Quelle: Shutterstock/Gorodenkoff
Artikel • Labor-Einkaufsliste
So wird das LIS zum Partner fürs Leben
Wer ein Labor-Informations-System (LIS) kauft, erwirbt damit nicht nur eine Software, sondern geht auch eine dauerhafte Kooperation mit einem Software-Unternehmen ein. Die Liste der Auswahlkriterien ist lang, aber welche Themen sind gerade „en vogue“, welche Probleme werden gerne unterschätzt?
Die Kaufentscheidung für ein LIS – genau genommen die Entscheidung für einen oder mehrere Softwareanbieter – ist von vielen Kriterien abhängig und hat immer einen Hauch von Abenteuer, dessen Ausgang erst nach vielen Jahren wirklich beurteilt werden kann. Wirtschaftliche, technische und funktionale Kriterien sind offensichtlich und lassen sich zum Teil in Zahlen ausdrücken. Andere sind eher weich und nur schwer quantifizierbar. Trotzdem müssen gerade auch diese „Soft Skills“ in die Kaufentscheidung einfließen, denn von ihnen hängt die Qualität der Zusammenarbeit zwischen Anbieter und Anwender ab. Letztendlich gilt es, harte Fakten und weiche Einschätzungen ins Gleichgewicht zu bringen.
Pflichtenheft
Aus den Anforderungen entsteht das Pflichtenheft, das Teil der Ausschreibung ist und den Bewerbern vorgelegt wird. Wenn man in verantwortlicher Position nicht selbst IT-Profi ist, wird man wohl die Unterstützung eines Beratungsunternehmens in Anspruch nehmen. Unsere Checkliste gibt einen ersten Überblick, woran man unbedingt denken sollte. Vor der Ausschreibung müssen die Anbieter, die eingeladen werden sollen, sorgfältig ausgewählt werden. In die Bewertung fließen Informationen zum Unternehmen selbst ein, etwa Wirtschaftskraft, Kontinuität im Markt und die Übernahme von Verantwortung. Durch den Besuch von Referenzlaboren und den Informationsaustausch mit Anwendern können hier wertvolle Eindrücke gesammelt werden. Aber so wichtig diese Kriterien auch sein mögen, so geben sie natürlich keine 100%ige Garantie dafür, dass eine Software auch langfristig weiterentwickelt wird.
Technische Kriterien
Unter die wirklich harten Fakten fallen vor allem Angaben zur Software, Hardware und Datenbankstruktur. Welche Betriebssysteme, Programmiersprachen und Web-Technologien kommen zur Anwendung? Wie ist die Performance der Datenbank bei hoher Auslastung? Eine wichtige Frage betrifft die Autarkie der Anwender. Es ist sehr sinnvoll, Parametrierungen selbst vornehmen zu können, z. B. zur Erstellung und Anpassung von Datenbankabfragen. Welche Kurse sind zu welchen Preisen im Angebot? Nicht zuletzt muss man auch klären, welche physikalischen Schnittstellen unterstützt werden, ob die gängigen Schnittstellenprotokolle wie HL7/IHE oder ASTM verwendet werden und wie die Einbindung von Laborgeräten praktisch abläuft. Die Programmierung spezifischer Geräteschnittstellen gehört zum Kerngeschäft der meisten Anbieter und schlägt sich mit Preisen von mehreren Tausend Euro pro Gerät im Laborbudget über die Jahre hinweg maßgeblich nieder. Die Schnittstellenproblematik betrifft auch Hintergrundprozesse wie etwa Abrechnung und Controlling oder die externe Kommunikation mit niedergelassenen Arztpraxen zum Austausch von Auftrags- und Befunddaten.
Funktionale Kriterien
Längst gilt nicht mehr die Devise „Alles aus einer Hand“
Viele in der Tabelle unter Funktionsumfang genannten Module werden mittlerweile von jedem Unternehmen angeboten. Trotzdem sollte man sich im Detail anschauen, wie die Abläufe geregelt sind und in welcher Form sie durch Stammdaten und Parametrierung gesteuert werden. Heutzutage ist vor allem zu beachten, dass die Arbeitsabläufe im Labor die verschiedenen Normen erfüllen. Einige, wie die Rili-BÄK für die Qualitätskontrolle, die ISO 15189 oder 17025 für die Akkreditierung bzw. die ISO 22870 für POCT erscheinen offensichtlich; andere wie etwa die GMP für die Blutspende, die auch bei Eigenblutspenden greifen muss, sind es weniger.
