Flüchtlinge erleiden schwere Lungenentzündung durch Trinken von Benzin
2015 sind mehr als eine Million Menschen vor Krieg und Vertreibung nach Europa geflüchtet. Auf der gefährlichen Reise über das Mittelmeer versterben jede Woche zahlreiche Flüchtlinge. Die Migration verändert auch den medizinischen Alltag. Neben der mangelhaften medizinischen Versorgung in den meisten Ländern Afrikas und eingeschleppten Erkrankungen birgt die Flucht selbst lebensgefährliche Risiken: Die Schleusung sowie die Überfahrt von Libyen durch das Mittelmeer nach Griechenland oder Italien erfolgen oft unter entsetzlichen Bedingungen.
Während das hohe Risiko bekannt ist, das die Überfahrt in Schlauchbooten mit sich bringt, wurde eine zusätzliche Gesundheitsgefahr für die Flüchtenden bisher nicht wahrgenommen: das Trinken von Benzin. Die Schleuser verabreichen den Menschen auf der Bootsüberfahrt teilweise Benzinmischungen, um sie ruhigzustellen. Das gesundheitliche Risiko ist hoch: Benzin besteht aus aromatischen Kohlenwasserstoffen und kann schwerste Entzündungen der Lunge und andere Vergiftungen verursachen.
Besonders problematisch ist, dass die Symptome der Erkrankung wie Fieber und Luftnot zunächst einer „normalen“ bakteriellen Lungenentzündung ähneln. Daher werden sie bei der medizinischen Untersuchung nach der Flucht oft verkannt. Auch in Röntgen- und Computertomographie (CT)-Aufnahmen lässt sich kein Hinweis auf die Ursache und die Gefährlichkeit der Erkrankung feststellen. Außerdem treten die Symptome oft erst nach Wochen auf. Die Sprachbarriere zwischen Geflüchteten und Ärzten macht es zusätzlich schwierig, den Zusammenhang herzustellen.
Den Wissenschaftlern um Dr. Christoph Spinner und Prof. Wolfgang Huber von der Klinik für Innere Medizin II des Klinikums rechts der Isar gelang es nach sorgsamer Befragung der Dolmetscher und Patienten sowie gemeinsamer Auswertung von drei Patientenfällen, den mutmaßlichen Zusammenhang zwischen Benzinmischungen und Lungenentzündung bei Boots-Flüchtlingen erstmals zu beschreiben. Einer der Fälle war dabei von einem ehemaligen Mitarbeiter des Klinikums in den USA erfasst worden. Ein Fall verlief tödlich. Mit der Veröffentlichung in The Lancet wollen die Mediziner, von denen einzelne auch zum Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) gehören, Ärzte in der ganzen Welt für diese Problematik sensibilisieren. Ziel ist es, mit einer rechtzeitigen Differentialdiagnostik eine bessere Patientenversorgung sicherzustellen und frühzeitig gezieltere Behandlungsversuche unternehmen zu können.
Quelle: Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München
29.11.2016