person pouring alcoholic drink into wine glass

Bildquelle: Unsplash/Lorin Both

News • Hydrogel als Katalysator

Alkohol im Körper abbauen: Forscher entwickeln "Detox-Gel"

Alkohol gelangt größtenteils über die Magenschleimhaut und den Darm ins Blut. Die Folgen davon sind heute unbestritten: Bereits geringe Mengen an Alkohol beinträchtigen die Konzentrations-​ und Reaktionsfähigkeit und erhöhen das Unfallrisiko.

Wer regelmäßig größere Mengen trinkt, schadet seiner Gesundheit: Lebererkrankungen, Entzündungen im Magen-Darm-Trakt oder Krebs sind häufige Folgen. Laut Weltgesundheitsorganisation sterben jährlich an die 3 Millionen Menschen an übermäßigem Alkoholkonsum. Forscher der ETH Zürich haben nun ein Protein-Gel entwickelt, das Alkohol bereits im Magen-Darm-Trakt abbaut. In einer kürzlich in der Fachzeitschrift Nature Nanotechnology erschienenen Studie zeigen sie an Mäusen, dass das Gel Alkohol schnell, effizient und direkt in harmlose Essigsäure umwandelt, bevor dieser ins Blut gelangt und dort seine berauschende und gesundheitsschädigende Wirkung entfaltet.

Das Gel könnte vor allem für Menschen interessant sein, die nicht ganz auf den Genuss verzichten möchten, aber ihren Körper nicht belasten wollen und nicht an der Wirkung des Alkohols interessiert sind

Raffaele Mezzenga

"Das Gel verlagert den Alkoholabbau von der Leber in den Verdauungstrakt. Im Gegensatz zum Alkoholstoffwechsel in der Leber entsteht dabei aber nicht das schädliche Zwischenprodukt Acetaldehyd", erklärt Raffaele Mezzenga, Professor für Lebensmittel und weiche Materialien an der ETH Zürich. Acetaldehyd ist giftig und für viele Gesundheitsschäden verantwortlich, die durch übermäßigen Alkoholkonsum entstehen. 

Das Gel könnte daher in Zukunft vor oder während des Alkoholkonsums oral eingenommen werden, um zu verhindern, dass der Blutalkoholpegel steigt und Acetaldehyd den Körper schädigt. Im Unterschied zu vielen am Markt erhältlichen Produkten bekämpft das Gel also nicht nur die Symptome des schädlichen Alkoholkonsums, sondern auch seine Ursachen. Das Gel ist aber nur wirksam, solange sich noch Alkohol im Magen-Darm-Trakt befindet und kann deshalb bei Alkoholvergiftungen nicht mehr helfen, wenn der Alkohol sich bereits im Blut befindet. Auch hilft es nicht dabei, den Alkoholkonsum generell zu reduzieren. "Es ist gesünder gar keinen Alkohol zu trinken. Das Gel könnte aber vor allem für Menschen interessant sein, die nicht ganz auf den Genuss verzichten möchten, aber ihren Körper nicht belasten wollen und nicht an der Wirkung des Alkohols interessiert sind", hält Mezzenga fest.

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Die Struktur des Gels unter dem Rastertransmissionselektronenmikroskop

Bildquelle: Su J et al., Nature Nanotechnology 2024 (CC BY 4.0)

Für die Herstellung des Gels verwendeten die Forschenden gewöhnliche Molkenproteine. Diese wurden mehrere Stunden gekocht, sodass sich daraus lange, dünne Fasern bildeten. Fügt man anschliessend Salz und Wasser als Lösungsmittel hinzu, vernetzen sich die Fasern zu einem Gel. Der Vorteil eines Gels gegenüber anderen Verabreichungsformen ist, dass es sehr langsam verdaut wird. Damit das Gel den Alkohol abbauen kann, braucht es aber noch mehrere Katalysatoren. 

Als Hauptkatalysator setzten die Forschenden auf einzelne Eisenatome, die sie gleichmäßig über die Oberfläche der langen Proteinfasern verteilten. "Wir tauchten die Fasern quasi in ein Eisenbad, sodass sie wirksam mit dem Alkohol reagieren und ihn in Essigsäure verwandeln können", sagt ETH-Forscherin Jiaqi Su, die Erstautorin der Studie. Um diese Reaktion im Magen auszulösen, sind winzige Mengen an Wasserstoffperoxid nötig. Diese werden durch eine vorgelagerte Reaktion zwischen Glucose und Goldnanopartikel erzeugt. Die Forschenden entschieden sich für Gold als Katalysator für Wasserstoffperoxid, da das Edelmetall nicht verdaut wird und daher länger im Verdauungstrakt wirksam ist. All diese Substanzen – Eisen, Glukose und Gold – packten die Forschenden in das Gel. Damit ermöglichten sie eine mehrstufige Kaskade aus enzymatischen Reaktionen, bei der am Ende Alkohol in Essigsäure verwandelt wird.

Anstatt größerer Nanopartikel entschieden wir uns für einzelne Eisenatome, die sich gleichmäßiger auf der Oberfläche der Fasern verteilen lassen und daher wirksamer und schneller mit dem Alkohol reagieren

Raffaele Mezzenga

Die Forschenden testeten die Wirksamkeit des neuen Gels an Mäusen, denen einmalig Alkohol verabreicht wurde und an Mäusen, die zehn Tage lang regelmäßig Alkohol erhielten. Dreißig Minuten nach der einmaligen Alkoholabgabe senkte die prophylaktische Anwendung des Gels den Alkoholpegel der Mäuse um 40%. Fünf Stunden nach Alkoholaufnahme war ihr Blutalkoholspiegel im Vergleich zur Kontrollgruppe gar um 56% gesunken. Dabei sammelte sich bei diesen Mäusen das schädliche Acetaldehyd weniger an und die Stressreaktionen der Leber wurden deutlich gemildert, was sich in besseren Blutwerten widerspiegelte. 

Bei den Mäusen, die 10 Tage lang Alkohol erhielten, konnten die Forschenden neben einem niedrigeren Alkoholpegel zudem eine anhaltende, therapeutische Wirkung des Gels nachweisen: Die Mäuse, die zusätzlich zum Alkohol täglich das Gel bekamen, zeigten einen deutlich geringeren Gewichtsverlust, weniger Leberschäden und damit einen besseren Fettstoffwechsel in der Leber sowie bessere Blutwerte. Auch andere Organe wie die Milz oder der Darm sowie das Gewebe der Mäuse wiesen deutlich weniger durch Alkohol verursachte Schäden auf. 

Dass Eisen mit Alkohol zu Essigsäure reagierte, entdeckten die Forschenden bereits in einer früheren Studie zur Verabreichung von Eisen durch Molkenproteinfasern. Da dieser Prozess damals zu langsam und zu schwach war, änderten sie die Form, mit der sie das Eisen an den Proteinfasern anbrachten. "Anstatt größerer Nanopartikel entschieden wir uns für einzelne Eisenatome, die sich gleichmäßiger auf der Oberfläche der Fasern verteilen lassen und daher wirksamer und schneller mit dem Alkohol reagieren", erklärt ETH-Professor Mezzenga. 

Die Forschenden haben bereits ein Patent für das Gel beantragt. Bis es für Menschen zugelassen wird, sind aber noch einige klinische Tests notwendig. Da die Forschenden aber bereits belegt haben, dass Molkenproteinfasern aus denen das Gel besteht essbar sind, sind sie zuversichtlich, dass auch dieser Schritt gelingen wird. 


Quelle: ETH Zürich

14.05.2024

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