Erstmals in Deutschland
Echtzeit-Simulatortraining für OP-Teams
Was für Piloten schon lange zur Pflicht zählt, soll jetzt auch im OP-Saal zu größerer Sicherheit bei unerwarteten Ereignissen beitragen. Als erste und größte Herzchirurgie in Deutschland richtet das Herz- und Diabeteszentrum NRW in Bad Oeynhausen unter der Leitung von Prof. Dr. Jan Gummert ein Echtzeit-Simulatortraining für Operationsteams ein.
Die Neuheit kommt aus den USA und wurde jetzt erstmals von Markus Rudloff, Tagungspräsident und Leiter der Kardiotechnik im Herz- und Diabeteszentrum NRW (HDZ NRW), Bad Oeynhausen, auf der Tagung der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie und der Jahrestagung für Kardiotechnik im November als integriertes, klinisches Pilotprojekt vorgestellt. Weltweit sind derzeit erst 30 Simulator-systeme dieser Art im Einsatz.
Das Herzstück des nun erstmals in Deutschland verfügbaren Simulatorgerätes für OP-Teams enthält eine Software, die medizinische und technische Informationen der Anästhesie und Kardiotechnik während einer herzchirurgischen Operation erfasst. Die im HDZ daraus kombinierte Einheit bildet die Arbeitswelt im OP-Saal nach: Sie besteht aus einem Patienten-Dummy mit offenem Brustkorb, der an alle notwendigen Überwachungsgeräte und die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen wird. Über ein Regiepult können damit Ereignisse in einem OP-Saal simuliert und dabei auch Notfallsituationen nachgestellt werden.
„Aus der Luftfahrt ist bekannt, dass eine gestörte Kommunikation im Cockpit oft zu falschen Entscheidungen führt und damit Menschenleben gefährden kann“, erläutert Professor Gummert. „Bei herzchirurgischen Eingriffen ist das Geschehen eher noch anspruchsvoller, denn in einem Operationssaal sind im Durchschnitt acht bis zehn Personen beteiligt.“ Bei dem neuen simulationsgesteuerten Fortbildungstraining gehe es daher nicht um chirurgische Fertigkeiten, sondern um das perfekte Zusammenspiel des Teams und die Minimierung der Risiken, die durch Koordinations- und Kommunikationsaufgaben entstehen können. „Bei der Operation ist nicht der einzelne Spezialist, sondern die Teamleistung aller Fachkräfte entscheidend.“ Der Simulator werde daher zukünftig als fester Bestandteil in der Ausbildung angehender Kardiotechniker aufgenommen werden, ergänzt Markus Rudloff.
Notfälle während der Operation
Die häufigsten Notfälle bei einer Herzoperation entstehen durch eine plötzliche Veränderung des Herz- Kreislaufzustands des Patienten, die zu Stress-Situationen für alle Beteiligte führen kann. Um die Ursachen schnellstmöglich zu finden, sind unzweideutige, direkte und offene Ansagen notwendig, mit der Operateure, Kardiotechniker, Anästhesist und Pflegefachkräfte einerseits über ihre Handlungen, andererseits über medizinische Befunde und Daten sowie über mögliche technische Mängel informieren.
„Mit Hilfe der Simulation soll es nun gelingen, die individuellen, organisatorischen, technischen oder auch hierarchiebedingten Faktoren zu erkennen, die sowohl das Team als auch das Teamumfeld bei der Arbeit stören können“, beschreibt Markus Rudloff die neue Fortbildungsmaßnahme, die vom kommenden Jahr an turnusmäßig im OP-Bereich des HDZ NRW durchgeführt wird. Eine Herausforderung bedeutet dabei auch die Vielfalt der Informationsabhängigkeiten. Denn der Chirurg ist auf die richtigen Informationen des Anästhesisten und Kardiotechnikers angewiesen. Der Anästhesist benötigt für die Überwachung der Lebensdaten die wichtigen Informationen zu den Labordaten und zu den vom Kardiotechniker durchgeführten Einsätzen der Herz-Lungen-Maschine. Und die OP-Fachkräfte müssen das chirurgische Vorgehen kennen, um zur richtigen Zeit sterile Instrumente und Verbrauchsmaterial an- und nachreichen zu können.
„Das alles kann man trainieren, wobei wir mit dem Ziel der fortlaufenden Verbesserung aller Abläufe zunächst den Fokus auf das Trio Operateur-Anästhesist-Kardiotechnik richten“, sagt Professor Gummert, in dessen Klinik für Thorax- und Kardiovaskularchirurgie die meisten herzchirurgischen Eingriffe in Deutschland durchgeführt werden. 2015 waren es mehr als 4.100 am Herzen und den herznahen Gefäßen, ein Großteil davon mit Einsatz der Herz-Lungen-Maschine.
Quelle: Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum - Herz- und Diabeteszentrum NRW Bad Oeynhausen
16.12.2016