Infarktgröße und Infarkttransmuralität

Um die Auswirkungen eines Myokardinfarkts umfassend abschätzen zu können, reicht ein Herzkatheter nicht aus. Die Infarktgröße und die damit verbundene Herzmuskelvitalität sind entscheidende Prognoseparameter, die richtungsweisend das therapeutische Vorgehen bestimmen.

Prof. Dr. Gunnar Lund
Prof. Dr. Gunnar Lund

Die Infarktgröße insgesamt gesehen, aber auch die Infarkttransmuralität haben eine wichtige prognostische Aussagekraft für den weiteren Krankheitsverlauf des betroffenen Patienten. Laut Studien gibt es einen direkten Bezug zwischen der Infarktgröße und der Wahrscheinlichkeit für spätere Komplikationen. „Der Patient kann nach einem Herzinfarkt eine Verschlechterung seiner Herzfunktion, also eine Herzinsuffizienz, entwickeln oder es können relevante Herzrhythmusstörungen auftreten, die mit einem erhöhten Risiko, an Kammerflimmern zu versterben, verbunden sind“, erklärt Prof. Dr. Gunnar Lund, Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.

Deshalb sei es wichtig, Informationen über die Herzmuskelvitalität zu erhalten, denn aus diesen Informationen lassen sich algorithmisch Indikationen zum weiteren therapeutischen Vorgehen ableiten. Die alleinige Revaskularisierung einer Koronararterie garantiert noch keine Verbesserung der Herzfunktion oder der Prognose. Der entscheidende Parameter nach einem Herzinfarkt ist die erhaltene Myokardvitalität, die durch möglichst objektive Messmethoden bestimmt werden sollte. Die resultierenden Daten können zur Risikostratifizierung genutzt werden.

„Die Kardio-MRT (C-MRT) ist heutzutage die Referenzmethode, mit der man die Infarktgröße und die Infarkttransmuralität bestimmen kann“, verdeutlicht Lund. Aus der Infarktgröße lässt sich beispielsweise ableiten, ob der Patient eine intensivierte Herzinsuffizienztherapie nach einem Herzinfarkt benötigt.

Die Transmuralität bestimmt das Vorgehen

Die zweite wichtige Frage, die sich abklären lässt: Liegt noch ausreichend vitales Myokard vor, sodass der Patient überhaupt von einer Verbesserung der Herzdurchblutung profitiert – operativ oder interventionell? Der entscheidende Parameter hierfür ist die Infakttransmuralität. Lund: „Ein Infarkt verläuft immer von subendokardial nach epikardial, also von innen nach außen. Wenn nur die inneren Schichten betroffen sind, die Infarkttransmuralität bei nur circa 10 bis 25 Prozent liegt, dann ist die Erholungswahrscheinlichkeit sehr hoch. Nimmt aber die Transmuralität zu und der Infarkt hat mehr als 50 Prozent der Herzwanddicke geschädigt, dann ist die Erholungswahrscheinlichkeit sehr gering.“ Anhand dieser Befunde wird entschieden, ob bei dem Patienten eine Revaskularisation, das heißt eine Dilatation oder Bypass-Operation, durchgeführt wird.

Alternativ zur C-MRT können die entsprechenden Vitalitätsinformationen durch eine Szintigraphie ermittelt werden. Beide Methoden seien laut Studienlage gleichwertig, sagt Lund, dennoch lasse sich nach seiner Erfahrung anhand der C-MRT besser differenzieren, wie weit transmural der Infarkt verläuft. „Das geht mit der Szintigraphie nicht so gut, weil die Auflösung im Vergleich zur MRT schlechter ausfällt“, argumentiert der Radiologe. Ein weiterer Nachteil sei die mit der Szintigraphie verbundene Strahlungsexposition, weil für die Untersuchung ein Radionukleotid gespritzt werden muss. Dennoch ist die Szintigraphie das zur Zeit noch gängige Standardverfahren und flächendeckend verbreitet. Ein Grund dafür ist, so bemängelt Lund, dass die C-MRT von den gesetzlichen Kostenträgern im Gegensatz zur Szintigraphie nicht vergütet wird.

Angiographie erlaubt keine Vitalitätsdiagnostik

Auch wenn die perkutane transluminale Koronarintervention bei Patienten mit akutem Herzinfarkt (STEMI und NSTEMI) erheblich zur Prognoseverbesserung beigetragen hat, Informationen zur Herzvitalität lassen sich über den Eingriff kaum gewinnen.

„Die Infarktgröße selbst kann man in der Angiographie nicht sicher beurteilen“, erklärt Lund, „es gibt zwar ausgeprägte Befunde, wie zum Beispiel ein großes Aneurysma, bei denen man vermuten kann, dass ein großer Infarkt abgelaufen ist. Dennoch sind Fehleinschätzungen möglich, denn eine differenzierte und dezidierte Infarktgrößen- und Vitalitätsdiagnostik gelingt mit der Angiographie nicht.“ Deshalb sei es die Regel, dass im Anschluss an eine Angiographie mit einem ausgeprägten Befund wie mehreren Koronarverschlüssen oder Stenosen eine C-MRT- oder Szintigraphie-Untersuchung vorgenommen werde, um eine valide Vitalitätsdiagnostik zu erzielen.

IM PROFIL

Prof. Dr. Gunnar Lund ist dreifacher Facharzt. Neben der Bezeichnung für Innere Medizin darf er die Bezeichnung Kardiologie und Radiologie führen. Sein Medizinstudium hat Lund 1984 an der RWTH Aachen begonnen. Es folgte 1991 ein Wechsel ans Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) in die Abteilung für Kardiologie. Zwischen 1998 und 2000 ging Lund zu einem Forschungsaufenthalt an die University of California in San Francisco, USA, ans Department of Radiology. Zurück in Hamburg führte er seine MRT-Forschungen fort. 2004 erhielt er die Venia Legendi für das Fach Innere Medizin. 2010, nach einer gut zweijährigen Praxistätigkeit in Düsseldorf, wurde er durch die Universität Hamburg zum Professor ernannt. Seit 2012 ist Lund Oberarzt der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am UKE.

29.05.2013

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