Orthopädie und Unfallchirurgie
Patientenaufklärung senkt OP-Zahlen
Der Sinn und Unsinn medizinischer Leistungen steht immer wieder zur Diskussion. In Deutschland hat dieses Jahr die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) die Initiative „Gemeinsam klug entscheiden“ ins Leben gerufen, um Unter- und Überversorgung in den einzelnen Fächern zu beleuchten. Als eine der ersten Fachgesellschaften setzten jetzt auch die Orthopäden und Unfallchirurgen mit dem Berufsverband das Thema auf ihre Agenda. Wie etwa beim nicht-spezifischen Rückenschmerz unnötige Eingriffe vermieden werden können und welche Behandlungen Patienten stattdessen häufiger erhalten sollten, diskutieren die Experten auf der Vorab-Pressekonferenz am 13. Oktober 2015 in Berlin sowie in einer Sitzung auf dem Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU).
In einer ersten Sitzung zu „Gemeinsam klug entscheiden“ auf dem DKOU am 21. Oktober treffen sich Experten, um über unnötige Behandlungen in Orthopädie und Unfallchirurgie zu diskutieren. „Als erstes nehmen wir uns die Leitlinie zum Rückenschmerz vor“, so Dr. med. Hans-Jürgen Hesselschwerdt, Kongresspräsident vom Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU). Denn vor allem Patienten mit nicht spezifischen Kreuzschmerzen, bei denen der Arzt keine körperliche Ursache feststellen kann, erhalten zu häufig Behandlungen ohne nachweislichen Nutzen. „Ein Beispiel sei auch die operative Entfernung eines Bandscheibenvorfalls, der weder die Nervenwurzel noch das Rückenmark bedrängt“, ergänzt Professor Dr. med. Hans-Raimund Casser, 2. Schriftführer des Vorstandes der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) und Ärztlicher Direktor des DRK Schmerz-Zentrums Mainz.
Ziel der Initiative „Gemeinsam klug entscheiden“ sei es aber, nicht nur die Über- sondern auch die Unterversorgung zu benennen, betont Hesselschwerdt. „So kommt beispielsweise die Zeit für die Patienten-Aufklärung über Behandlungsalternativen oft zu kurz“, so der Chefarzt von der Theresienklinik Bad Krozingen. Dabei habe eine Studie aus den USA gezeigt, dass bei gut informierten Patienten mit einem Bandscheibenvorfall, die Zahl der Eingriffe um 22 Prozent zurückgeht – ohne dabei das Patienten-Outcome zu beeinträchtigen.
„Das Gespräch zwischen Arzt und Patient wird derzeit über das DRG-System jedoch nicht ausreichend vergütet“, kritisiert der BVOU-Experte im Vorfeld des DKOU. Auch das bewusste Unterlassen von medizinischen Leistungen würde bisher nicht anerkannt.
„Wir fordern das Gesundheitssystem auf, den Umdenkprozess, den die Initiative ‚Gemeinsam klug entscheiden‘ derzeit ins Rollen bringt, zu begleiten und Anreize zu setzen, die nicht nur das Tun, sondern auch das aufwändige Aufklären über Alternativen besser zu vergüten“, so Hesselschwerdt. In den USA wurde ein ähnliches Konzept „Choosing wisely“ bereits vor vier Jahren entwickelt.
Über notwendige und unnötige Eingriffe bei Rückenschmerzen und wie die richtige OP-Aufklärung Fallzahlen reduzieren kann, diskutieren Experten während des DKOU 2015 in Berlin, der von DGOOC, BVOU sowie der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) ausgerichtet wird. Auf der Vorab-Pressekonferenz zum DKOU geben sie das Startsignal für die Initiative „Gemeinsam klug entscheiden“.
Quelle: DKOU
30.09.2015