Mini-Stimulator im Oberkiefer schaltet Kopfschmerzen ab

Autonomic Technologies, Inc. (ATI), gab auf dem 15. Jahreskongress der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft in Berlin erste positive Studienergebnisse seines neuartigen Neurostimulators zur Behandlung von Cluster-Kopfschmerzen bekannt.

Copyright: Autonomic Technologies
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Prof. Dr. Jean Schoenen, Koordinator der Kopfschmerz-Forschungseinheit an der Universität Lüttich (Belgien), stellte die Daten beim 15. Jahreskongress der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft in Berlin vor.

Cluster-Kopfschmerz ist eine neurologische Erkrankung mit äußerst intensivem, stechendem Schmerz, der einseitig um das Auge auftritt. Außer den Schmerzen kann es auch zu tränenden Augen und Schwellungen sowie einer verstopften Nase kommen. Diese Art von Schmerz wird auch „Selbstmord-Kopfschmerz“ bezeichnet und zählt zu den schlimmsten Schmerzformen beim Menschen. Die Attacken können mehrmals täglich auftreten und dauern zwischen 15 Minuten bis 3 Stunden an. Man schätzt, dass mindestens 1 von 1.000 Menschen an Cluster-Kopfschmerz leidet.

An der Pathway CH-1 Studie, die die Sicherheit und Wirksamkeit des ATI Neurostimulators untersucht, nehmen bislang 22 Personen teil; insgesamt sind für die Studie rund 40 Patienten vorgesehen. Von 7 dieser 22 Patienten liegen Stimulationsdaten aus der Titrationsphase vor. Eine Schmerzlinderung innerhalb von 15 Minuten -primärer Endpunkt der Studie- wurde bei 67 Prozent der behandelten Kopfschmerzattacken (n=48) erreicht. Gleichzeitig hat sich mit der Stimulation die Häufigkeit der Kopfschmerzen bei der Mehrheit der Patienten verringert; im Vergleich zu dem 4-Wochen Zeitraum vor Beginn der Studie sank die Kopfschmerz-Häufigkeit während der Studie bei 70 Prozent der Patienten um mindestens 50 Prozent ab.

„Die Ergebnisse sind sehr ermutigend“, sagte Prof. Dr. Schoenen. „Chronischer Cluster-Kopfschmerz verursacht schwerste Beeinträchtigungen und starke Schmerzen, die es den Betroffenen oft unmöglich machen, ein normales Leben zu führen. Gemeinsam mit den Studienärzten freue ich mich auf die Fortsetzung der Forschungsarbeit zu dieser neuartigen Kopfschmerz-Therapie sowie auf die künftige Erforschung dieses Therapieansatzes bei
schwerer Migräne.“

Prof. Dr. Arne May, Neurowissenschaftler am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und Präsident der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG), erläuterte: „Bisher gab es für Cluster-Kopfschmerzpatienten nur wenige Behandlungsoptionen. Die gängigen Ansätze umfassten die präventive Medikation und abortive Therapien zur
Akutbehandlung wie z.B. teure injizierbare Substanzen und das Inhalieren von Sauerstoff. Diese Behandlungsformen können jedoch bei manchen Patienten nicht angewendet werden, z.B. wenn kardiovaskuläre Risikofaktoren vorliegen; bei anderen Patienten treten erhebliche Nebenwirkungen auf. Ich hoffe, dass sich dieser neue therapeutische Ansatz weiterhin bei vielen Cluster-Patienten als chancenreich erweist.“

 

Das ATI Neurostimulationssystem

Das in der Erprobungsphase befindliche Neurostimulationssystem besteht aus einem neuartigen implantierbaren Mini-Stimulator. Er ist etwa mandelgroß und wurde für die Behandlung starker Kopfschmerzen einschließlich Cluster Kopfschmerz und Migräne entwickelt. Dieser Neurostimulator wird ohne sichtbare Narben oder kosmetische Beeinträchtigungen in das Zahnfleisch implantiert. Die Spitze des Implantats wird an dem als Ganglion sphenopalatinum (GSP) oder Meckel-Ganglion bezeichneten Nervenbündel hinter dem Wangenknochen platziert. Schon seit Jahren konzentriert man sich in der Klinik bei der Behandlung starker Kopfschmerzen auf das GSP, um dort vor allem Lidocain oder sonstige Substanzen zu injizieren, um so die Nervenblockade auszulösen.

Nach Implantation des Mini-Stimulators kann der Patient über eine externe Fernsteuerung, die einem großen Mobiltelefon ähnelt, bei Bedarf die Stimulation auslösen, die zur Linderung des Kopfschmerzes führt. Nach Behandlung der Schmerzen wird das Fernsteuergerät einfach wieder von der Wange genommen und die Stimulationstherapie damit ausgeschaltet.

Die Pathway CH-1 Studie

An der multizentrischen Pathway CH-1 Studie sind sieben führende Kopfschmerzzentren in sechs europäischen Ländern beteiligt. Insgesamt soll die Studie 40 Patienten umfassen. In einer Titrationsphase werden die Stimulationsparameter eingestellt und ggf. angepasst. Danach werden die Kopfschmerzen der Patienten im Rahmen einer experimentellen Phase in randomisierter Form mit einer von drei verschiedenen Stimulationsdosen behandelt, darunter ein Placebo. Dieses strenge Studiendesign ist üblich bei Kopfschmerzstudien. Prof. Dr. Schoenen präsentierte auf dem Kongress die ersten Daten von sieben Patienten aus der Titrationsphase. Ergebnisse der randomisierten Phase wurden noch nicht vorgestellt.

28.06.2011

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