In oder out? „Insourcing“ in der Radiologie als Philosophie
Was tun mit der hauseigenen Radiologie, wenn beispielsweise der Chefarzt in den wohlverdienten Ruhestand geht? Einen Nachfolger bestimmen und mit einem neuen Besen die alten Flure kehren oder die Gelegenheit beim Schopfe ergreifen und Leistungen sowie Ziele der Abteilung neu definieren? Fällt die Entscheidung auf letzteres, ist die Ausgliederung der Radiologie, also das Betreiben durch einen externen Dienstleister, ein potentiell sehr interessantes Szenario.
In diesem Fall spricht Dr. Winfried Leßmann, einer der Gründer und jetziger Vorstandsvorsitzender Geschäftsführer des Radiologischen Netzwerkes Rheinland (RNR) allerdings eher von In- statt von Outsourcing, schließlich ist es die Radiologie, die ins Krankenhaus kommt - nicht umgekehrt.
„Für die Bereiche Radiologie und Strahlentherapie sind 13 von 20 MVZ-Standorten unserer RNR-Gruppe direkt an ein Krankenhaus angeschlossen. Dort decken sie sowohl den ambulanten als auch den stationären Betrieb ab, was wiederum den kassenärztlichen ebenso wie den privaten Patienten umfasst“, so Leßmann, dessen radiologisches Dienstleistungskonzept deutschlandweit einzigartig ist. Das genannte Chefarzt-Beispiel ist ein klassischer Ausgangspunkt für das Geschäftsmodell, das ganz grundsätzlich die Effektivität und somit die Wirtschaftlichkeit der Radiologie innerhalb des gesamten Hauses optimieren soll. Leßmann: „Um eine Radiologie neu aufzustellen, muss oftmals in einen Gerätepark investiert und neue Methoden eingeführt werden. Für beides fehlt es nicht selten an Geld, Know-how und Platz. Die Übernahme einer Abteilung geht darum häufig mit einem Aus- oder sogar Neubau einher. Ein Beispiel: Unser derzeit größter Kunde ist das Klinikum Leverkusen, hier haben wir 2007 die Radiologie übernommen, die Nuklearmedizin haben wir in das auf dem Campus befindliche Hauptärztehaus verlagert. Darüber hinaus haben wir eine Strahlentherapie etabliert, die vorher gar nicht im Haus vorhanden war.“
Im Dreifaltigkeits-Krankenhaus in Wesseling war die Situation eine gänzlich andere: Hier war die radiologische Versorgung in den Händen der Chirurgen und Internisten. Ein Umstand, der fachlich gesehen für die konventionelle Radiologie zwar kein Problem darstellt, für die Erbringung von CT oder MR-Untersuchungen jedoch sehr wohl, da diese tagsüber mittels einer teleradiologischen Befundung nicht stattfinden dürfen. Diese Untersuchungsverfahren verlangen nämlich einen Radiologen vor Ort. Eine Zwickmühle also, die zum einen durch die Übernahme der Teilradiologie und dem damit verbunden Personal gelöst wurde, zum anderen durch die Anbindung einer radiologischen Praxis mit Computer- und Magnetresonanztomographie.
Aber worin genau liegt der Clou des Insourcing? „Ein Krankenhaus hat seine Kernkompetenz bei der stationären Versorgung. Unsere Kernkompetenz liegt in der radiologischen Versorgung. Und eine gut funktionierende Radiologie kann Einsparungen von rund 5 Millionen Euro jährlich mit sich bringen – allein durch die Verkürzung der Verweildauer der Patienten, die manchmal bis zu drei Tage auf eine Untersuchung warten. Wir sichern unseren Kunden vertraglich zu, dass wir ein bestimmtes Kontingent an Untersuchungen innerhalb von 24 Stunden bewältigen. Außerdem liegt der radiologische Befund innerhalb von zwei Stunden vor – ein weiterer zeitlicher Vorsprung“, erklärt der „Erfinder“ des Modells dessen Wirkweise.
Insgesamt 800 Mitarbeiter sorgen im RNR Netzwerk für einen reibungslosen und strukturierten Workflow und dafür, dass Qualitätsstandards gesichert sind. Ein weiterer Dreh- und Angelpunkt innerhalb der RNR ist das Service-Center, das die monatlich rund 40.000 Patientenanrufe zentral aufnimmt, verwaltet und steuert. Die Mitarbeiter der Leverkusener Zentrale sind nicht nur medizinisch sondern auch lokal auf die unterschiedlichen Standorte geschult. Ruft ein Patient zum Beispiel aus Remscheid an, so wird er automatisch mit dem Mitarbeiter verbunden, der für die Remscheider Radiologie zuständig ist, so dass sich jeder RNR-Patient direkt „heimisch“ fühlt. Auf das Prinzip des Service-Centers ist Winfried Leßmann besonders stolz: „Durch dieses Prinzip können wir den Anmeldebereich unserer Praxen zu 95 Prozent frei von unterbrechenden Anrufen halten. Ein weiterer Vorteil der zentralen Steuerung ist der Überblick über Ausweich- und Alternativoptionen. Anstatt dem Patienten mit einem starren Termin zu konfrontieren, bieten wir ihm beispielsweise die Möglichkeit einer zeitlich näheren Untersuchung in einer anderen Praxis oder Klinik an.“
Das Service-Center koordiniert jedoch nicht nur die Terminvergabe an ambulante Patienten, sondern auch die Untersuchungstermine für die stationären Patienten. Speziell geschulte Krankenhausdisponenten innerhalb des Serviceteams sind direkt mit Krankenhaus- und Radiologieinformationssystem verbunden und sorgen so für eine optimale Nutzung der Gerätekapazitäten – inklusive Erinnerungsfunktion für den Krankenhaustransport.
Neben dem Know-how der Mitarbeiter spielt laut Leßmann jedoch auch die Technik eine entscheidende Rolle: „Natürlich bemühen wir uns, auch technologisch immer eine Nasenlänge voraus zu sein und neue Methoden zum Nutzen der Patienten in die Praxen und Kliniken zu bringen. Eine solche Entwicklung lässt sich schön am Beispiel der Mammographie nachzeichnen: Nachdem wir schon früh auf die digitale Vollfeld-Mammographie gesetzt haben, waren wir unter den ersten, die das Tomosynthese-Verfahren eingesetzt haben. Ganz aktuell führen wir auf das sogenannte Automated Breast Volume Scanner Ultraschall-Verfahren ein, das mittels eines Ultraschall-Detektors die Brust abscannt , die Daten auswertet, abspeichert und damit reproduzierbar macht.“
Bei so viel Professionalität - so mag man meinen – gerät der Mensch ins Abseits, aber „von einer Entpersonalisierung kann keine Rede sein. Im Gegenteil liegt uns die Fort- und Ausbildung junger Ärzte und medizinischer Mitarbeiter und damit die Qualität der Versorgung unserer Patienten so stark am Herzen, dass wir eine eigene RNR-Akademie gegründet haben. Außerdem ist gerade die mit der Netzwerk-Struktur verbundene Standardisierung und Zentralisierung von Praxisabläufen von großem Nutzen für den Patienten , weil wir uns mehr mit ihm statt mit Verwaltungsaufgaben abgeben können“, fasst Leßmann zusammen.
04.11.2010