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Parkinson: Schadet Levodopa mehr, als es hilft?
Die derzeit wirksamste medikamentöse Standardtherapie der Parkinson-Erkrankung ist die Behandlung mit Levodopa (L-Dopa) oder mit direkt wirkenden Dopaminrezeptoragonisten (DA).
Levodopa wird seit mehr als 40 Jahren verordnet. Die deutliche Verbesserung der Krankheitssymptomatik durch die Substitution von Dopamin ist bekannt, Levodopa ist kostengünstig und sehr wirksam. Trotzdem werde die Einleitung und rechtzeitige Anpassung von Levodopa von vielen Neurologen und ihren Patienten oft verzögert. Eine Vermutung war, dass es toxisch sein könnte, obwohl dies durch die Ergebnisse klinischer Studien nie belegt wurde. Ein weiterer Grund sind die unter Levodopa auftretenden Fluktuationen und Dyskinesien. Bis heute war nicht klar: Hemmt oder beschleunigt Levodopa das Fortschreiten der Krankheit? Welche Langzeitwirkungen ergeben sich? Muss z.B. befürchtet werden, dass eine langfristige Levodopa-Einnahme durch oxidativen Stress die der Erkrankung zugrundeliegende Neurodegeneration forciert? Oder hat eine frühzeitige Behandlung mit Levodopa eine vorteilhafte krankheitsmodifizierende Wirkung auf die Symptome der Parkinson-Krankheit und die funktionelle Gesundheit?
Die Ergebnisse der aktuell im New England Journal of Medicine publizierten Studie „Delayed-start Trial Levodopa in Early Parkinson’s Disease“ (LEAP) belegen, dass die L-Dopa-Einnahme über zwei Jahre keine negativen Effekte hat. „Die klinische Bedeutung der Daten ist enorm, weil damit die Toxizitätsdiskussion um diese Substanz so gut wie beendet ist“, kommentiert Senior-Prof. Dr. Dr. h.c. Günther Deuschl, Parkinson-Experte vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel, Mitautor der Studie in der LEAP-Study-Group unter der Leitung von Dr. R.M.A. (Rob) de Bie, Amsterdam UMC, University of Amsterdam, Department of Neurology.
Die LEAP-Studie untersuchte, ob eine frühzeitige Behandlung mit Levodopa eine vorteilhafte krankheitsmodifizierende Wirkung auf Parkinson-Symptome und die funktionelle Gesundheit hat. In dieser randomisierten, plazebokontrollierten, multizentrischen Doppelblindstudie mit frühem bzw. verzögertem Beginn von Levodopa bei Parkinson-Krankheit wurden zur Differenzierung zwischen den direkten symptomatischen Effekten und möglichen krankheitsmodifizierenden Effekten von Levodopa insgesamt 445 Patienten mit Parkinson im Frühstadium eingeschlossen, deren Krankheitsschweregrad die Einleitung einer Medikation noch nicht zwingend erforderlich machte. Sie wurden randomisiert auf eine 40-wöchige Behandlung mit Levodopa/Carbidopa 100/25 mg dreimal täglich, einschließlich einer Dosissteigerung von zwei Wochen, oder auf eine 40-wöchige Plazebo-Therapie (dreimal täglich). In den Wochen 40-80 erhielten dann alle Patienten Levodopa/Carbidopa 100/25 mg TID. Primärer Endpunkt war der Unterschied in der Gesamtpunktzahl der „Unified Parkinson Disease Rating Scale“ (UPDRS) zwischen den Gruppen mit frühem und verzögertem Start am Studienende nach 80 Wochen. Sekundäre Endpunkte waren u.a. die Progressionsrate, der „AMC Linear Disability Score“, die vom Patienten beurteilte Lebensqualität mit dem Parkinson-Fragebogen-39, die Lebensqualität (EQ-5D), Nebenwirkungen und die Arbeitsfähigkeit.
Im Ergebnis zeigte sich nach fast zwei Jahren zwischen beiden Gruppen kein signifikanter Unterschied im Krankheitsschweregrad (UPDRS, motorische Funktionen, geistige Leistungsfähigkeit, Alltagsaktivität). Es traten keine vermehrten Dyskinesien oder motorischen Einschränkungen auf. Die Frühstartergruppe war leicht im Vorteil, was die Wirkung von Levodopa auf die Symptome der Krankheit betrifft. „Die frühzeitige Therapie mit L-Dopa war in dieser randomisierten Studie nicht mit zusätzlichen Risiken behaftet“, kommentiert Deuschl. „Befürchtungen toxischer Effekte wurden damit nicht bestätigt. Dass womöglich im weiteren Verlauf Fluktuationen und Dyskinesien früher auftreten, lässt sich durch die Studie allerdings nicht ausschließen. Der Verlust an Lebensqualität in den ersten Jahren der Erkrankung kann aber durch Levodopa am besten behandelt werden.“
Hohe Prävalenz macht Parkinson zu einer dringlichen Forschungsaufgabe
Erst wenn die Ätiologie grundlegend verstanden ist, können zusätzliche innovative Therapieansätze entwickelt werden
Christine Klein
Die LEAP-Studie hat Zweifel ausgeräumt und gezeigt, dass eine bewährte Therapie langfristig sicher ist. Dennoch ist die Suche nach weiteren, neuen Therapien bei Morbus Parkinson besonders dringlich. Seit 1990 hat sich die Zahl der an Parkinson erkrankten Menschen mehr als verdoppelt, wie die jüngst publizierte „Global Burden of Disease“- Studie ergab.
Die Ätiologie der Erkrankung ist noch immer weitgehend unklar. Vermutet werden multifaktorielle Ursachen (genetisch, immunologisch, metabolisch oder umweltbedingt), einer der bekannten Hauptrisikofaktoren ist das Alter. Mit zunehmender Alterung der Industriegesellschaften hat die Erkrankung eine wachsende sozioökonomische Relevanz erhalten – Grund genug, die Forschungsaktivitäten zur Ätiologie, auch selteneren (genetischen) Krankheitsursachen und individualisierten Therapiemöglichkeiten zu intensivieren, betont Prof. Christine Klein, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und u.a. auch Mitglied der DFG-Senatskommission für Grundsatzfragen in der Klinischen Forschung. „Wir brauchen klinische Forschung mit hochwertigen randomisierten Studien wie die LEAP-Studie. Von besonderer Wichtigkeit ist aber auch die Grundlagenforschung. Erst wenn die Ätiologie grundlegend verstanden ist, können zusätzliche innovative Therapieansätze entwickelt werden“.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie
25.01.2019