Die Schiller AG - Schrittmacher für Trends in der Notfallmedizin

Man sagt, in der Schweiz gehen die Uhren etwas langsamer: Bei der Schiller AG mit Sitz in Baar ist man seiner Zeit jedoch immer ein bisschen voraus. Seit 1971 ist der Gründer und Geschäftsführer Alfred E. Schiller damit beschäftigt, der Konkurrenz auf dem hart umkämpften Intensiv- und Notfallmedizin-Markt ein Schnippchen zu schlagen – mit großem Erfolg.

CARDIOVIT MS-2010
CARDIOVIT MS-2010
Alfred E. Schiller
Alfred E. Schiller

Das international aufgestellte Medizintechnik-Unternehmen, das einst mit dem ersten Sechs-Kanal-EKG-Gerät der Welt mit automatischer Vermessung und Interpretation für Furore sorgte, unterhält mittlerweile 25 Tochter-gesellschaften und beschäftigt mehr als 700 Mitarbeiter weltweit. Um in den sehr von Technik getriebenen Geschäftsfeldern kardiopulmonale Diagnostik, Patientenmonitoring und externen Defibrillation das Tempo vorzugeben, bringt die Schiller AG vor allem zwei Dinge mit: Ein gutes Gespür für Trends und Spaß an der Entwicklung – noch heute tüftelt der inzwischen 66-jährige gelernte Physiker Alfred E. Schiller höchstpersönlich mit in der Ideenwerkstatt, wie er im Interview mit Daniela Zimmermann, EUROPEAN HOSPITAL, verriet.

Herr Schiller, wie haben Sie das wirtschaftlich schwierige Geschäftsjahr 2009 erlebt?

Sehr gut. In Deutschland, Schweiz und Österreich haben wir überhaupt keine Einbrüche gehabt, in Frankreich konnten wir den Umsatz sogar um 30 % steigern. Das liegt vor allem an großen Staatsaufträgen, die wir für uns entscheiden konnten. In Italien, wo wir seit 17 Jahren durch die Firma Esaote vertreten werden, läuft es ebenfalls gut. Ich glaube, von den großen Wirtschaftsbooms müssen wir uns in Zukunft allerdings verabschieden: So etwas gibt es heutzutage einfach nicht mehr.

Ihre Firma ist vor allem durch die EKG-Geräte und Defibrillatoren in Taschengröße berühmt geworden.

Größe und Gewicht der Geräte spielen insbesondere im Rettungsdienst eine entscheidende Rolle, weil Sanitäter oder Feuerwehrmänner oft auf den letzten Metern zum Patienten zu Fuß unterwegs sind und noch anderes Equipment bei sich tragen. Dieses Problem haben wir früh erkannt und durch den Einsatz von hochintegrierter Mikroelektronik sowie modernster Batterie- und Akkutechnologie gelöst. Während herkömmliche Monitoring-/Defisysteme für die Notfallmedizin zwischen 9-10 kg wiegen, ist unser neuer Argus Pro LifeCare 2 bloß noch halb so schwer, sprich 4,4 kg. Die Materialien sind eine robuste Leichtkonstruktion, wie sie auch im Flugzeugbau verwendet wird. Und es sind trotzdem alle Funktionen darin enthalten: 12-Kanal EKG, Schrittmacher, Kapnografie (etCO2), Pulsoxymetrie (SpO2), invasiver Blutdruck (IBP), nicht invasiver Blutdruck (NIBP) sowie Temperaturmessung – alles bei gleichbleibender Leistungsfähigkeit.

Bietet das Gerät auch die Möglichkeit, EKG-Daten in ein KIS zu spielen?

