Chirurgische Weiterbildung im Internet statt im OP?

Moderne internetbasierte Methoden erlauben es Nachwuchschirurgen heute, sich wesentliche Kenntnisse und Fähigkeiten in Operationstechniken außerhalb der Klinik und in ihrer Freizeit anzueignen. Obwohl neue didaktische Ansätze unverzichtbar und hilfreich sind, können sie nach Einschätzung der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie nicht zum Ersatz für eine defizitäre Weiterbildungskultur werden.

Photo: Chirurgische Weiterbildung im Internet statt im OP?
Photo: Chirurgische Weiterbildung im Internet statt im OP?

“Examinierte Ärzte beginnen ihre Weiterbildung zum Chirurgen nicht im OP, sondern auf der Station: Sie verbringen viel Zeit mit dem Ausfüllen von Formularen, mit Dokumentation, Kodierung und Terminvereinbarungen für ihre Patienten, während sie eigentlich operieren lernen sollten” beklagt DGCH-Generalsekretär Professor Dr. med. Hartwig Bauer, Berlin. Gründe sieht er in der dominierenden Bürokratisierung und in wirtschaftlichen Zwängen der Kliniken, die zu wenig Freiräume und finanzielle Unterstützung für ihre Weiterbildungsaufgaben bekommen.

Die derzeitige Weiterbildungskultur zwingt Assistenzärzte zu aufwendigem Eigenstudium und zum Besuch von externen Operationskursen, was oft nur in der Freizeit möglich ist. Nach neuesten Umfragen bekommt nur jeder dritte Assistent hierfür finanzielle Unterstützungen von seiner Weiterbildungsstätte, berichtet Dr. med. Carolina Pape-Köhler von der Universität Witten-Herdecke in einem Artikel im Zentralblatt für Chirurgie (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2010). Zwei Drittel der Befragten waren demnach veranlasst, Urlaub einzureichen, um die Fortbildungen besuchen zu können.

Das Angebot an Lehrbüchern, Fachzeitschriften und Fortbildungen hat sich in den letzten Jahren zunehmend auf die veränderten Bedürfnisse eingestellt. Immer häufiger erlernen die Chirurgen ihre Techniken außerhalb der Klinik – an Simulationsgeräten, Tierorganen oder auch am Computer. Der neueste Trend sind elektronische OP-Lehren im Internet. Mit Texten, Grafiken, Animation, Film, Ton und einem Vorlesungsformat werde dem Nutzer chirurgisches Wissen angeboten, berichten Pape-Köhler und Kollegen: Wenigstens fünf Plattformen, darunter eine erste aus Deutschland, bieten den Chirurgen Unterstützung bei ihrer Weiterbildung. Auf einer Site können die Chirurgen sogar selbst erstellte Videos online stellen und ihre OP-Technik mit anderen Kollegen vergleichen.

Die DGCH befürwortet die neuen didaktischen Möglichkeiten ausdrücklich, sie bietet über eine umfangreiche Mediathek selbst entsprechende Weiterbildungsformate an. “Das chirurgische Training am Simulator ist zudem heute fester und unverzichtbarer Bestandteil der Weiterbildung“, so Professor Bauer. Lehroperationen mit aktivem Einsatz des Weiterbildungsassistenten und die Vermittlung von Fertigkeiten durch dafür speziell geschulte Weiterbilder böten die beste Möglichkeit, das notwendige Wissen zu erlangen und operative Fertigkeiten zu erwerben. Doch dies sei kein Patentrezept gegen allgemeine Mängel in der Weiterbildung.

Ein gut strukturiertes Weiterbildungsangebot mit verlässlicher, individueller Zielplanung ist nach Ansicht des Chirurgen auch das beste Mittel gegen einen drohenden Chirurgenmangel: “Das Erlernen und schließlich das eigenständige Operieren bilden die größte Motivation für unseren Nachwuchs und wecken Begeisterung für das spannende Fach Chirurgie.” Dazu bedürfe es einer weiterentwickelten Kultur der für die Weiterbildung Verantwortlichen, moderner didaktischer Konzepte – aber auch einer adäquaten Finanzierung in den Kliniken, da sich eine qualitativ hochwertige Weiterbildung nicht aus sich selbst heraus finanziere.

 

Quelle:
 C. Pape-Köhler, C. Chmelik, M. Rose, M. M. Heiss
 Moderne Didaktik in der chirurgischen Weiterbildung – zwischen Anspruch und Wirklichkeit; Zentralblatt für Chirurgie 2010; doi: 10.1055/s-0030-1247358

https://www.thieme-connect.de/ejournals/abstract/zblchir/doi/10.1055/s-0030-1247358

 

23.11.2010

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