten betrieben. Das war vor dem Aufkommen der Schnittbildgebung und der Zentralisierung des konventionellen Röntgens in großen radiologischen Abteilungen. Die eher zurückhaltende Reaktion der Radiologie auf die DVT nutzten DVT-Vertriebshändler clever und sorgten für eine Verbreitung der DVT in der HNO, sodass HNO-Ärzte heute wieder über eine eigene Bildgebung verfügen können.
„Für Radiologen stellte die Methode lange Zeit keine attraktive Alternative zur CT dar“, erklärt Prof. Kösling. Das hat sich mit der Entwicklung hochauflösender Flachbilddetektoren und einem größeren FOV der DVT-Systeme geändert, die mittlerweile vom Zahnausschnitt bis zum gesamten Kopfbereich einschließlich der oberen Halswirbelsäule alles darstellen können. Die Folge ist eine berufspolitische Debatte, wem die DVT nun eigentlich zusteht: den HNO-Ärzten, den Radiologen oder den Mund- Kiefer-Gesichtschirurgen? Im Universitätsklinikum Halle (Saale), dem Arbeitsplatz von Prof. Kösling, ist das klar geregelt: „Die Zahnmedizin und die Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie führen ihre Untersuchungen im Rahmen des zahnärztlichen Röntgens selbstständig aus, während die bildgebende Diagnostik für die HNO in der Hand der Radiologen liegt. Das DVT setzen wir dabei für alle Fragestellungen ein, die ohne i.v. Kontrastmittel und im Hochkontrastbereich abgeklärt werden können.“
Die Vorteile der DVT liegen in ihrer hohen Ortsauflösung bei einer äquivalenten Strahlenexposition zur Low-Dose-CT der Nasennebenhöhlen sowie einer um 1/3 bis 2/3 geringeren Strahlenexposition im Vergleich zur Schläfenbein- CT. Zudem zeichnet sich die Methode durch deutlich geringere Metallauslöschungsartefakte aus. Zu den klassischen DVT-Indikationen gehören die chronische Sinusitis vor endonasaler Siebbeinoperation und sämtliche postoperative Kontrollen bei Mittelohr- oder Chochlearimplantaten. Des Weiteren eignet sich die Methode hervorragend für die Diagnostik von Dehiszenzen, Fehlbildungen, Osteodystrophien und entzündlichen Mittelohrveränderungen, wenn bereits im Vorfeld klar ist, dass kein Kontrastmittel benötigt wird. „Anders verhält es sich beim Trauma“, gibt Kösling zu bedenken, „hier weiß man nie genau, ob man nicht doch noch eine Weichteildarstellung benötigt. Hinzu kommt, dass bei DVT Geräten die Ortsauflösung über das FOV vor der Untersuchung festgelegt wird. Um eine hohe Ortsauflösung zu erhalten, ist man bestrebt, ein möglichst kleines FOV zu wählen, was dazu führen kann, dass Frakturen nicht komplett erfasst werden.“
Für alle Indikationen, bei denen Strukturen im Niedrigkontrastbereich zu beurteilen sind, einschließlich kontrastgestützter Untersuchungen, ist die DVT nicht geeignet – mengenmäßig ist dieser Anteil im HNO-Bereich jedoch gering. „Es sei denn, es wird sowieso eine MRT-Untersuchung für die Weichteildarstellung angeschlossen. Dann ist die DVT natürlich eine gute Option“, ergänzt Kösling. „Deshalb muss man sich von vornherein darüber im Klaren sein, für welche Indikationen man die DVT einsetzen möchte und wann die CT die bessere Methode darstellt."
IM PROFIL
Prof. Dr. Sabrina Kösling ist in Bautzen aufgewachsen und studierte Medizin in Leipzig. Seit 2001 ist sie an der Universitätsklinik für Diagnostische Radiologie in Halle (Saale) beschäftigt, wo sie den Arbeitsbereich Neuro- und Kopf-Hals-Radiologie leitet. Seit 2003 ist sie Stellvertreterin des Klinikdirektors. Prof. Kösling hat den Vorsitz über die 2002 gegründete Arbeitsgruppe Kopf-Hals-Diagnostik innerhalb der DRG. Im vergangenen Jahr übernahm sie die Präsidentschaft des 25. Kongresses der European Society of Head and Neck Radiology. Sie erhielt 2001 den Eugenieund- Felix-Wachsmann-Preis der DRG.
30.05.2013