EPA

Die standardisierte Terminologie ist notwendig

E-Health-Strategien sollen landesweite Telematikinfrastrukturen vorantreiben. Insbesondere informationstechnische Lösungen, die der sektorübergreifenden Dokumentation und Kommunikation dienen, sind mehr denn je gefragt. Dazu gehört auch die elektronische Patientenakte, kurz EPA. Auf der conhIT 2015 informierte Dr. Pia Wieteck, Leiterin der Abteilung Forschung und Entwicklung RECOM GmbH, über die Vorteile und den Nutzen mobiler EPAs. Im Interview mit healthcare-in-europe spricht sie außerdem über die Notwendigkeit einer standardisierten Terminologie für den Einsatz von EPAs als Teil eines mobilen Gesamtsystems.

Interview: Melanie Günther

Dr. Pia Wieteck, Leiterin der Abteilung Forschung und Entwicklung RECOM GmbH
Dr. Pia Wieteck, Leiterin der Abteilung Forschung und Entwicklung RECOM GmbH
Quelle: RECOM GmbH

Frau Dr. Wieteck, welche Nutzeneffekte und Möglichkeiten bieten mobile EPAs?
Pia Wieteck: Der zentrale Nutzeneffekt liegt darin, dass die Informationen dort verfügbar sind, wo der Entscheidungsfindungsprozess, sei es in der Diagnostik, der Therapie oder der Pflege, stattfindet. Damit lässt sich die Patientensicherheit und Versorgungsqualität positiv beeinflussen. Durch die zeitnahe Dokumentation gibt es natürlich noch Nebeneffekte. So lässt sich die Dokumentationsqualität enorm steigern. Im Hinblick auf die Zielsetzungen des Bundesministierums für Gesundheit künftig zum Beispiel die Krankenhausfinanzierung abhängig von der Outcomequalität zu gestalten, ist die Dokumentationsqualität auch aus dieser Perspektive ein entscheidender Erfolgsfaktor.

Welche Vorteile sehen Sie für interdisziplinäre Ansätze?
Der zentrale interdisziplinäre Vorteil liegt darin, dass sich Ressourcen optimieren lassen. Oft erhalten Ärzte die Rückmeldung, dass gewisse Anamnesefragen bereits von Kollegen oder dem Pflegepersonal gestellt wurden. Das sind Dinge, die dem Patienten heutzutage auffallen. Durch den Wegfall von Doppelerhebungen lässt sich eine Menge Arbeit einsparen. Außerdem verbessert sich die Datenqualität und die Redundanz erhobener Daten wird reduziert.

Welche Voraussetzungen müssen für eine erfolgreiche Anwendung von mobilen EPAs erfüllt werden?
Da gibt es zwei Aspekte, die getrennt voneinander betrachtet werden müssen. Das eine sind die Hardwareanforderungen. Es werden stabile Netze und die entsprechenden, robusten mobilen Eingabegeräte benötigt. Natürlich spielt da der Datenschutz eine zentrale Rolle, denn die Systeme müssen vor Hackerangriffen geschützt werden.
 
Ein anderer wichtiger Aspekt ist, den Datenaustausch und die Datennutzung zu ermöglichen. Um eine mobile EPA effektiv nutzen zu können, braucht es semantischer Interoperabilität. Dazu bedarf es „standardisierter Terminologien“. Das heißt, der Arzttext ist nicht mehr nur ein Freitext, der in Felder eingetragen wird, sondern die Anamnese basiert auf Textbausteinen, die in einer Software hinterlegt werden und datenbasiert verspeichert werden. Somit lassen sich die erhobenen Daten mehrfach nutzen. Ein erhobener Eintrag, wie zum Beispiel Hinweise auf Allergien, kann in der Anamnese angezeigt werden. Aber auch an anderen Stellen, wo es Sinn macht, können diese Informationen abgerufen werden. Das ist meines Erachtens eine zentrale Voraussetzung, damit die Nutzeneffekte einer elektronisschen mobilen Akte entfaltet werden können. Semantische Interoperabilität wird durch den Einsatz standardisierter Terminologien sichergestellt.

Wie können standardisierte Terminologien umgesetzt werden?
Standardisierungsprozesse müssen in die Wege geleitet werden. Es gibt beispielsweise bereits ein internationales Projekt namens LOINC (Logical Observation Identifiers Names and Codes), das auf Labordaten ausgerichtet ist. Alle weltweit vorhandenen Daten werden standardisiert in einer Datenbank erfasst. Grundsätzlich müssten sich Softwarehersteller mit diesen Standards auseinandersetzen und diese in ihre Software einbinden. Es muss eine zentrale Datenbank konzipiert werden, wie es bereits mit ICD-10 und Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) gemacht wurde. In der Pflege stehen ebenfalls Pflegeklassifikationssysteme wie zum Beispiel ENP (European Nursing care Pathways) oder NANDA-I zur Verfügung.

Wo bestehen aktuell Probleme und wie können diese gelöst werden?
Das Hauptproblem besteht in der mangelnden semantischen und syntaktischen Interoperabilität. Es werden beispielsweise krankenhausinterne Formulare oder Kataloge von Laborwerten aufgebaut. Gerade bei formularbasierten Softwareprodukten sind die Daten dadurch häufig nicht durchgängig nutzbar, vor allem über die Einrichtungsgrenzen hinaus. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Softwarehersteller hier noch einige Hausaufgaben zu lösen haben, um semantische und syntaktische Interoperabilität zu gewährleisten.

Die meisten Software-Hersteller, welche in den Diskussionsprozess involviert sind, haben natürlich kein Interesse daran, dass eine semantische Interoperabilität jemals greift. Prof. Haas hat dies bereits vor Jahren aufgezeigt. Denn sie verfolgen monolithische Interessen. Viele Produkte basieren auf alten, für das Konzept der semantischen Interoperabilität nicht brauchbaren technischen Strukturen. Es sind Investitionen notwendig. Das ist ein riesiger Umbau, den die Hersteller hier in den nächsten Jahren leisten müssen.

Welche Trends erwarten Sie für die EPA?
Deutschland ist hier im länderweiten Vergleich immer noch eines der Schlusslichter bei der Umsetzung der elektronischen (mobilen) Gesundheits- und Patientenakte. Ich denke, das müssen wir aufholen, wenn wir die demographischen Herausforderungen und den damit steigenden Gesundheitsbedarf künftig mit einem soliden Qualitätsstandard erfüllen wollen.


PROFIL:
Dr. Pia Wieteck absolvierte zunächst eine Ausbildung zur Kranken¬pflegerin und aufbauend eine Ausbildung zur Lehrerin für Kranken¬pflegeberufe. Sie führte drei Jahre lang eine Krankenpflegeschule. Danach studierte sie in Darmstadt Pflegewissenschaft und promovierte an der Universität Witten/Herdecke zum Thema „Validitätsprüfung ausgewählter Bestandteile von European Nursing care Pathways (ENP)“, welches auch ihr Steckenpferd ist. Wieteck engagiert sich bei der jährlichen Validierung des Pflegekomplex¬maßnahmen-Score (PKMS) und war maßgeblich an der Entwicklung des OPS 9-20 beteiligt. Seit 2011 ist sie Mitglied der Arbeitsgruppe zur Weiterentwicklung des OPS 9-20 der Firma AGKAMED.

16.04.2015

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