Generell geht die Tendenz in Richtung Prozessüberwachung. Wenn bereits Standardverfahrensanweisungen (SOPs) vorhanden sind, lässt sich anhand dieser der Workflow von Kernprozessen im Labor visualisieren, um sicherzustellen, dass die erforderlichen Normen tatsächlich eingehalten werden. Für die Laboranwender sollten die Prozesse auch im Alltag auf einen Blick, z. B. auf einem Prozessmonitor, grafisch darstellbar sein.
Zu den großen Herausforderungen zählt heute der Datenschutz. Wenn man bedenkt, wie viele Menschen mit unterschiedlicher Ausbildung und Aufgabenstellung in einem Krankenhaus arbeiten, wird klar, wie differenziert der Zugriff auf die im Zentrallabor und den POCT-Stationen anfallenden, sensiblen Daten geregelt sein muss. Die detaillierte Beschreibung des Datenschutzkonzepts muss folglich ein wesentlicher Bestandteil jedes LIS-Angebots sein. Nicht zuletzt ist zu klären, wie die Übernahme von Altdaten abläuft, denn die Neueinführung eines LIS geht in der Regel mit der Ablösung eines vorhandenen Systems einher. Längst gilt nicht mehr die Devise „Alles aus einer Hand“. Für manche Funktionalitäten macht es Sinn, Software vom Spezialisten einzukaufen. Ein Beispiel sind die Dokumentenmanagement- und Dokumentenlenkungs-Programme, die den Qualitätsmanagement-Beauftragten das Leben erleichtern.
Quelle: Shutterstock/angellodeco
Wirtschaftliche Kriterien
Preise zählen zu den Faktoren, die sich noch am klarsten definieren lassen. Auch wenn die genauen Kosten für die Implementierung und den Betrieb eines LIS nicht im Vorhinein auf den Euro genau festgelegt werden können, ist eine Abschätzung nötig und möglich – schon allein deshalb, weil ab einer Summe von 209.000 € für einen Zeitraum von fünf Jahren eine europaweite Ausschreibung erfolgen muss. Zu berücksichtigen sind Lizenzgebühren, z. B. für Datenbank oder Programmiersprache, Kosten für die Software selbst bzw. für den Wartungsvertrag sowie natürlich die Kosten für die Rechner-, Drucker- und sonstige Hardware. Hier ist stets auch zu überlegen, welche Eigenleistungen vom Krankenhaus oder Labor erbracht werden können und was an vorhandener Infrastruktur übernommen werden kann. Eventuell ist es aber auch sinnvoll, sich im Rahmen der Neuanschaffung von veralteter Technik zu lösen. Die Installation von Software und Hardware kann möglicherweise von hauseigenem Personal aus der EDV-Abteilung übernommen werden. Auch Schulungen während der Implementierungsphase können durch eigenes Personal als Eigenleistung erfolgen. Bei der Einführung von elektronischen Anforderungssystemen (Order Entry) muss das gesamte Stationspersonal geschult werden. Da hier schnell tausend und mehr Schulungen anfallen, bietet es sich an, nur sogenannte Key-User von der Softwarefirma ausbilden zu lassen.
Fazit
Purchasing a new LIS is a huge challenge, but is also an opportunity to examine all processes, weed out inefficiencies and update tried and tested workflows. A good LIS vendor is a partner for life – in prosperity and adversity.
Die Neuanschaffung eines LIS gehört zu den größten Herausforderungen, die einem Labor begegnen können. Dies mag auf den ersten Blick erschreckend klingen. Doch letztlich liegt darin auch eine große Chance, nämlich alle Prozesse zu überdenken, Effizienzbremsen zu beseitigen und Bewährtes neu zu strukturieren. Ein guter LIS-Anbieter ist in diesem Sinne auch ein guter „Partner fürs Leben“.
