An der Interventionellen Radiologie schätzt Prof. Dr. Christian Stroszczynski, dass sie ein stark handwerklich ausgeprägter Zweig der Medizin ist.

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Ein dynamisches Feld vom Gehirn bis zum großen Zeh

In der modernen Medizin nimmt die Interventionelle Radiologie eine immer bedeutendere Rolle ein.

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Prof. Dr. Christian Stroszczynski, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Interventionelle Radiologie und minimal-invasive Therapie (DeGIR).

Wo früher Patienten langwierige Krankenhausaufenthalte auf sich nehmen oder ihnen wegen Gefäßverschlüssen Gliedmaßen abgenommen werden mussten, kann ihnen inzwischen dank minimal-invasiver Eingriffe mit geringem Aufwand geholfen werden. Prof. Dr. Christian Stroszczynski, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Interventionelle Radiologie und minimal-invasive Therapie (DeGIR), schätzt vor allem die Nähe zu den Patienten, schließlich gehören zu seiner täglichen Arbeit sowohl Therapie als auch Diagnostik. „Es ist keine reine intellektuelle Tätigkeit, sondern ein stark handwerklich ausgeprägter Zweig der Medizin.“

Die Interventionelle Radiologie ist ein relativ junges medizinisches Fachgebiet. Als offizielle Geburtsstunde gelten die Bemühungen von Charles Dotter, der 1964 begann, Gefäße mit eigens entwickelten Kathetern oder Ballons radiologisch-interventionell zu behandeln. Laut Stroszczynksi lässt sich der Anfang sogar noch früher in Deutschland datieren. 1929 schob sich der junge Assistenzarzt Werner Forßmann in einem Selbstversuch in einem Krankenhaus bei Sauerbruch einen dünnen Katheter durch eine der großen Venen bis in die rechte Kammer seines Herzens. Mit dieser ersten über ein Röntgenbild dokumentierten Rechtsherzkatheterisierung beim Menschen eröffnete Forßmann damit neuartige diagnostische und therapeutische Möglichkeiten, wofür er 1956 mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet wurde.

Kurz nachdem Dotter mit seinen Behandlungen begonnen hatte, entstanden sowohl im Westen als auch im Osten Deutschlands Institute, die Interventionen professionell betrieben. So ist heute die Qualität in den interventionsradiologischen Einrichtungen in Deutschland auf sehr hohem Niveau, insbesondere in Bayern. „Die Bayern sind in diesem Bereich sehr gut aufgestellt, Bayern ist die Hochburg der Interventionsradiologie. Die Präsenz der Interventionellen Radiologen ist hier sehr stark. In den meisten Krankenhäusern arbeiten hervorragende Interventionsradiologen, häufiger auch als Chefärzte. Die herausragenden interventionellen Leistungen sind wichtig, da das Fachgebiet national und international unter Druck steht, vor allem durch Fachfremde, die Geschmack an dieser Form der Therapie gefunden haben.“

Interventionsradiologie ist vielseitig: Beispiele für gelungene...
Interventionsradiologie ist vielseitig: Beispiele für gelungene Notfallembolisationen bei Blutungen aus dem
HNO-Bereich, einer gynäkologischen Blutung sowie einer tumorbedingten Blutung in die Pleura.

Vielfältige Indikationsgebiete

Stroszczynski schätzt an der Intervention vor allem deren große Vielfalt: interventionelle Eingriffe decken vom Gehirn bis zum großen Zeh den ganzen Körper ab – und das bei ganz unterschiedlichen Krankheitsbildern wie Gefäß- oder Tumorerkrankungen. „Das Feld der Interventionellen Radiologie ist stark dynamisch“, lobt der Fachmann. Derzeit gebe es drei wichtige Forschungsbereiche. So versuche man, interventionelle Eingriffe zur Therapie bei HCC, die momentan von Pionieren an einzelnen Standorten durchgeführt werden, in die flächendeckende Versorgungsforschung einzubeziehen. Zweitens entwickeln sich neue Indikationen. „Die Indikationsausweitungen in unserem sehr jungen Fachgebiet wachsen fast exponentiell. Derzeit wird insbesondere im Bereich der Prostatabehandlung, der Thrombektomie-Systeme, der Entfernung von Blutgerinnseln im Gehirn und in der Peripherie stark geforscht. Bei der Embolisationstherapie gibt es neue Ansätze, für die spezielle Klebstoffe entwickelt werden.“

