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Kleben statt Nähen: Nanopartikel in der Wundversorgung
Trotz medizinischer Fortschritte gelten Wundkomplikationen nach Operationen noch immer als lebensgefährlich. Hier soll ein in der Schweiz neu entwickelter Wundkleber basierend auf Nanopartikeln in Zukunft Abhilfe schaffen.
Es gibt Stellen im und am Körper, die nur schwer zu nähen sind. Obwohl die Medizin in den letzten Jahrzehnten grosse Fortschritte gemacht hat, kommt es vor allem nach Operationen noch immer zu teilweise tödlichen Komplikationen. Besonders bei inneren Wunden besteht die Gefahr von Blutungen, die nur schwierig zu behandeln sind. Denn die Wunden im Körperinnern können nicht einfach zugenäht oder mit einem Pflaster behandelt werden.
Ein neuartiger Wundkleber soll nun helfen, schwer zu lokalisierende und schlecht zugängliche Wunden optimal zu schliessen und diffuse, oft lebensbedrohliche Blutungen zu vermeiden. Die Idee eines Wundklebers ist nicht neu; konventionelle Kleber bestehen vor allem aus Fibrin, einem körpereigenen Protein, das in der Blutgerinnung eine wesentliche Rolle spielt. Fibrin ist nicht nur sehr teuer, sondern kann auch Immunreaktionen auslösen, was häufig zu schwerwiegenden Komplikationen führt.
Ein Klebstoff, der auch noch heilt
Kürzlich wurde in der Fachliteratur ein neu entdeckter Klebeffekt von Nanopartikeln durch ein als «Nano-Bridging» bezeichnetes Phänomen beschrieben: In der Studie verwendeten Forscher Silica- (Siliziumdioxid) und Eisenoxid-Nanopartikel, um Gewebestücke zusammenzukleben. Dieses neuartige Prinzip machten sich nun Forschende an der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) rund um Inge Herrmann zu Nutze, um einen Wundkleber zu entwickeln, der künftig bei verschiedenen Operationen und Leiden Anwendung finden soll. Sie stellten Nanopartikel aus verschiedenen Materialkombinationen her und versuchten so, dem Kleber «Bioaktivität» zu verleihen.
Das ist ihnen gelungen. Eine Kombination des Klebers mit Bioglas sorgt dafür, dass das Blut an der verletzten Stelle schneller gerinnt. Bioglas verfügt je nach Mischung der Elemente Silizium, Kalzium, Natrium und Phosphor über unterschiedliche Eigenschaften. Werden diese optimal kombiniert, eröffnet der innovative Wundkleber völlig neue therapeutische Möglichkeiten. Je nach «Rezeptur» bindet sich Bioglas beispielsweise gut an Knochen oder aber an Weichgewebe. Die Forschenden haben ausserdem darauf geachtet, Materialien zu verwenden, die gesundheitlich unbedenklich sind.
Erste Studie zu potenzieller chirurgischer Anwendung veröffentlicht
Ärzte unterstützten das Empa-Forscherteam bei der Entwicklung des Wundklebers. Sie äusserten beispielsweise den Wunsch, den Kleber für Risse im Darm zu verwenden. Bei Schädigungen der Darmwand können gewebeschädigende Stoffe austreten – dafür wäre ein solcher Kleber ideal. Diesem Wunsch wollten die Empa-Forschenden in einer Studie nachkommen. Um den neuen Kleber zu untersuchen, verwendete Martin Matter, ein Doktorand aus Herrmanns Team und Erstautor der Studie, Schweinedärme. Er untersuchte das Zusammenkleben der Därme im Textillabor der Empa in St. Gallen mit einer Maschine, die normalerweise Stoffe auf deren Reissfestigkeit untersucht. Die ersten Ergebnisse waren bereits äusserst viel versprechend. So sehr, dass die Forschung in diese Richtung weitergeht. Es gebe noch weitere aufregende Möglichkeiten, diesen Wundkleber mit zusätzlichen Eigenschaften zu versehen, ist Herrmann überzeugt.
Quelle: Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa)
10.10.2017