Checkliste für die Auswahl eines Laborinformationssystems | ||
---|---|---|
Merkmal | Erläuterung | |
Unternehmen | Größe, Wirtschaftskraft | Feste und freie Mitarbeiter, Umsatz, Hauptgeschäftsbereich |
Kontinuität, Verantwortung | Gesellschaftsform, Gründungsjahr, Garantieleistungen, ISO-Zertifizierung | |
Referenzinstallationen | Anzahl, Größe, Umfang, Reputation | |
Erfahrungsberichte | Termintreue, Einhaltung von Zusagen, Engagement der Mitarbeiter, Kooperation mit Geräte-, LIS- und KIS-Herstellern | |
Soft skills | Persönlichkeit und Kompetenzen des Anbieters (der Mitarbeiter) im Gespräch | |
Implementierungskonzept | Verständlichkeit, Umfang, Lösungsskizze | |
Service | Hotline, Responsezeiten, verfügbare Spezialisten | |
Schulung | Unterlagen, Onlinehilfen, Schulung vor Ort, Seminare | |
Produkt | Architektur | Client-Server-Architektur, Peripherie, zentraler Stammdatenserver |
Hardware | Zentralrechner, PC-Netz, Terminals, Drucker, Speicher, Betriebssystem | |
Software | Datenbank, Datenschutzkonzept und -testate, Nutzung von Standardsoftware, Parametrisierbarkeit (auch durch Anwender) | |
Zeitverhalten | Je nach Datenbankfüllung, Zahl der Online-Anschlüsse und Benutzer insbesondere bei überörtlichen Anlagen | |
Wartungsverträge | Art und Umfang, Hardware und Software, Remote-Zugriff | |
Lizenzpolitik | Online-Geräte, Datenbank, Mehrfachinstallationen (Campuslizenz), Pay-per-Use (statt Kauf) | |
Funktionsumfang | Module | Klinische Chemie, Mikrobiologie, Blutbank, Pathologie, Abrechnung, Order-Entry, Automation und Steuerung |
Datenschutzkonzept | Berechtigungssteuerung, Steuerung des Zugriffs auf Patienteninformationen (z. B. Laborwerte) | |
Auskunftsfunktionen | Such- und Sortiermöglichkeiten, Auftragszustand, Probenverfolgung | |
Umsetzung div. Normen | Rili-BÄK, ISO 15189, ISO 17025, ISO 22870, GMP u. a. | |
Stammdatenverwaltung | Pfl egbarkeit, Parametrierung, Kopierfunktionen, Übernahme von Altdaten, modulübergreifend | |
Anforderung und Messwerterfassung | Tastatur/Kartenleser/Order Entry, Materialkennung, unterschiedliche Barcodes, Geräteschnittstellen | |
Qualitätskontrolle | Rili-BÄK-konform, Westgard, weitere Regelwerke, grafische Darstellung | |
Technische und medizinische Validation | Autovalidation, Regelwerke, Alarme, automatische Wiederholungsmessungen, grafische Darstellung | |
Befundung | Sortierkriterien für Einsender und Labor, Regelsysteme, ICD-Kodierung, Fußnoten bei mehrfach gleichen Texten | |
Abrechnung | Mandantenfähigkeit, Leistungsverzeichnisse, Periodenabgrenzung | |
Archivierung | Verfahren, Dauer, Zugriff, Reaktivierung, Speicherung von Bilddaten | |
Statistik | Gespeicherte und freie Abfragen, SQL-Assistent, Export in Standardsoftware | |
Integration | Konfigurierbarkeit | Anpassung von Software und Benutzeroberfläche an lokale Situation |
Kommunikation intern | Anbindung an KIS und Stationen, POC-Geräte, dezentrale Drucker, konfigurierbare Standardschnittstellen (HL7, IHE, LDT, ASTM) | |
Kommunikation extern | Anbindung anderer Kliniken, Facharztlabor, Laborgemeinschaft | |
Hardware | Nutzung vorhandener Drucker, Scanner, PCs, Belegleser | |
Vorhandene Daten | Übernahme von Altdaten, Beibehaltung der Nummernlogik | |
Ergebnis | Kosten | Anschaffung inkl. Inbetriebnahme, Datenbank, laufende Kosten |
Eigenleistungen | Erforderliche Eigenleistung (Konfigurierung, AP-Rechner, Hardware und Server vorbereiten), Datenbank-Lizenz, Schulungen durch hauseigenes Personal | |
Kosten für 5 Jahre | Höhe der Kosten ist entscheidend für eine europaweite Ausschreibung |
Kontakt: Markus Neumann: markus.neumann@labcore.de
Dieser Artikel ist zuerst erschienen in Trillium Diagnostik 2018.
27.09.2018