Multiresistente Bakterien weiter auf dem Vormarsch

Die Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie trifft sich vom 11. bis 13. Oktober zur Jahrestagung 2012 im Deutschen Hygiene-Museum Dresden.

Gerd Atlmann/Pixelio
Gerd Atlmann/Pixelio

„Ein warnendes Beispiel für die Zunahme von hochresistenten Erregern ist die rasche Verbreitung von Carbapenemase-bildenden Klebsiellen (KPC) im Universitätsklinikum Leipzig“, so Professor Dr. Gert Höffken, Präsident der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.V. (PEG) und Leiter des Bereichs Pneumologie der Medizinischen Klinik I am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, anlässlich der Jahrestagung der Gesellschaft, die vom 11. bis 13. Oktober 2012 im Deutschen Hygiene-Museum Dresden stattfindet. KPC-bildende Bakterien sind in der Lage, durch bestimmte Enzyme selbst hochaktive Antibiotika zu zerstören.

Diese Zeitbombe tickt in allen Krankenhäusern, da auf einen Einsatz von Antibiotika bei den zum Teil schwer kranken Patienten mit schweren Grund- und Begleiterkrankungen nicht verzichtet werden kann. Entscheidend ist ein kluger und rationaler Gebrauch dieser hochwirksamen, und in der Hochleistungsmedizin nicht wegzudenkenden Präparate. Erschwerend kommt hinzu, dass in den nächsten fünf Jahren keine neuen antibiotischen Wirkstoffe mit ausreichender Wirksamkeit gegen KPC-bildende Klebsiellen zu erwarten sind.
Dieser Entwicklung gegenzusteuern, ist ein Ziel der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie, die sich in diesem Jahr in Dresden trifft. Um dies zu erreichen, engagieren sich die rund 850 Mitglieder unter anderem in der kontinuierlichen Erfassung der Resistenzen von Bakterien und Pilzen sowie des Antibiotikaverbrauchs in Deutschland. Einen hohen Stellenwert haben zudem Fortbildungsmaßnahmen zu infektiologischen Themen, um das notwendige Wissen in die Ärzteschaft zu tragen. Über die aktuellen Herausforderungen und die Themen der Jahrestagung informieren der PEG-Präsident Prof. Dr. Gert Höffken und Prof. Dr. M. Kresken, Wissenschaftlicher Sekretär der PEG am Donnerstag, dem 11. Oktober, um 10 Uhr  im Deutschen Hygiene-Museum Dresden, Lingnerplatz 1, 01069 Dresden.

Wie die Arbeitsgruppe GERMAP, eine gemeinsame Initiative der PEG, des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) und der Abteilung für Infektiologie an der Medizinischen Universitätsklinik Freiburg, nachweisen konnte, stellt die Ausbreitung resistenter Bakterien nicht nur in der Humanmedizin, sondern auch in der Veterinärmedizin, ein Problem dar. Der Verbrauch von Antibiotika in der Humanmedizin in Deutschland im Jahr 2011 wurde von einer Arbeitsgruppe des Instituts für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene mit 816 Tonnen berechnet; die Abgabemenge von Antibiotika an Tierärzte in Deutschland betrug im Jahr 2011 laut Angaben des BVL 1.734 Tonnen.

Beim Menschen nehmen Infektionen durch hochresistente Erreger, die auch schwere, lebensbedrohliche Allgemeininfektionen verursachen können, weiter zu. „Die Ergebnisse einer neuen Studie der PEG zur Ausbreitung resistenter Bakterien im Hospitalbereich weisen aus, dass der Anteil multiresistenter Stämme bei einigen Bakterienarten (Klebsiellen, Escherichia coli) zwischen 2007 und 2010 um ca. 50 Prozent zugenommen hat“, so Prof. Dr. Michael Kresken, Leiter der Studie und Wissenschaftliche Sekretär der PEG. „Dabei handelt es sich um ESBL (extended spectrum ß-Laktamasen)-produzierende Darmkeime, von denen die KPC-produzierenden Bakterien in Leipzig nur die schmale Spitze des Eisberges darstellen“, erläuterte Höffken. Der Anteil der hochresistenten Stämme von Staphylococcus aureus (MRSA) ist dagegen tendenziell eher rückläufig. Höffken vermutet, dass man dieses Problem über geeignete Hygienemaßnahmen langsam in den Griff zu bekommen scheint.

