σ=p*r/2h

Physikalisches Prinzip hilft bei Linksherzinsuffizienz

Herzspezialisten von 15 Studienzentren in sechs Ländern haben unter der Federführung von Prof. Dr. Dr. Stefan D. Anker, Professor of Innovative Clinical Trials an der Klinik für Kardiologie und Pneumologie des Herzzentrums der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), ein neues Verfahren zur Behandlung der Linksherzinsuffizienz untersucht. In der sogenannten Augment-HF-Studie konnten die Forscher zeigen, dass sich durch die Injektion des Gels „Algisyl“ die Leistungsfähigkeit von schwerkranken Herzpatienten erheblich verbessert.

Einpflanzung des Gels Algisyl in den Herzmuskel führt zu einer Volumen- und...
Einpflanzung des Gels Algisyl in den Herzmuskel führt zu einer Volumen- und Wandveränderung des linken Ventrikels. Dies trägt zu einer Entspannung und einer effizienteren Sauerstoffzunahme bei.
Quelle: LoneStar Heart Inc
Prof. Dr. Dr. Stefan Anker.
Prof. Dr. Dr. Stefan Anker.
Quelle: privat

„Das neue Behandlungsverfahren nutzt das physikalische Gesetz von Laplace. Danach hängt die Funktion einer Pumpe – in diesem Fall das Herz – von der Wandspannung (σ) und damit von Druck (p), Volumen (r) und Wanddicke (h) ab“, sagt Prof. Anker. Um das kranke Herz zu entlasten, injizieren die Herzexperten das Gel Algisyl in die Herzmuskulatur. Dadurch verändert sich das Verhältnis von Druck, Volumen und Wandspannung im Herz. Entwickelt wurde das Verfahren von der US-amerikanischen Firma LoneStar Heart Inc.

Ergebnisse

Zwölf Monate nach der Einpflanzung von Algisyl zeigten die Patienten eine signifikante und klinisch relevante Steigerung ihrer Leistungsfähigkeit. Bei den behandelten Patienten hatte die maximale Sauerstoffzunahme bzw. VO2max gegenüber der Vergleichsgruppe im Schnitt um 18 Prozent zugenommen. VO2-max stellt einen validen und objektiv überprüfbaren Parameter zur Leistungsfähigkeit und Prognose der Patienten dar. Mit dem sogenannten „Six minute walk distance“-Test wird gemessen, wie viele Meter die Probanden in sechs Minuten gehen können. Bei den schwerkranken Testpersonen konnte eine Steigerung von im Schnitt 100 Metern registriert werden. Dies ist eine enorme Verbesserung. Vor Studienbeginn schafften die Patienten durchschnittlich 300 Meter.

„Die Ergebnisse sind insgesamt sehr positiv. Bei der Selbsteinschätzung des Behandlungserfolges nach zwölf Monaten haben 73 Prozent der Algisyl-Gruppe eine starke oder moderate Verbesserung verspürt“, sagt Prof. Anker, Letztautor der Studie. Gestützt werden die Ergebnisse zudem durch die Bestimmung des Schweregrades der Herzinsuffizienz. Die weitverbreitete Klassifikation der New York Heart Association reicht von Stadium I für leichte Herzschwäche bis zu Stadium IV für schwere Herzinsuffizienz. Vor dem Eingriff wurde bei allen Studienteilnehmern eine Herzschwäche im Stadium III diagnostiziert. Zwölf Monate danach lagen 85 Prozent der mit Gelinjektionen behandelten Personen im Stadium I und II.

„Diese Studie macht große Hoffnung, dass uns in absehbarer Zeit ein neues, wirkungsvolles Verfahren für die Behandlung von Herzschwäche zur Verfügung steht. Wir verfolgen dieses Projekt mit Hochdruck und sind auf die weiteren Ergebnisse gespannt“, sagt Prof. Dr. Gerd Hasenfuß, Direktor der Klinik für Kardiologie und Pneumologie und Vorsitzender des Herzzentrums der Universitätsmedizin Göttingen (UMG).

Innovatives Studiendesign

Für die Studie wurden 78 Personen über einen Zeitraum von vier Jahren untersucht. Bei den Probanden wurde die maximale Sauerstoffaufnahme vor der Injektion des Algisylgels und zwölf Monate danach mit Laufbandtests ermittelt. Insgesamt setzten die Forscher sechs verschiedene Messverfahren ein, um die klinische Schwere der Herzschwäche bei den Probanden zu erfassen. Durch sogenanntes double assessment, die zweimalige Datenerhebung bei jeder Testperson, konnten die Mittelwerte für jede Testperson gebildet werden. Mit Hilfe dieser Maßnahme steigt die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse im Vergleich zu einer einmaligen Erhebung deutlich an. „Das double assessment erhöht die statistische Aussagekraft der Studie deutlich, obwohl wir nicht sehr viele Probanden hatten“, sagt Prof. Anker. Diese Form der Datengewinnung wird noch recht selten angewendet, da die zweifache Messung einen erheblichen Mehraufwand bedeutet.

Einsatz in der Routine in drei bis vier Jahren

Bis das Verfahren Einzug in die medizinische Praxis erhält, wird es voraussichtlich noch drei bis vier Jahre dauern. Das Verfahren hat bereits die CE-Zertifizierung erhalten. Das Verfahren entspricht somit den gesetzlichen Bestimmungen der Europäischen Union (EU) und der Verkauf in der EU ist genehmigt. Bevor die Therapie jedoch in der Klinik eingesetzt werden kann, muss eine weitere, größere Studie in den USA die positiven Ergebnisse bestätigen. Zurzeit laufen die Planungen für die Folgestudie mit rund 200 Patienten auf Hochtouren. Das Herzzentrum der UMG wird als Studienzentrum unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. Stefan Anker daran teilnehmen.


Originalveröffentlichung: Douglas L. Mann, Randall J. Lee, Andrew J.S. Coats, Gheorghe Neagoe, Dinu Dragomir, Enrico Pusineri, Massimo Piredda, Luca Bettari, Bridget-Anne Kirwan, Robert Dowling, Maurizio Volterrani, Scott D. Solomon, Hani N. Sabbah, Andy Hinson, Stefan D. Anker. One-year follow-up results from AUGMENT-HF: a multicentre randomized controlled clinical trial of the efficacy of left ventricular augmentation with Algisyl in the treatment of heart failure. European Journal of Heart Failure (2015) doi:10.1002/ejhf.449

Quelle: Universitätsmedizin Göttingen

 

05.01.2016

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