Ein drittes Forschungsfeld ist die Entwicklung technischer Innovationen. Zu nennen ist hier insbesondere die bildgeführte berührungslose Intervention, die via fokussierter Ultraschall stark im Kommen ist. „Geforscht wird aber auch an der Robotik und an der Entwicklung neuer Medizinprodukte, die noch effizienter, kostengünstiger, robuster und vor allem besser verträglich sind.“

Behindert die Reglementierung den Fortschritt?

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Medikamentenfreisetzende Ballons oder Stents führen zu einer längeren Offenheitsrate bei der Rekanalisation verschlossener Beinarterien.

Die Antwort auf diese Frage fällt eindeutig aus: „Ein großes Problem ist die Finanzierung von neuen Medizinprodukten wie Stents und perkutanen Tumoroperationssystemen. Da ist durch eine Überreglementierung des deutschen Gesundheitswesens das Klima ungünstig.“ Was ist das Problem? „Wir haben für Medizinprodukte andere rechtliche Vorschriften als für Arzneimittel.“ Der Interventionsradiologe bemängelt, dass ein nur CE-zertifiziertes Medizinprodukt für eine vorher nicht bedachte Indikation gar nicht mehr eingesetzt werden darf. „Früher war es beispielsweise gang und gäbe, die für den Einsatz von Gallenwegstenosen zertifizierten Stents auch in die Oberschenkelarterie einzusetzen. Das ist heute rechtlich nicht mehr möglich.“

Die Erfordernisse, eine CE-Zertifizierung für sämtliche Bereiche des Körpers bzw. eher seltene Indikationen zu erhalten, werden immer größer und kostenintensiver. Zudem ist es praktisch unmöglich nachzuweisen, dass eine technische Innovation auch tatsächlich den Patienten zu Gute kommt. „Gremien des Gesundheitswesens fordern den Nachweis durch Phase-3-Studien, dass ein neues einem bereits existierenden Produkt überlegen ist. Doch für diese Studien müssen Firmen Millionenbeträge investieren – finanzielle Mittel, die sich für Produkte, die keine Milliardenumsätze versprechen, nicht organisieren lassen.“

Es sei originäre Aufgabe der forschenden Ärzte, zu belegen, dass ein neues Produkt seinem Vorgänger tatsächlich überlegen sei. In der Regel passiere das aber nicht, so dass die Produktentwicklung vom Gesundheitswesen nicht bezahlt werde und auf der Strecke bleibe. Für Stroszczynski eine paradoxe Situation: Schließlich kann mit Hilfe der Interventionellen Radiologie auf aufwändige Operationen oder kostenintensive medikamentöse Behandlungen verzichtet werden – was letztendlich zu einer Entlastung des Gesundheitssystems beiträgt. Wir dürfen den Fortschritt nicht hemmen!“, so Stroszczynski abschließend.


Profil:

Prof. Dr. Christian Stroszczynski folgte im Oktober 2010 dem Ruf als Lehrstuhlinhaber für Radiologie und Direktor des Instituts für Röntgendiagnostik ans Universitätsklinikum Regensburg (UKR). Zuvor war er vier Jahre lang stellvertretender Direktor und Leitender Oberarzt am Institut für Radiologische Diagnostik der Carl-Gustav-Carus-Universität Dresden. Im Mai 2016 wurde er zum neuen Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Interven-tionelle Radiologie und minimal-invasive Therapie (DeGIR) gewählt.

13.10.2016

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