Vernetzung und Europäisierung
Der neue Präsident hat Vorlieben
Seit 31. Mai ist Prof. Dr. Norbert Hosten der 58. Präsident der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG). Zum ersten Mal in der Geschichte stellt damit die Ernst-Moritz-Arndt Universität in Greifswald einen Präsidenten.
Prof. Hosten sieht in diesem Amt dann auch weniger eine Anerkennung seiner eigenen Person als vielmehr der ganzen Klinik: „Meine Wahl zum Präsidenten der DRG ist eine große Auszeichnung für eine relativ kleine Klinik aus dem Nordosten der neuen Bundesländer. Sie zeigt, wie viel hier in den vergangenen Jahren aufgebaut werden konnte“, so Norbert Hosten. Über seine Ziele für die zweijährige Amtszeit sprach „RöKo Heute“ mit dem Präsidenten.
Prof. Hosten, welche Themen möchten Sie in den kommenden zwei Jahren anfassen und vorantreiben?
Ein großes Thema ist die Vernetzung der Radiologie – nicht nur die Teleradiologie, sondern das vernetzte Arbeiten in der Radiologie und darüber hinaus. Um Qualitätsverbesserungen zu erreichen und spezialisierte Befunde zu bekommen, müssen wir künftig stärker in Verbünden arbeiten. Mithilfe von Nachbefundungen durch Experten und Zweitmeinungen können so auch kleinere Abteilungen in allen Subspezialisierungen Befunde auf höchstem Niveau anbieten. Und unter Einbeziehung der niedergelassenen Radiologen sollte der interdisziplinäre Austausch durch die Einbindung in Netzwerkservices wie Tele- tumorkonferenzen und Telestrokenetzwerke vorangebracht werden. So kann man die interdisziplinären Konferenzen, die man im Haus hat, auch in die Breite ausrollen. Ein weiteres Anliegen ist die Nutzung unserer Netzwerke für Forschungszwecke. Die Radiologie sollte mehr Multicenterstudien mit radiologischen Themen anstoßen, kein anderes Fach hat dafür so gute Voraussetzungen wie wir.
Was bewegt Sie auf europäischer Ebene?
„Die große Frage ist derzeit, wie der europäische Facharzt aufgenommen wird. Diese einheitliche Facharztprüfung ist vor allem für Länder interessant, in denen die Facharztausbildung bislang nicht ein so hohes Niveau hatte. In Deutschland sind wir sehr gut aufgestellt, die Radiologen hier könnten das europäische Diplom nur freiwillig on top machen. Man darf gespannt sein, wie viele europäische Länder das Diplom insgesamt umsetzen werden und ob sich dadurch ein Handelszwang für Deutschland ergibt. Aufgrund meiner geografischen Lage und wissenschaftlichen Ausrichtung habe ich ein besonderes Interesse an einer verstärkten Zusammenarbeit mit den osteuropäischen Partnergesellschaften. In vielen der Gesellschaften wird noch Deutsch gesprochen und es gibt ein großes Interesse an der deutschen Radiologie – also eine sehr dankbare Aufgabe.
Muss die DRG mehr tun, um junge Mediziner für das Fach zu begeistern?
Ich habe nicht den Eindruck, dass es schwierig ist, junge Menschen für die Radiologie zu begeistern. Der Ärztemangel dürfte seinen Zenit langsam überschritten haben; es stehen mehr Ärzte für die klinische Versorgung zur Verfügung als noch vor ein bis zwei Jahren. Insgesamt ist der Bedarf an Radiologen allerdings gestiegen, weil höhere Qualitätsansprüche auch mehr Zeit und Personal erfordern. Die Radiologie ist ein technisches Fach, das technische Entwicklungen der Gesellschaft frühzeitig aufnimmt und in Diagnostik verwandelt. Die Vernetzung in der Radiologie geht ja mit einer immer stärkeren Vernetzung der Gesellschaft einher. Junge Menschen finden sich daher in unserem Fach wieder. Daher sehe ich keine Schwierigkeiten bei der Nachwuchsgewinnung.
Wie stehen Sie zu der Position, dass die Radiologie ein PR-Problem hat?
Wir leben in einer bildergeprägten Gesellschaft und es ist ein offenes Geheimnis, dass die Radiologie viele Aufgaben übernommen hat, die früher der körperlichen Untersuchung beziehungsweise der Anamnese zugeordnet waren. Der Druck in den klinischen Fächern nimmt zu und es steht immer weniger Zeit für diese Tätigkeiten wie auch für das Gespräch mit den Patienten zur Verfügung. Deshalb hat die Bedeutung einer objektivierten Methode wie der Radiologie in den 25 Jahren meiner Berufstätigkeit ständig zugenommen. Die Sichtbarkeit beim Patienten und bei den klinischen Kollegen hat jeder Radiologe selbst in der Hand. Die Qualitätsoffensiven der letzten Zeit haben gezeigt, dass es nicht um mehr Untersuchungen geht, sondern darum, die Zufriedenheit des Patienten mit den Untersuchungen zu erhöhen.
Vielen Dank für das Gespräch!
IM PROFIL
Prof. Dr. Norbert Hosten ist seit 2001 Lehrstuhlinhaber für Diagnostische und Interventionelle Radiologie an der Universität Greifswald. Die Arbeitsschwerpunkte des Neuroradiologen liegen in der Magnetresonanztomographie, der Interventionellen Radiologie und der Telemedizin. Der gebürtige Düsseldorfer studierte, promovierte und habilitierte sich an der Freien Universität Berlin. Zuletzt war er Leitender Oberarzt an der Strahlen- und Poliklinik am Berliner Rudolf-Virchow-Klinikum. Im Jahr 2008 übernahm er den Vorstandsvorsitz des Vereins Telemedizin in der Euroregion Pomerania – ein Zusammenschluss von Experten, der sich die Entwicklung und den Ausbau der Telemedizin in der dünn besiedelten Region zum Ziel gesetzt hat.
31.05.2013