So nah und doch so fern

Die deutsch-polnische Zusammenarbeit in der Radiologie ist ausbaufähig

Die Neuroradiologie ist ein Schwerpunktthema des Bayerischen Röntgenkongresses 2012.

Prof. Dr. Marek Sasiadek
Prof. Dr. Marek Sasiadek

Einen Einblick in Erkenntnisse und Arbeitsweisen der polnischen Nachbarn gibt Prof. Marek Sasiadek, Ordinarius für Radiologie an der Medizinischen Universität Wroclaw (Breslau), mit seinem Workshop „Erkrankungen des Rückenmarks“. Wir haben die Gelegenheit genutzt, mit ihm über die Eigenheiten der Radiologie links und rechts der Oder und über die grenzübergreifende Zusammenarbeit zu sprechen.

Bild-1]radiologia bavarica: Die polnischen Neuroradiologen pflegen viele internationale Kontakte und Beziehungen zu radiologischen Fachgesellschaften weltweit. Welche Beziehungen bestehen zur Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie?

Prof. Sasiadek: In Polen sind die radiologischen Fachgebiete anders strukturiert. Wir haben keine eigenständige Gesellschaft für Neuroradiologie, sondern sind Teil der Polnischen Gesellschaft für medizinische Radiologie (PMRS). Daher pflegen die polnischen Neuroradiologen in erster Linie Kontakte zur Deutschen Röntgengesellschaft (DRG). Gern erinnere ich mich an die Einladung der polnischen Delegation zum 100-jährigen Jubiläum der DRG, der ich angehören durfte. Auch weiß ich, dass intensive Kontakte zwischen einzelnen deutschen und polnischen Kollegen bestehen, insgesamt sind die Verbindungen auf offizieller Ebene zwischen den beiden Fachgesellschaften aber durchaus noch ausbaufähig. Die Neuroradiologen kooperieren im Rahmen der European Society of Neuroradiology (ESNR) miteinander. So arbeitete ich während meiner Zeit als Präsident des ESNR-Kongresses im Jahr 2008 in Krakau eng mit Prof. Martin Schumacher aus Freiburg zusammen, der damals Präsident der ESNR war. Deutsche Neuroradiologen – wie zum Beispiel Prof. Marco Essig aus Essen oder Prof. Rüdiger von Kummer aus Dresden – sind gern gesehene Gäste auf polnischen Kongressen. Auch zum 40. Kongress der PMRS 2013 in Wroclaw sind wieder viele deutsche Kollegen eingeladen. Ein weiteres Forum der Zusammenarbeit ist die Deutsch-Polnische Gesellschaft für Radiologie, die vor 20 Jahren von Prof. Roland Felix und Prof. Roman Marciniak gegründet wurde. Diese Gesellschaft veranstaltete bereits zahlreiche Treffen; das nächste ist für 2013 im Rahmen des 40. PMRS-Kongresses geplant.

Welchen Gewinn ziehen Sie aus den kulturellen Unterschieden all dieser Gesellschaften für die Neuroradiologie in Polen?

Während der unterschiedlichen Treffen – sei es der ESNR-Kongress oder der ECR – treten wir in einen Dialog mit den Kolleginnen und Kollegen aus den anderen europäischen Ländern, natürlich auch den deutschen. Wir reden sehr viel über die verschiedenen Themen, die uns als Neuroradiologen beschäftigen. In diesen Diskussionen lernen wir viel, etwa über das Verhältnis von Radiologie und Neuroradiologie oder über die Organisation der neuro- radiologischen Aus- und Weiterbildung in anderen Ländern. Dabei erhalten wir viele Anregungen, die wir auch bei uns umsetzen.
Wie ist die aktuelle Situation der polnischen Neuroradiologie allgemein und im Vergleich zu Deutschland?

Wie erwähnt, sind die polnischen Neuroradiologen als Sektion der PMRS organisiert. Dort genießen sie ein gutes Standing, was sich zum Beispiel auch in der Tatsache zeigt, dass ich als Neuroradiologe aktueller Präsident der PMRS bin. Die Lage der polnischen Neuroradiologie ist ziemlich gut, auch wenn wir als kleines Land natürlich nicht so viele Zentren haben und auch technisch nicht so gut ausgestattet sind wie beispielsweise Deutschland. In der Forschung sind wir jedoch zum Beispiel beim ESR- oder ESNR-Kongress sehr aktiv. So haben wir wichtige neuroradiologische Veranstaltungen organisiert wie etwa den Erasmus MRI Central Nervous System 2 Course (2003) oder den ESNR-Kongress selbst im Jahr 2008 in Krakau.
 