Das ist gar kein Problem. Dieses Gerät hat sogar ein wireless LAN eingebaut, ist also hochmobil. Alternativ können Mobilfunktechniken wie GSM (Global System for Mobile Communications) oder UTMS (Universal Mobile Telecommunications System) zur Datenübertragung vom Einsatzort zur Klinik genutzt werden. Sie können die Einsatzdaten aber nicht nur übertragen, sondern auch in EKG-Daten-Management-Systemen sammeln, um sie für das Qualitätsmanagement zu dokumentieren. Interoperabilität ist allerdings immer noch ein Problem in vielen Ländern: Standardisierungen von Schnittstellen durchzusetzen, dazu fehlt oft das Fachwissen und der politische Wille. Wir müssen uns als Anbieter von Medizintechnik daher immer stärker zu IT-Service-Profis entwickeln, die fertige Lösungen und Beratung zur Systemintegration anbieten. Als Mitglied der Integrating Healthcare Enterprises (IHE) sind wir bei Schiller bereits soweit, dass alle unsere Daten von Konvertierungsprogrammen auf bestehende Systeme übertragen werden können.

Sie haben auf dem WCC 2010 - World Congress of Cardiology - auch Ihr neues Elektrokardiographie-Gerät Cardiovit MS-2010 gelauncht. Welcher technische Trend zeichnet sich hier ab?

Das ist eine völlig neue Gerätegeneration, die sich an modernen Tablet-PCs wie dem iPad orientieren, z. B. ist die Bedienoberfläche ein Touchscreen. Vor einigen Jahren wäre das noch undenkbar gewesen, weil die Akzeptanzschwelle der User noch viel zu hoch war. Heute gehören moderne Kommunikationstools zum Alltag der Menschen und setzen sich in allen Lebens- und Geschäftsbereichen durch. Durch die Mobilfunkindustrie haben wir uns darüber hinaus an die ungebrochene Leistungsfähigkeit von kleinen Geräten gewöhnt. Technische Systeme und Unterhaltungselektronik sind daher nicht mehr so scharf getrennt wie noch vor einigen Jahren. Sie wachsen zusammen, und das beeinflusst das Anforderungsprofil unserer Kunden an uns. IT und die Miniaturisierung von Geräten werden deshalb zukünftig auch in der Medizintechnik immer wichtiger.

Wie schätzen Sie die Konkurrenz aus Asien bei den High-Tech-Medizingeräten ein?

Wissen Sie, mit medizintechnischen Geräten ist es wie mit Autos: Alle haben vier Räder, ein Lenkrad und einen Motor und trotzdem gibt es große Unterschiede in Qualität und Ausstattung. Nehmen Sie das Beispiel China: Hier sitzen unsere größten Kopisten. Für die ansässigen Hersteller ist Schiller ein großes Vorbild, allerdings werden Sie in keinem chinesischen Krankenhaus der gehobeneren Klasse ein heimisches Gerät finden, sondern nur Originale aus dem Ausland. Wenn man in China Qualität kaufen möchte, muss man lange suchen. Wir in Europa sind immer noch führend in der Ingenieurskunst und werden diesen Vorsprung auch halten können, wenn wir weiterhin an unseren Produktionsstätten vor Ort festhalten. Deshalb werden unsere Produkte weiterhin hauptsächlich in der Schweiz, in Frankreich und Deutschland hergestellt.

Herr Schiller, vielen Dank für das Gespräch.

 

ARGUS PRO LifeCare 2
Defibrillator, pacemaker, patient monitor and 12-channel ECG in a compact design
Features:
- Only 4.4 kg and extremely robust
- Intuitive operator guidance
- 8.4" colour display, transflective
- 6-channel ECG recorder, 114 mm wide paper, Z-folded, 30 m long
- NIBP, 4 x IBP, 2 x temp., SpO2, etCO2
- Defibrillator with AED and manual mode

 

CARDIOVIT MS-2010
ECG diagnostic system
Features:
- 10.4" full color touch display
- Instant-on and ECG printout in less than 3 seconds
- Storage of up to 350 ECGs
- connect via LAN, WLAN or GPR
- Support for HL7 worklists
- first high-end electrocardiography to support DICOM standard

 

20.08.2010

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