News • Neue Therapiestudie startet

Augeninfarkt: „Zeit ist Netzhaut“

Weniger als eine von 100.000 Personen erkrankt an einem Augeninfarkt. Der Schaden, den die eher seltene Erkrankung anrichten kann, ist aber umso größer. Eine nachweislich wirksame Therapie gibt es für den medizinischen Notfall bislang noch nicht. Das will ein interdisziplinäres Forschungsteam nun ändern.

Prof. Gabor Petzold von der Klinik für Neurologie und Prof. Frank G. Holz, Direktor der Klinik für Augenheilkunde des Universitätsklinikums Bonn (UKB), haben sich dem Universitätsklinikum Tübingen, dem Hertie-Institut für klinische Hirnforschung und der Universitäts-Augenklinik Hamburg-Eppendorf für eine gemeinsame Medikamentenstudie angeschlossen. Die Forschenden untersuchen, inwieweit ein Medikament das Gerinnsel auflösen und dadurch die Zerstörung der Netzhaut aufhalten kann. 

Prof. Gabor Petzold von der Klinik für Neurologie des UKB und Prof. Frank G....
Prof. Gabor Petzold von der Klinik für Neurologie des UKB und Prof. Frank G. Holz, Direktor der Klinik für Augenheilkunde des UKB, haben sich der REVISION Studie angeschlossen, die eine neue Therapie für Patienten mit Augeninfarkt untersucht.

Bildquelle: Universitätsklinikum Bonn (UKB)/R. Müller

Nicht nur das Gehirn kann einen Infarkt erleiden – auch das Auge kann von einem akuten Verschluss der Blutzufuhr betroffen sein. Der Augeninfarkt zeichnet sich durch eine plötzliche, schmerzlose Sehverschlechterung innerhalb von Sekunden aus. Unbehandelt führt er in rund 95% der Fälle zu einem schweren und dauerhaften Sehverlust im betroffenen Auge. Der Grund ist ein Gerinnsel in den Blutgefäßen, die die Netzhaut versorgen. Sind die Gefäße verstopft, ist die Sauerstoffzufuhr behindert und das Gewebe stirbt ab. Je schneller das Blut wieder ungehindert fließt, desto besser die Prognose. 

Die REVISION-Studie, die am Universitätsklinikum Tübingen und dem Hertie-Institut für klinische Hirnforschung sowie der Universitäts-Augenklinik Hamburg-Eppendorf initiiert wurde und nun auch am UKB startet, untersucht inwieweit das Medikament Alteplase das Gerinnsel auflösen und dadurch die Zerstörung der Netzhaut aufhalten kann. Trotz einer Vielzahl von verbreiteten Standardbehandlungen gibt es bislang keine nachweislich wirksame Therapie, die die Krankheitsursache behandelt – anders als beim ischämischen Schlaganfall, bei dem Alteplase mittlerweile routinemäßig und erfolgreich zur Auflösung des Blutgerinnsels eingesetzt wird. Ziel der REVISION-Studie ist es daher diesen Therapieansatz auch im Rahmen von Gerinnseln, die die Netzhaut betreffen, zu untersuchen. 

Die Medikamentenstudie wird ab sofort auch für Patienten am UKB starten. Rund 400 Patienten sollen deutschlandweit im Rahmen der Studie behandelt werden, 23 Kliniken beteiligen sich am Projekt. REVISION wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 4 Millionen Euro gefördert.

Tritt eine Sehverschlechterung innerhalb von Sekunden auf und existiert ein Schatten auf dem kompletten Auge, sollte die betroffene Person unmittelbar in die nächste Augenklinik oder zentrale Notaufnahme gehen – notfalls mit dem Rettungsdienst

Sven Poli

Ob die Symptome neurologischer oder augenheilkundlicher Natur sind, ist für Patienten mit Augeninfarkt schwer einzuordnen. „Deswegen sind wir mit der Klinik für Augenheilkunde des UKB eng vernetzt, denn beim Augeninfarkt zählt jede Sekunde. Wenn ein Augeninfarkt in unserem Neuro-Notfall-Zentrum diagnostiziert wird, können wir schnell handeln und die Behandlung interdisziplinär durchführen“, so Prof. Gabor Petzold, Sektionsleiter Vaskuläre Neurologie des UKB. Der Experte der Klinik für Neurologie und Prof. Frank G. Holz, Direktor der Klinik für Augenheilkunde des UKB, freuen sich über den Anschluss an die vielversprechende Studie. „Alteplase hat bei der Behandlung des ischämischen Schlaganfalls hervorragende Wirkung gezeigt. Wir erhoffen uns, dass wir Patientinnen und Patienten mit Augeninfarkt dank der Studie nun und vor allem in Zukunft mit einer noch gezielteren medikamentösen Therapie weiterhelfen können“, sagt Prof. Holz. 

Ein Augeninfarkt ist selten. Umso wichtiger ist, dass ihn auch Laien und niedergelassene Mediziner als Notfall erkennen. „Tritt eine Sehverschlechterung innerhalb von Sekunden auf und existiert ein Schatten auf dem kompletten Auge, sollte die betroffene Person unmittelbar in die nächste Augenklinik oder zentrale Notaufnahme gehen – notfalls mit dem Rettungsdienst, selbst dann, wenn der Schatten nur von kurzer Dauer ist“, appelliert Sven Poli, einer der Initiatoren der Studie. Dort kann nach der Diagnose unmittelbar mit einer Behandlung begonnen werden. 

Neben dem UKB wird die Studie unter anderem auch an den Uniklinika Heidelberg, Ulm, Frankfurt, Leipzig, Hamburg der LMU München und Tübingen stattfinden. Es folgen die Uniklinika Aachen, Dresden, Düsseldorf, Gießen, Göttingen, Halle, Homburg Saar, Lübeck, Münster, Regensburg, das Klinikum Ludwigshafen, die Charité Berlin, die TU München, die Augenklinik Sulzbach sowie das Katharinenhospital Stuttgart. 


Quelle: Universitätsklinikum Bonn

06.02.2023

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