Lungenschonende Beatmung
Risiko von Komplikationen minimieren
Weltweit werden jährlich 234 Millionen Patienten operiert. In Deutschland wird allein bei rund 15,8 Millionen das Skalpell angesetzt. Werden die Eingriffe unter Vollnarkose durchgeführt, ist eine künstliche Beatmung notwendig. Um dies möglichst schonend für den Patienten zu gestalten und um Komplikationen vorzubeugen, entwickeln Anästhesisten und Intensivmediziner Beatmungstechniken konsequent weiter.
Eine aktuelle Studie [3] zeigt nun, dass es eine wesentliche Rolle spielt, wie Patienten während der Operation beatmet werden. „Durch einen flachen Atemzug und einen niedrigen Ausatemdruck lassen sich unerwünschte Folgen minimieren“, erklärt Professorin Dr. med. Thea Koch, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) und Kongresspräsidentin des diesjährigen Jahreskongresses (DAC).
Die Intensivmedizin stellt den Bereich im Krankenhaus dar, der sich mit der Therapie lebensbedrohlicher Zustände und Krankheiten befasst. Oberstes Ziel ist die Sicherung der lebenswichtigen Körperfunktionen, den sogenannten Vitalfunktionen. Ein wesentlicher Aspekt hierbei ist die künstliche Beatmung. Verbunden mit der Narkose stellt diese während der Operation eine Ausnahmesituation für den Körper dar. Naturgemäß birgt jeder Eingriff ein gewisses Risiko, dass es zu einer Komplikation kommen kann. Zu den häufigsten Problemen nach großen Operationen gehören Lungenkomplikationen mit Atembeschwerden. Nicht immer lassen sich diese unerwünschten Folgen auf die eigentliche Operation zurückführen, sondern können wie man nun weiß auch mit der Art der Beatmung zusammenhängen.
Neueste Erkenntnisse empfehlen schonendere Beatmung
Bislang wurden Patienten in Narkose häufig mit tieferen Atemzügen und einem Ausatemdruck von etwa drei bis zwölf Zentimeter Wassersäule (Einheit zur Messung) beatmet. Ziel dieser Einstellung war es, die Lunge gut zu belüften und während der gesamten Beatmungszeit einen positiven Druck in den Atemwegen aufrechtzuerhalten. Während man bis dato davon ausging, dass dieser Druck nötig ist, um die Atemwege offen zu halten und somit den Körper optimal mit dem lebensnotwendigen Sauerstoff zu versorgen, eröffnen die Ergebnisse der PROVHILO-Studie neue Erkenntnisse in diesem Bereich: Tatsächlich kann die Sauerstoffversorgung auch bei flachen Atemzügen mit einem geringeren Ausatemdruck gewährleistet werden. Dies beeinträchtigt außerdem weniger stark die Herzkreislauffunktion.
Je weniger Druck, desto besser
In der PROVHILO-Studie wurden 900 Patienten dahingehend untersucht, wie sie ihre Beatmung während einer Bauchraumoperation verkraftet haben [3]. Beteiligt waren 30 Zentren in Europa sowie Nord- und Südamerika. 447 Patienten wurden mit einem höheren Ausatemdruck von ca. 12 Zentimeter Wassersäule beatmet, die übrigen 453 Patienten im Vergleich dazu mit einem deutlichen niedrigeren Druck von null bis zwei. Herausgestellt hat sich dabei, dass die Patienten, die mit einem niedrigeren Druck beatmet wurden, nicht nur einen stabileren Kreislauf während der Operation aufwiesen, sondern auch danach von der schonenderen Beatmung profitierten – sie zeigten keine erhöhten Komplikationen. Ein überraschendes Ergebnis, wie Frau Professor Koch feststellt: „Die Studie zeigt, dass die bislang gängige Praxis neu überdacht werden muss und ein höherer Beatmungsdruck nicht zwangsweise einen positiven Effekt hat.“ Zusammen mit Erkenntnissen anderer Studien ergibt sich die Schlussfolgerung, dass während einer Operation eine lungenschonende Beatmung mit flachem Atemzug in Kombination mit einem niedrigen Ausatemdruck den optimalen Schutz vor Kreislauf- und Lungenkomplikationen während und nach einer Operation ermöglicht. Empfehlungen, die nach aktueller Studienlage, für normalgewichtige Patienten ohne vorbestehende Lungenerkrankung gelten.
Höhere Patientensicherheit: DGAI begrüßt Weiterentwicklungen
„Jede neue Erkenntnis ist wertvoll und wird die Forschung auf diesem Gebiet weiter vorantreiben“, betont Professor Dr. Hugo Van Aken, DGAI-Generalsekretär. In den nächsten Jahren soll untersucht werden, welche Rolle der Beatmungsdruck bei einer Operation im Brustkorb spielt und in welchem Ausmaß Patienten mit Fettleibigkeit (Adipositas) von einem niedrigen Beatmungsdruck profitieren. Die DGAI begrüßt diese Entwicklung: „Eine hohe Versorgungsqualität und Patientensicherheit sowie effiziente, problemorientierte Lösungen für die zahlreichen Herausforderungen in der Anästhesiologie und Intensivmedizin sind unser Ziel. Daran gilt es gemeinsam zu arbeiten“, führt Professor Van Aken weiter aus.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e. V. (DGAI)
28.04.2015