In den meisten Ländern steht das Gesundheitswesen unter starkem Kostendruck. Krankheiten werden anders gemanagt als früher und es gibt weniger Geld für Medizintechnologie. Wie gestaltet sich die Situation in Polen?

Natürlich haben wir in Polen sehr ähnliche Probleme. Die medizinischen Einrichtungen in Polen haben Verträge mit dem polnischen Nationalen Gesundheitsfonds, dessen Mittel begrenzt sind. Daher können wir weniger Patienten behandeln als früher und müssen die Ausgaben für neue Geräte und Personal einschränken. Grundsätzlich sind alle Medizintechnologien verfügbar, die Patienten müssen jedoch aus den genannten Kostengründen oft länger auf eine radiologische Untersuchung warten, als uns lieb ist.
 

Prof. Cordes ist Visiting Professor am Universitätsklinikum Wroclaw. Was ist Ihrer Ansicht nach besonders wertvoll an einem solchen Wissensaustausch?

Prof. Cordes bietet in unserer Abteilung Vorträge und Seminare an, von denen alle Ärzte, insbesondere die angehenden Fachärzte, profitieren. Er bringt umfangreiches Wissen und viel Erfahrung in mehreren Bereichen der Radiologie und der Nuklearmedizin mit, was seine Vorträge und Seminare für unsere Mitarbeiter sehr wertvoll macht. Darüber hinaus arbeiten wir in der Forschung zusammen und bereiten gemeinsam Artikel für wissenschaftliche Veröffentlichungen vor. Prof. Cordes wird auch den Gastvortrag auf dem PMSR-Kongress nächstes Jahr in Wroclaw halten.
 

Was wird der Schwerpunkt Ihres Vortrags „Erkrankungen des Rückenmarks“ sein, den Sie auf dem Bayerischen Röntgenkongress halten?

Meine Präsentation ist als Workshop organisiert, das heißt, ich werde verschiedene Fallstudien vorstellen, die wir dann im Plenum diskutieren. Die Fallstudien betreffen pathologische Veränderungen des Rückenmarks, etwa Neoplasmen, Entzündungen, Ischämie, Demyelination und Ähnliches. Ich hoffe, dass das für die Teilnehmer des Bayerischen Radiologenkongresses interessant sein wird.
 

Vielen Dank für das Gespräch!
 

I M P R O F I L

Prof. Marek Sasiadek, MD, ist Ordinarius für Radiologie an der Medizinischen Universität Wroclaw mit besonderem Interesse an der CT- und MRT-Bildgebung in der Neuroradiologie und den degenerativen Wirbelsäulenerkrankungen. Seine akademische Karriere vom Studium bis zur Professur durchlief er an der Universität Wroclaw. 1984 wurde er vom Gesundheitsministerium als Radiologe anerkannt, 2007 erfolgte die Etablierung als Neuroradiologe bei der Europäischen Gesellschaft für Neuroradiologie. Prof. Marek Sasiadek ist aktuell Präsident der Polnischen Gesellschaft für medizinische Radiologie (PMRS) und vertritt sein Heimatland in zahlreichen europäischen Fachgesellschaften. Er ist Preisträger mehrerer deutscher und polnischer Auszeichnungen und hat als Sekretär und Präsident mehrfach Treffen der deutsch-polnischen Radiologiegesellschaft organisiert und geleitet.

 

24.09.2012

Mehr zu den Themen:
Mehr aktuelle Beiträge lesen

Verwandte Artikel

Photo

News • OCT-basiertes Verfahren

'Virtuelle Biopsie' macht nicht-invasive Analyse der Haut möglich

Mit einem neuen bildgebenden Verfahren gelingt eine zellgenaue Analyse von Haut oder anderem Gewebe ohne Biopsie. Damit könnte die Haut nichtinvasiv auf kranke Zellen untersucht werden.

Photo

News • Von Farbklecksen zu Feinheiten

Helfer für die Hirnforschung: Neuer 7T-MRT angeschafft

Mit einem 7-Tesla-MRT lassen sich feinste Strukturen und molekulare Vorgänge im Gehirn darstellen – beste Voraussetzungen für die Hirnforschung. Jetzt konnte eines der Geräte angeschafft werden.

Photo

News • Schlüssel zu neuen Therapien

Alzheimer-Früherkennung mit PET verbessern

Bei der Früherkennung von Alzheimer könnten PET-Scans sinnvoll eingesetzt werden, argumentieren Experten – etwa durch den Nachweis von Amyloid-Plaques, um eine gezielte Therapie zu ermöglichen.

Verwandte Produkte

Newsletter abonnieren