Chirurgenpräsident übt Kritik an zunehmender Gewinnorientierung in Kliniken

Falsche Anreize durch leistungsorientierte Chefarztverträge

Mit einer klaren Kritik an der zunehmenden Ökonomisierung in Kliniken hat der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH), Professor Dr. med. Markus W. Büchler, den diesjährigen Chirurgenkongress in Berlin eröffnet.

 Dr. med. Markus W. Büchler
Dr. med. Markus W. Büchler

In seiner  Eröffnungsrede rief Markus Büchler die Mediziner auf, sich unnötigen Operationen aufgrund wachsenden wirtschaftlichen Drucks zu widersetzen. „Wir Chirurgen müssen uns für eine ausschließlich patienten- und krankheitsorientierte Chirurgie einsetzen“, forderte der DGCH-Präsident. Zugleich mahnte Büchler bessere Arbeitsbedingungen für Chirurginnen und Chirurgen an und schlug die Anrechnung von Familienbetreuungszeiten bei der Berufung in Leitungspositionen vor.

Der diesjährige Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie appellierte an alle Chirurgen, sich falschen Anreizen im Gesundheitswesen entgegenzustellen. „Chirurgen werden glaubwürdig bleiben, wenn sie die Indikation zur Operation patientenorientiert stellen und sich den falschen Anreizen im Gesundheitssystem widersetzen“, erklärte Markus Büchler, der seinen Kongress unter das Motto „Chirurgie in Partnerschaft“ gestellt hat.

Eine wichtige Rolle bei der zunehmenden Ökonomisierung spielten Arztverträge, die sich mit Blick auf die Aktionäre am finanziellen Gesamterfolg des Krankenhauses orientieren, nicht an der chirurgischen Qualität. „Wenn die Betten im Krankenhaus gefüllt werden müssen und der leistungsorientierte Vertrag des Oberarztes und Chefarztes über ihr Einkommen entscheidet“, führte Büchler aus, „dann kommt es wohl in Einzelfällen vor, dass ein Bett in einer chirurgischen Klinik mit einem Patienten belegt wird, der unter Umständen diesen Eingriff nicht unbedingt benötigt.“ Das belaste das Arzt-Patienten-Verhältnis und steht einer „Chirurgie in Partnerschaft“ entgegen.

2010 wurden laut Gesundheitsbericht des Bundes über 1,2 Millionen Bundesbürger mehr in Kliniken behandelt als noch zehn Jahre zuvor. Ob dies am demographischen Wandel oder am wirtschaftlichen Druck in Kliniken liegt, ist nicht immer klar und unter Experten umstritten.

In seiner heutigen Eröffnungsrede sprach sich DGCH-Präsident Markus Büchler auch für bessere Arbeitsbedingungen für Frauen in operativen Fächern aus. Erforderlich seien uneingeschränkte Kinderbetreuungsmöglichkeiten im Krankenhaus, aber auch flexible und familienfreundliche Arbeitzeitmodelle. „Ich gehe gerne so weit zu fordern, dass in Zukunft eine Chirurgin mit 40 bis 45 Jahren mit zwei kleinen Kindern bei der Berufung in eine Leitungsfunktion in der Chirurgie einem gleichaltrigen oder fünf Jahre jüngeren Chirurgen bei vergleichbarer Qualifikation vorgezogen werden sollte.“

 

25.04.2012

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