Immunhistochemische Auswertungen zeigen: Auch bei Patienten mit Amyotropher...
Immunhistochemische Auswertungen zeigen: Auch bei Patienten mit Amyotropher Lateralsklerose (ALS) sind die Biomarker p-Tau 181 und p-Tau 217 im Blut erhöht.

Bildquelle: Abu-Rumeileh S, Scholle L, Mensch A et al., Nature Communications 2025 (CC BY 4.0)

News • Studie zur Spezifität von p-Tau

Alzheimer-Früherkennung: Ernüchterung um vielversprechenden Biomarker

Zur Früherkennung der Alzheimer-Krankheit sind sogenannte p-Tau-Proteine im Blut nicht so krankheitsspezifisch wie bisher angenommen: Auch bei Menschen mit Amyotropher Lateralsklerose (ALS) sind die Biomarker im Blut erhöht.

Für ein effektives Alzheimer-Screening der Allgemeinbevölkerung müssen demnach erst genauere Tests entwickelt und validiert werden. Das sind Ergebnisse einer multizentrischen Studie mit 385 Probanden unter Leitung der Universitätsmedizin Halle in Kooperation mit den neurologischen Zentren der Universitäten Mailand (Italien), Mannheim und Ulm. Die Arbeit ist in der Fachzeitschrift "Nature Communications" erschienen.

Portraitfoto von Prof. Markus Otto neben einem Mikroskop
Prof. Markus Otto am Mikroskop: In einer Studie zeigte er gemeinsam mit Kollegen, dass p-Tau-Proteine als Biomarker für Bluttests zur Alzheimer-Früherkennung nicht so gut geeignet sind wie erhofft.

Bildquelle: Universitätsmedizin Halle

Die Tau-Protein-Varianten p-Tau 181 und 217 gelten als frühe Warnsignale für Alzheimer, wenn sie vermehrt im Nervenwasser auftreten. Das Verfahren, mittlerweile Teil der diagnostischen Kriterien, ist mit der Lumbalpunktion aber eine für die Patienten belastende Prozedur. Neuere Arbeiten haben gezeigt, dass sich p-Tau-Proteine mit hochempfindlichen Methoden auch im Blut von Alzheimer-Betroffenen nachweisen lassen, was die Diagnose wesentlich erleichtern würde. „Die Fachwelt erwartete einen Durchbruch, der eine minimalinvasive und kostengünstige Alzheimer-Früherkennung für die breite Bevölkerung ermöglichen könnte“, erklärt Prof. Dr. Markus Otto, Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Neurologie an der Universitätsmedizin Halle. Neben der Alzheimer-Krankheit erforscht er die Früherkennung weiterer Nervenkrankheiten, bevor klinische Symptome auftreten. Dazu gehört zum Beispiel die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), eine degenerative neuromuskuläre Erkrankung des motorischen Nervensystems. 

„Uns fiel auf, dass die Konzentrationen von p-Tau 181 im Blut von ALS-Patienten erhöht war, nicht aber im Nervenwasser, wie man es von Menschen mit Alzheimer kennt. Um dem Phänomen genauer auf den Grund zu gehen, haben wir die bisher größte Studie zu diesem Thema initiiert“, erklärt der Neurologe Otto. In Zusammenarbeit mit Kollegen der Universitäten Mailand, Mannheim und Ulm, wurden 111 Alzheimer-Patienten sowie 152 ALS-Erkrankte untersucht und mit 122 Kontrollpersonen ohne Anzeichen für eine Alzheimer- oder ALS-Erkrankung verglichen.

Was auf den ersten Blick wie ein Rückschlag für die Alzheimer-Diagnostik aussieht, könnte uns beim Verständnis und der Behandlung von ALS und anderen Muskelerkrankungen weiterbringen

Samir Abu Rumeileh

Der Verdacht bestätigte sich und das Forschungsteam machte weitere Entdeckungen: „Bei ALS sind die Werte von p-Tau 181 im Blut mindestens so hoch wie bei Alzheimer. Wir konnten außerdem erstmalig zeigen, dass auch p-Tau 217 in ALS-Fällen erhöht ist. Unsere Studie bestätigt zum einen, dass die beiden erhofften Bluttests zur Alzheimer-Früherkennung nicht so spezifisch sind wie ursprünglich angenommen. Zum anderen haben wir damit mögliche Biomarker für ALS gewonnen, die sich für die Früh- und Verlaufsdiagnostik oder zur Wirkungskontrolle neuer Medikamente eignen könnten. Was auf den ersten Blick wie ein Rückschlag für die Alzheimer-Diagnostik aussieht, könnte uns beim Verständnis und der Behandlung von ALS und anderen Muskelerkrankungen weiterbringen“, erklärt Dr. Samir Abu Rumeileh, Erstautor der Studie sowie Oberarzt und Clinician Scientist in der Neurologie der Universitätsmedizin Halle. 

Die p-Tau-Proteine blieben wertvolle Kandidaten für eine Alzheimer-Frühdiagnose mittels Bluttest, so die Autoren der Studie. „Man kann damit noch immer eine Alzheimer-Pathologie erkennen, aber eben nicht so präzise, wie man sich das wünscht und wie es gerne propagiert wird. Wenn der Test positiv ausfällt, hätte man beispielsweise die Möglichkeit, mit neuropsychologischen und bildgebenden Verfahren oder einer Nervenwasseranalyse genauer nachzuprüfen. Wir befürchten aber, dass so ein Screening-Verfahren nur bedingt einsatzfähig ist, da die Krankheitsparameter in diesen frühen Phasen stark überlappen“, erklärt Prof. Otto. Angesichts neuartiger Antikörpertherapien gegen Alzheimer, wie sie in den USA bereits zugelassen sind und für Europa erwartet werden, bleibe es ein enorm wichtiges Ziel der Forschung, Betroffene frühzeitig und effizient zu identifizieren – denn nur eine frühe Behandlung ist derzeit erfolgversprechend. 

Massenspektrometrie-Analysen sowie immunhistologische Verfahren aus Gewebe zeigten, dass das Muskelgewebe von ALS-Patienten selbst in der Lage ist, p-Tau zu produzieren. „Die Annahme, dass diese Blutmarker ausschließlich aus dem Gehirn stammen können, trifft offenbar nicht zu“, fasst Prof. Otto zusammen. Möglicherweise könnten weitere Gewebe und Erkrankungen, insbesondere neuromuskuläre Erkrankungen, die Werte beeinflussen. Diese Erkenntnisse fordern etablierte Theorien zur Entstehung von Tau bei Alzheimer heraus und werden die Wissenschaft in nächster Zeit weiter beschäftigen. 

Hintergrund 

Die Suche nach einfachen und zuverlässigen Methoden zur Alzheimer-Früherkennung beschäftigt Forschende weltweit. Eine Schlüsselrolle dabei spielt das Tau-Protein, das normalerweise die langen Leitungsbahnen der Nervenzellen stützt. Bei Alzheimer-Betroffenen ist das Protein krankhaft verändert, es löst sich von den Nervenzellen und verklebt miteinander. Dadurch entstehen krankheitstypische Ablagerungen, die die Zellkommunikation stören und Nervenzellen absterben lassen. Erst im späteren Krankheitsverlauf treten die charakteristischen Symptome wie kognitive Beeinträchtigungen auf. 

Die Studie wurde im Rahmen des Clinician Scientist Programms der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und der Thierry Latran Foundation gefördert. 


Quelle: Universitätsmedizin Halle

06.03.2025

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