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Hybrid-OP: Nicht für jede Einrichtung gleichermaßen geeignet
Der Hybrid-OP ist eine der innovativsten Entwicklungen im Bereich der Chirurgie. Die Kombination von interventionellen und minimal-invasiven chirurgischen Verfahren ist für viele klinische Disziplinen interessant. Dabei spielen das Raumkonzept, intraoperative Bildgebungstechnologien sowie die interdisziplinäre Zusammenarbeit eine zentrale Rolle.
Report: Melanie Günther
Der Hybrid-OP eignet sich für Eingriffe, bei denen intraoperative Bildgebung, beispielsweise in Form einer Abschlussangiographie, benötigt wird.
Dr. Lars Kock
Klinische Studien zeigen schon lang: Bildgestützte Eingriffe erzielen bessere klinische Ergebnisse und ermöglichen zudem die Behandlung neuer Patientengruppen. Hybrid-Operationssäle werden in der Herzchirurgie, der Gefäß- und endovaskulären Chirurgie genutzt, aber auch in der Neuro- und Wirbelsäulenchirurgie. Dabei spielt die intraoperative Bildgebung zur Durchführung und Qualitätssicherung von komplexen Eingriffen eine zentrale Rolle. Neben wenigen hochspezialisierten Operationsräumen mit MRT- und CT-Ausstattung, hat sich mittlerweile die intraoperative Angiographie mit mobilen C-Bögen als Standard etabliert.
Dr. Lars Kock, Chefarzt der Klinik für Gefäß- und endovaskuläre Chirurgie, weiß aus der klinischen Praxis am Albertinen Krankenhaus in Hamburg um die Potenziale eines Hybrid-OPs. „Der Hybrid-OP eignet sich für Eingriffe, bei denen intraoperative Bildgebung, beispielsweise in Form einer Abschlussangiographie, benötigt wird. Ein anderes Einsatzfeld sind Eingriffe, bei denen ein Teil der Operation offen und der andere minimal-invasiv durchgeführt wird.“ Mithilfe des C-Bogens werden während der Operation 2D oder 3D Aufnahmen erstellt, die mit präoperativen CT- Aufnahmen fusioniert werden können und so eine präzise Vorstellung des Eingriffs liefern. So wird nephrotoxisches Kontrastmittel eingespart sowie die Strahlendosis für Patient und Personal reduziert.
Von der Planung zur Umsetzung
Die Planungsphase entscheidet maßgeblich über den Erfolg oder Misserfolg eines Hybrid-OPs: „Zunächst ist es wichtig zu entscheiden, welche Fachrichtung den Hybrid-OP nutzen soll. Sind es beispielsweise ausschließlich Kardiologen oder Gefäßchirurgen oder beide Disziplinen? Gerade diese beiden Fachrichtungen haben ein divergierendes Anforderungsprofil, das bei der Planung berücksichtigt werden muss.“
Die Entscheidung trägt zum Beispiel maßgeblich zur Wahl des OP-Tisches bei. „Kardiologen sind es aus der Angiosuite gewohnt, mit einem schwimmenden Tisch zu arbeiten. Sollen auch Operationen in halbsitzender Position durchgeführt werden, ist ein schwimmender Tisch von großem Nachteil. Dann bietet sich eine normale OP-Säule an, auf die verschiedene OP-Tische montiert werden können. Das erhöht die Flexibilität,“ erläutert Kock.
Auch unterscheiden sich die Präferenzen von Kardiologen und Gefäßchirurgen in Bezug auf die Größe des Flachdetektors. Kardiologen, deren Interessenfokus vornehmlich auf dem Herzen liegt, bevorzugen einen kleineren Detektor, da hiermit stark angulierte Strahlengänge leichter realisierbar sind. Gefäßchirurgen, die Aorten und periphere Gefäße endovaskulär versorgen, arbeiten lieber mit einem größeren Detektor, da größere Abschnitte des Gefäßsystems abgebildet werden können.
