Glukosemonitoring: vom Labor zum POC?

Eine internationale Expertenrunde kam Ende 2009 in Wien zusammen, um das Thema Glukose-Monitoring am Point of Care anhand von Ergebnissen neuer Studien sowie von Erfahrungswerten im praktischen Einsatz aus verschiedensten Blickwinkeln - IT-Voraussetzungen, Anforderungen an Geräte und Industrie, Kostenanalysen, Prozessoptimierung, Best Practice - zu diskutieren.

Photo: Glukosemonitoring:  vom Labor zum POC?
Photo: Glukosemonitoring:  vom Labor zum POC?

Ausgehend von der Tatsache, dass der prognostizierte Anstieg von Diabetes sich weltweit exponentiell entwickelt (dzt. 250 Mio, Im Jahr 2020 >350 Mio, im Jahr 2025 bis zu 450 Mio. Patienten) kommt dem Thema in jeder Hinsicht besondere Bedeutung zu. Prof. Dr. Dr. Wilfried von Eiff, Institutsleiter des Centrum für Krankenhausmanagement der Universität Münster, Germany, präsentierte die Ergebnisse einer Studie zur Prozessoptimierung von Glukose-Monitoring, an der 15 ausgewählte Krankenhäuser aus Deutschland, der Schweiz und Österreich teilgenommen hatten. Sein Kurz-Resumee: „Point of Care-Testing (POCT) ist keine universelle Allzweckwaffe, aber ein unverzichtbares Element in einem patientenorientierten Medizinbetrieb“. Als Hauptvorteil der Glukose-Messung direkt am Krankenbett bzw. in der Notaufnahme oder im Ambulanzbetieb ist die Schnelligkeit zu nennen, mit der Diagnose und therapeutische Konsequenzen erfolgen können, wenn die Messung direkt am Bett erfolgt und die Daten direkt in die IT-Systeme eingespeist werden.

Im Gespräch mit European Hospital betont Prof. von Eiff, dass für die Einführung von Glukose-Monitoring mittels POCT im Krankenhaus sowohl quantitative als auch qualitative und auch ökonomische Argumente sprechen:
„ Die Zahl der Diabetes-Patienten nimmt stetig zu, optimal eingestellte Diabetes-Patienten verursachen achtmal weniger Kosten als schlecht eingestellte und vor allem haben Patienten mit geringen Schwankungen der BZ-Werte die besten Langfrist-Prognosen im Hinblick auf typische Folgeerkrankungen wie Herzinfarkte, Schlaganfälle, Amputationen etc.

EH.: Gib es Krankenhäuser, die aufgrund ihrer Struktur besonders prädestiniert für die Einführung von POCT sind?

Von Eiff: Für Krankenhäuser, bei denen es für einen hohen Patientenanteil zu schnellen Diagnosen kommen muss, wo es viele Notfallaufnahmen gibt, ist POCT besonders günstig, ebenso wie Häuser oder Institutionen, die dezentral organisiert sind, mit Pavillon-Struktur, wo weite Wege ins Zentrallabor vermieden werden können.

 


EH.: Gibt es Konfliktpotential, wenn Aufgaben vom Zentrallabor auf die Stationen verlagert werden?

v. Eiff: Man muss eindeutig sagen, dass Aufgaben und Verantwortlichkeiten vom Labor auf die Pflege übertragen werden. Bei einer Neuorganisation muss man berücksichtigen, dass die Pflege hier eine zusätzliche Verantwortung zu übernehmen hat. Aus meiner Sicht ist die Pflege auch der geeignete Berufsstand für die Durchführung dieser Arbeiten. Selbstverständlich ist aber dafür Sorge zu tragen,
dass das Pflegepersonal durch Instruktion, Aus- und Weiterbildung mit dieser Technologie, aber auch mit dem Krankheitsbild schlechthin vertraut gemacht wird.
Die Pflegekraft wird künftig zum ganzheitlichen Betreuer, gewissermaßen zum Diabetespatienten-Manager aufgewertet, bis hin zur Entscheidung, welche Insulingabe notwendig ist bzw. was zu unterbleiben hat. Natürlich nur, soweit dies keinen Eingriff bedeutet, der einer weiteren, besonderen Ausbildung bedarf.

EH.: Muß das Personal im Zentrallabor künftig um den Arbeitsplatz zittern, wenn via POCT Arbeit von dort abgezogen wird?

v.Eiff: Nein, in keiner Weise. Die Anwendungsgebiete von POCT sind begrenzt: vor allem auf diagnostische Maßnahmen, die ein schnelles Ergebnis benötigen (Notfallbereich, Intensivstation). Das Laborpersonal bleibt aber in jedem Fall für die Kalibrierung verantwortlich und muss natürlich auch weiterhin all jene Tests durchführen, die nur im Labor vorgenommen werden können, um die Qualität zu sichern.

EH: Was betrachten Sie als die größten Vorteile von POCT und was als größten Nachteil?

v. Eiff: Größter Vorteil ist zweifellos die Schnelligkeit. Und zwar die Schnelligkeit der Diagnose und die Schnelligkeit der Therapie. Nachteilig wirkt sich sicher aus, dass die Einführung von POCT eine Verlagerung von Aufgaben mit sich bringt, die gut kommuniziert werden muß. Ein exzellentes Change Management ist unbedingt nötig:
Information der Mitarbeiter, Überzeugen der Mitarbeiter, Schulung der Mitarbeiter, Bereitstllen eines Benutzer-Service für Mitarbeiter.

EH: Wie sieht es mit Kostenvorteilen aus?

v.Eiff: Es gibt Kostenvorteile, diese sind aber nicht exorbitant. Der entscheidende Vorteil von POCT liegt nicht im ökonomischen Bereich sondern darin, dass die Sicherheit im Krankenhaus und damit die Sicherheit für den Patienten erhöht wird.

So funktioniert die BZ-Messung am POC

 

Die POCT-Blutzuckermessgeräte werden, vergleichbar einem Schnurlostelefon, auf eine Dockingstation gestellt, die dann die gemessenen Blutzuckerwerte an das EDV-System (LIS, KIS) weitergibt. Da vor jeder Blutzuckermessung die Patienten-Identifikationsnummer mit Hilfe eines kleinen Barcodelesers erfasst wird, ist der damit verbundene Blutzuckerwert immer mit den jeweiligen Patientenstammdaten verknüpft. Die POCT-Blutzuckerwerte eines Patienten werden dann zusammen mit Datum und Uhrzeit, Seriennummer des Gerätes, Benutzer-Identifikation und gegebenenfalls mit zusätzlichen Kommentaren auf den Stations-PC übertragen.
Im Zentrallabor werden über einen zentralen Server die von den Stationen erhobenen Daten der Qualitätskontrollen ebenfalls elektronisch dokumentiert, auf Richtigkeit und Abweichungen kontrolliert und archiviert. Das verringert den Aufwand für die Qualitätssicherung auf den Stationen erheblich, weil dort die gesetzlich vorgeschriebene Dokumentation und Archivierung entfallen. POC-Geräte arbeiten mit Biosensorik, eine Technologie, die spezifische Informationen über die biochemische Zusammensetzung einer Analysenprobe in Echtzeit aufbereitet.

25.01.2010

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