Deeskalationstrainer
Strategien für heikle Situationen im Klinikalltag
Angst, Unsicherheit oder Schmerzen lassen Patienten im Krankenhaus nicht immer rational, besonnen und verständnisvoll reagieren. Das hat Folgen für das Klinikpersonal, das sich manchmal auch mit angespannten Situationen, aufgebrachten oder aggressiven Patienten auseinandersetzen muss. Aber wie ist darauf zu reagieren? Wie sich verhalten, damit es gar nicht erst zu so einer Situation kommt? Gerlind Mittelstädt und Holger Klatt aus dem Krankenhaus Angermünde kennen Antworten auf diese Fragen. Beide haben ihre Ausbildung als Deeskalationstrainer abgeschlossen und geben nun ihr neu erworbenes Wissen an Kollegen weiter.
Ob bei Patienten der Psychiatrie oder solchen mit körperlichen Erkrankungen, heikle Situationen sind keineswegs so selten, wie man denkt. Unzufriedenheit über das eigene Befinden, eine hohe Erwartungshaltung, was die Genesung anbetrifft, Meinungsverschiedenheiten über die richtige Behandlung oder die weitere Verfahrensweise können Auslöser für Spannungen und Konflikte zwischen Patienten und Klinikpersonal sein.
„Die Zeiten, in denen Patienten ärztlichen und pflegerischen Maßnahmen frag- und klaglos zustimmten, sind längst vorbei. Patienten sind heute sowohl fordernder als auch aufgeklärter. Gleichzeitig haben sie verständlicherweise oft Angst“, sagt Dr. Martin Sandner, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie/-somatik und Suchtmedizin des Krankenhauses.
Das bestätigt auch Krankenpfleger Holger Klatt aus seinen Erfahrungen: „Viele Patienten befinden sich in einem Ausnahmezustand, in dem sie an Grenzen geraten. Unsere Aufgabe ist es, eine Atmosphäre zu schaffen, in der wir mit Empathie und Hilfsbereitschaft auf die individuelle Situation der Betroffenen reagieren, sie spüren lassen, dass wir ihre Not sehen und darauf eingehen, um so von vornherein heikle Situationen zu vermeiden“, erklärt er.
Sozialpädagogin Gerlind Mittelstädt, die als Suchtberaterin arbeitet, verweist darauf, dass Strategien zur Entschärfung von Konflikten in der Ausbildung von Ärzten, Therapeuten und Pflegekräften bisher nur am Rande behandelt werden. Sie sagt: „Die Kollegen machen sicher vieles bereits intuitiv richtig. Wir wollen sie darin bestärken und ihnen mit Hilfe der Vermittlung von theoretischen Grundlagen und mit praktischen Übungen Verhaltensmöglichkeiten in Konflikt-, Bedrohungs- und Gewaltsituationen aufzeigen.“ Dazu gehöre zum Beispiel auch, sich intensiver mit der Patientenperspektive auseinanderzusetzen und seine Sinne zu schärfen für die Kommunikation mittels Mimik, Gestik und anderen Formen der Körpersprache.
Über sechs Monate hinweg haben sich Gerlind Mittelstädt und Holger Klatt neben ihrer Vollzeitbeschäftigung im Krankenhaus Angermünde auf die Schulbank gesetzt, um nun ihrerseits Kollegen weiterzubilden. Ein Engagement, das Chefarzt Dr. Martin Sandner und auch Verwaltungsdirektorin Marita Schönemann viel Anerkennung wert ist.
„Dieser Einsatz ist einfach lobenswert, denn durch ihre Bereitschaft profitieren jetzt Kollegen aller Berufsgruppen in unserem Krankenhaus von den neuen Kenntnissen“, sagt Marita Schönemann. Dr. Martin Sandner berichtet, lange schon gebe es das Bewusstsein in Angermünde, sich des Themas anzunehmen, doch bisher konnten immer nur Stunden-Seminare abgehalten werden. „Jetzt aber ist ein richtig großer Schritt in die richtige Richtung gegangen worden, weil wir uns nun im Sinne der Patienten und Mitarbeiter ausführlich mit der Thematik beschäftigen können.“
Das erste dreitägige Seminar hat bereits erfolgreich stattgefunden. Schritt für Schritt sollen die Mitarbeiter in Angermünde, später auch Interessierte aus anderen GLG-Krankenhäusern und dem Verbund angeschlossenen Einrichtungen daran teilnehmen können.
Quelle: GLG - Gesellschaft für Leben und Gesundheit mbH
07.09.2016