Ein Hybrid-OP eignet sich nicht für jede Klinik. Die Art des Eingriffs, der durchgeführt werden soll, ist entscheidend für den Mehrwert dieser Technik. Vor allem Hybridverfahren, die Kathetertechniken mit einem offenen chirurgischen Eingriff kombinieren, profitierten. Alles andere sei Ressourcenvergeudung. Offene Operationen ließen sich in einem traditionellen OP ebenso gut durchführen.
Bei Ausstattung Kollisionen vermeiden
Das Einrichten eines Hybrid-OPs ist keine leichte Aufgabe. So muss die Frage nach dem Neu- oder Umbau eines bestehenden OPs beantwortet werden. Entscheidend ist, dass ausreichend Fläche zur Verfügung steht. „Es sollten 100 Quadratmeter inklusive Schalt- und Technikraum für einen Hybrid-OP eingeplant werden, sodass letztendlich 70 Quadratmeter für den OP selbst übrigbleiben. Kleiner darf es nicht sein, da sonst das Kollisionspotenzial steigt.“
Gerade die Herz- und Gefäßmedizin benötigt Materialien wie Stents, Stentprothesen, Drähte, Katheter oder Ballone, die Platz in Anspruch nehmen. Die Infrastruktur ist daher ein weiterer Faktor, den es bei der Einrichtung eines Hybrid-OPs zu berücksichtigen gilt. Kurze Laufwege erleichtern den Workflow. Materialschränke mit Glastüren im Hybrid-OP selbst unterstützen die Orientierung.
Workflowoptimierung auf breiter Ebene
Auch die Arbeitsprozesse, die in einem Hybrid-OP stattfinden, müssen von Beginn an in den Planungsprozess integriert werden. Das betrifft insbesondere die Position und Anordnung der einzelnen Geräte. Nur so kann ein reibungsloser Ablauf gewährleistet werden.
Die Entscheidung für ein Laminar Air Flow-Feld hat beispielsweise Auswirkungen auf die Montage der Röntgenanlage. Deckenmontierte Geräte verdecken häufig das Lüftungssystem, das dann nicht mehr so gut arbeitet. Ein Effekt, der sich negativ auf das Infektionsrisiko auswirkt.
„Außerdem sollte man bei der Wahl der Bildschirme abwägen, ob eine Ampel mit mehreren kleineren Monitoren oder ein Large Display den Arbeitsablauf besser unterstützt,“ rät Kock.
Hype oder tatsächlicher Nutzen?
Die bestehende Technik ist gut und entwickelt sich weiter. So wird die Röntgentechnik immer besser: die Bildqualität steigt und die Strahlenbelastung sinkt.
Dr. Lars Kock
Hybrid-OPs werden häufig als reines Marketinginstrument für Krankenhäuser und Kliniken abgewertet. Klar ist: Nicht jede Einrichtung braucht einen Hybrid-OP, sondern nur jene, die komplexe Eingriffe durchführen. Dies gilt insbesondere für große Herz- und Gefäßzentren, die regelmäßig endovaskuläre Eingriffe an Aorten- und Mitralklappen vornehmen oder komplexe endovaskuläre Aortenchirurgie betreiben. Gleichzeitig muss natürlich auch die Erstattung stimmen. Die Anschaffung und Instandhaltung eines Hybrid-OPs ist letztendlich eine finanzielle Entscheidung, denn Investitions- und Wartungskosten sind nach wie vor hoch.
So entdecken auch andere Fachgebiete zunehmend den Nutzen von Hybrid-OPs. Die notwendigen Systemkomponenten für prä-, intra- und postoperative Bildgebung, Patientenlagerung, Visualisierung und Datenintegration sowie zur Erfüllung der strengen Hygienevorschriften stehen bereits zur Verfügung. Kock ist zuversichtlich, dass weitere Optimierungen den Nutzen der Hybrid-OPs vergrößern werden: „Die bestehende Technik ist gut und entwickelt sich weiter. So wird die Röntgentechnik immer besser: die Bildqualität steigt und die Strahlenbelastung sinkt. Verschiedene Hersteller liefern zudem entsprechende Software und Programme zur Fusion von prä- und intraoperativ generierten Bildern.“
08.08.2016