
Bildquelle: Itä-Suomen yliopisto
News • Forscher kritisieren einseitige Darstellung
Alzheimer: Viele Medien bedienen Demenz-Klischees
Eine an der Universität Ostfinnland durchgeführte neue Studie zeigt, dass Bilder, die Demenz in finnischen Zeitungen darstellen, oft ein klischeehaftes und negatives Bild zeichnen. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal Age and Ageing veröffentlicht.
Ein multidisziplinäres Forscherteam analysierte alle Bilder, die zwischen 2018 und 2021 in den vier größten finnischen Zeitungen Nachrichten über Demenz begleiteten.
Die von diesen Bildern vermittelten Wahrnehmungen spiegeln die Menschen, die ich in meiner Klinik treffe, überhaupt nicht wider
Eino Solje
Die Ergebnisse zeigen, dass diese Bilder ein enges, angsteinflößendes und oft negatives Bild von Demenz vermitteln. Die meisten Bilder stellten Menschen mit Demenz als alt, gebrechlich und von anderen abhängig dar. Häufige visuelle Elemente waren graue Haare, faltige Hände, traurige oder leere Gesichtsausdrücke und passives Verhalten. Bilder einsamer Gestalten wurden häufig verwendet. Bilder von jüngeren Menschen im erwerbsfähigen Alter mit Demenz gab es hingegen kaum, obwohl etwa einer von zehn Demenzfällen vor dem 65. Lebensjahr diagnostiziert wird.
„Die von diesen Bildern vermittelten Wahrnehmungen spiegeln die Menschen, die ich in meiner Klinik treffe, überhaupt nicht wider. Im wirklichen Leben sind Menschen mit Demenzdiagnose genauso gepflegt und adrett wie ihre Altersgenossen. Angst- und furchteinflößende Bilder in Massenmedien können Ängste und das mit Demenz verbundene Stigma verstärken und Menschen möglicherweise davon abhalten, Hilfe zu suchen", sagt Studienleiterin Prof. Eino Solje.
Emotional aufgeladene visuelle Metaphern wurden ebenfalls häufig verwendet. Demenz wurde mit kopfförmigen Puzzles mit fehlenden Teilen im Gehirn illustriert, mit Silhouetten, bei denen Fragmente aus dem Gehirnbereich wegflogen, und mit Bäumen, die Herbstblätter im Wind verloren.* „Eine interessante Beobachtung war, dass mehr als ein Drittel der verwendeten Bilder überhaupt nicht mit dem Inhalt der Geschichte übereinstimmte, die sie illustrierten. Zum Beispiel wurden Geschichten über jüngere Menschen mit Demenz von Bildern alter Hände und Puzzle-Metaphern begleitet", fügt Solje hinzu.
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Geschichten über Demenzprävention tendierten dazu, positivere Bilder zu zeigen. Diese Bilder bezogen sich auf aktives Altern und Wohlbefinden, indem sie körperliche Aktivität und soziale Interaktion darstellten. „Solche Bilder können jedoch auch ein normatives Ideal dessen verstärken, was 'gutes Altern' ausmacht. Dies kann den Eindruck erwecken, dass Demenz ein persönliches Versagen ist, was wiederum zum Stigma beiträgt", merkt Postdoktorandin Sanna-Maria Nurmi, die Hauptautorin des Artikels, an.
Medienbilder können beeinflussen, wie Menschen mit Demenz sich selbst wahrnehmen und wie ihre Familie und Freunde sich zu ihnen verhalten, sowie welche Art von Entscheidungen die Gesellschaft bezüglich ihrer Pflege und Versorgung trifft
Sanna-Maria Nurmi
Laut den Forschern ist auch medikamenten- und behandlungsorientierte Bildsprache problematisch. Bilder, die Medikamente zeigen, können beispielsweise Menschen in die Irre führen zu glauben, dass eine heilende Behandlung für Demenz existiert, obwohl derzeit keine solche Behandlung verfügbar ist.
Bemerkenswert ist auch, dass die meisten verwendeten Bilder Stockfotos waren. Die auf diesen Fotos erscheinenden Personen leben nicht mit Demenz, sondern stehen nur symbolisch für ein Leben mit der Erkrankung. Stockfotos verlassen sich oft auf vertraute visuelle Klischees wie faltige Hände, traurige Gesichtsausdrücke oder Puzzleteile, die die Erfahrungen von Menschen mit Demenz nicht widerspiegeln. Dadurch besteht die Gefahr, dass sie ein Stereotyp verstärken. „Medienbilder können beeinflussen, wie Menschen mit Demenz sich selbst wahrnehmen und wie ihre Familie und Freunde sich zu ihnen verhalten, sowie welche Art von Entscheidungen die Gesellschaft bezüglich ihrer Pflege und Versorgung trifft", sagt Nurmi. „Bilder prägen die Wahrnehmungen der Menschen und besonders erste Eindrücke noch mehr als Worte. Bildsprache, die Demenz fast ausschließlich durch die Linse von Alter, Abhängigkeit und Verlust darstellt und oft reduktionistische visuelle Metaphern verwendet, kann diskriminierende Einstellungen schüren und zum Stigma beitragen, das von Menschen mit Demenz empfunden wird", fügt Nurmi hinzu.
Die Studie unterstreicht die Notwendigkeit, die visuelle Darstellung von Demenz in den Medien zu reformieren. Laut den Forschern könnte eine vielfältigere und realistischere visuelle Darstellung mit Menschen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Herkunft, Alltagssituationen und bedeutungsvollen Beziehungen dazu beitragen, das Stigma zu verringern, die Inklusion von Menschen mit Demenz zu unterstützen und ein besseres Verständnis für die Komplexität von Demenz zu fördern.
Diese Studie ist die erste umfassende und systematische Analyse, wie Demenz in finnischen Zeitungen visuell dargestellt wird. Die Ergebnisse sind auch international relevant, da sie zeigen, dass Stigma selbst in Staaten mit gut ausgebauten Gesundheitssystemen fortbestehen kann, erklären die Forscher.
Quelle: Itä-Suomen yliopisto - University of Eastern Finland
* Anmerkung der Redaktion: Auch in unserer Berichterstattung haben wir in der Vergangenheit wiederholt mit solchen Bildern gearbeitet. Wir werden uns in Zukunft um eine differenziertere Motivwahl bemühen.
26.10.2025