Kresken betonte, dass auch in der ambulanten Versorgung zunehmend Escherichia-coli-Bakterien mit eine Resistenz gegen zahlreiche Antibiotikagruppen gefunden werden. Besonders problematisch ist, dass die Resistenzeigenschaften über entsprechende Gene von einem Bakterienstamm auf einen anderen übertragen können. Vor diesem Hintergrund stellen die zum Teil hohen Resistenzraten bei Darmbakterien von lebensmittelliefernden Tieren, über die das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) kürzlich berichtet hat, ein Risiko für die erfolgreiche Therapie von Infektionen beim Menschen dar, da die resistenten Bakterien beim Tier mit der Nahrung auch den Menschen erreichen können.

Die Bundesregierung hat mit ihrem Programm Deutsche Antibiotika-Resistenz-Strategie (DART) einen ersten richtungseisenden Weg zur Erkennung des Problems eingeschlagen. Entscheidend ist dabei die Etablierung von Systemen der Surveillance, Bewertung, Monitoring, Alarmierung und Feedbacks, um dieser Entwicklung richtig und entschlossen zu begegnen. Wissenschaftliche Fachgesellschaften wie die PEG haben sich zur Aufgabe gemacht, entsprechende Maßnahmen zu unterstützen, wie die kontinuierliche Erfassung der Resistenzen von Bakterien und Pilzen sowie des Antibiotikaverbrauchs in Deutschland sowohl in der Tier- als auch Humanmedizin. Weiterhin werden zum rationalen Einsatz von Antibiotika in Klinik und Praxis regelmäßig evidenzbasierte Empfehlungen und Leitlinien erstellt und publiziert. Geplant sind intensive Vernetzungen aller in der Infektionsmedizin tätigen Fachgesellschaften, um mit einheitlicher sachkundiger Stimme auf aktuelle Bedrohungen durch resistente beziehungsweise hochvirulente Erreger reagieren zu können. Dies sind nur einige Lehren die die Fachgesellschaften aus der EHEC-Epidemie 2011 gezogen haben.
Darüber hinaus sollen Fortbildungsmaßnahmen zu infektiologischen Themen das notwendige Wissen in die Ärzteschaft tragen. So wird auf der Tagung in Dresden explizit ein Symposium für Ärztinnen und Ärzte in der Primärversorgung abgehalten.

Auf der regionalen Ebene in Dresden gibt es Initiativen, um den Einsatz von antimikrobiellen Substanzen im Krankenhaus zu verbessern. „Am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus (UKD) hat sich eine Gruppe von Ärztinnen und Ärzte, Infektiologen, Mikrobiologen, Hygieniker, Pharmazeuten, Qualitätsbeauftragte und weitere Interessierte zu einem Gremium zusammengeschlossen, um die Prävention, Diagnostik und Therapie von Infektionen bei den zum Teil hoch vulnerablen, abwehrgeschwächten Patienten der Hochleistungsmedizin im Sinne eines antibiotic stewardship (ABS) zu optimieren“, erläuterte Prof. Dr. Reinhard Berner, Direktor Kinder- und Jugendmedizin und Leiter ABS am UKD. Nur konzertierte Aktionen mit allen Beteiligten im Gesundheitswesen können dem Problem Resistenz erfolgreich begegnen. Hierbei können auch rigide staatliche Vorschriften sinnvoll sein, wie zum Beispiel die Verschreibungspflicht von Antibiotika in der Tiermedizin.

Die PEG ist mit rund 850 Mitgliedern die größte deutschsprachige Fachgesellschaft auf dem Gebiet der Infektionskrankheiten und ihrer Therapie. Die Gesellschaft trägt den Namen des Mediziners und Nobelpreisträgers Paul Ehrlich, der die wissenschaftliche Chemotherapie begründet hat. Sitz der Gesellschaft ist Frankfurt am Main, die letzte Wirkungsstätte Paul-Ehrlichs. Die Gesellschaft wurde dort 1967 gegründet.

10.10.2012

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