Konvergenz von IT und Medizintechnik bereits Realität
Seit dem 21. März 2010 wird auch Software als eigenständiges Medizinprodukt definiert. Damit bestätigte sich ein Paradigmenwechsel, dessen Konsequenzen die Kliniklandschaft noch einige Zeit auf Trab halten wird: Die klassische Trennung zwischen IT und Medizintechnik gibt es nicht mehr, Experten sprechen mittlerweile vom neuen Fachbereich „MIT“, also Medizinische IT. Was bedeutet dies für bisherige Strukturen und die Sicherstellung medizinischer Netzwerke? Antworten und Hintergründe lieferten die Referenten der 6. conhIT Session.
"Medizinische Netzwerke und Software als Medizinprodukt am Beispiel von telemedizinischen Lösungen“, so der Titel des zweigeteilten Vortrages von Armin Gärtner, Bestellter und vereidigter Sachverständiger und Konzernverantwortlicher für Telemedizin, Sana Kliniken GmbH
und Gerhard Härdter, Leiter Service Center IT, Klinikum Stuttgart. Beide sehen medizinische Netzwerke als wesentlichen Bestandteil des Erfolgsmanagements im Krankenhaus – kaum eine Entscheidung im Klinikalltag fällt ohne Softwareeinsatz. Die klassische IT rückt mit ihren
Applikationen und den Anforderungen an Verfügbarkeit und Sicherheit immer stärker in die direkte Patientenversorgung. Seitdem auch Software als Medizinprodukt gilt, wenn sie eine medizinische Zweckbestimmung verfolgt, ergeben sich auch neue Kommunikationsstrukturen: Zum einem müssen die einzelnen Fachbereiche enger zusammenarbeiten, zum anderen jedoch auch Anwender und Industrie. Denn letztlich definieren auch die Anwender, ob eine medizinische Zweckbestimmung vorliegt.
Was die Abstimmung zwischen den einzelnen Abteilungen angeht, so sieht Härdter einen drohenden Teufelskreislauf bei der zunehmenden Vernetzung, sollten sich die Beteiligten nicht an einen runden Tisch setzen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Zwar seien einige Bereiche, wie die Radiologie, schon gut eingebunden. Ein Blick auf die Pathologie verursacht dem Experten jedoch Sorge. Als gutes Beispiel für eine hochkomplexe Vernetzung nannte er moderne Operationssäle, in denen Informationen aus bildgebenden Systemen, Navigationssystemen, Mikroskopie und Patientendaten zusammenlaufen. Um diesen Komplex einwandfrei zu vernetzen ist ein neuer Bereich „MIT“ unersetzlich. Wie dieser konkret ausgestaltet wird und welche Ausbildung künftige Mitarbeiter benötigen, diese Fragen werden in naher Zukunft geklärt werden müssen.
Reinhard Harweg, Leiter der EDV der Asklepios Klinik Weißenfels widmete sich in seinem Vortrag den Fragen: Wie können Bilder und Daten aus einem Medizingerät den weiteren Systemen der Krankenhaus-IT-Landschaft zur Verfügung gestellt werden? Welche Werkzeuge unterstützen die strukturierte Dokumentation? Wie kann ein PACS als zentrales Bildarchiv integriert werden? Sein Haus stand nämlich vor dem Problem, dass es neben dem PACS noch ein RIS und ein Befundungssystem gab, also insgesamt drei Informationsquellen. Der Wunsch lag nahe, dass alle Informationen aus nur einer Quelle schnell und unkompliziert abrufbar sind.
Mit einer Lösung aus den Häusern Visus und MEDNOVO Medical Software Solutions GmbH gelang es, das PACS-System als zentrales Bildarchiv in die Krankenhaus-IT-Landschaft einzubinden oder für Teilbereiche als Archiv zu nutzen.
Durch den Einsatz von MediColor wurde eine Schnittstelle zu sämtlichen vorhandenen Informationssystemen geschaffen. Das System versteht sich zum einen als Kommunikations-Software, die Daten und Messwerte aus Medizinischen Geräten empfängt und diese in aufbereiteter Form für Menschen/Kliniker und Softwaresysteme zur Verfügung stellt.
So können in MediColor Bilddaten, die im Bereich der Radiologie aufgenommen wurden
(z.B. Mammasonographie), parallel zu den Daten aus den medizinischen Geräten, wie z.B. Endoskop, Sonograph und EKG-Geräten für eine gemeinsame Befund-Dokumentation abteilungsübergreifend genutzt werden. Über DICOM können Bilder und Daten auch in unkomprimierter Form gespeichert und abgerufen werden. Der Viewer ermöglicht auf allen Arbeitsplätzen den Zugriff auf die Aufnahmen der unterschiedlichen Abteilungen, auch MediColor-unabhängig. Während einer Untersuchung können ältere im PACS gespeicherte Bilddaten abgefragt, angezeigt und der Untersuchung zugeordnet werden. Selbst Bilder, die der Patient in digitaler Form vom behandelnden Arzt mitgebracht hat.
Das System dient des Weiteren als Instrument für die strukturierte Befunddokumentation. Die Zusammenführung von Bild und Befund und die Schnittstelle zum KIS garantieren eine schnelle Verfügbarkeit aller relevanten Informationen. Wohin welche Daten archiviert, bereitgestellt oder weitergeleitet werden sollen, lässt sich mit MediColor komfortabel und einfach steuern.
Ergebnis: Sowohl PACS als auch Befundungssystem sind in der Lage, alle patientenrelevanten Daten ab- und aufzurufen.
Konvergenz von IT und Medizintechnik mittels IHE Backbone Integration
Vor einer besonderen Herausforderung stand auch Dr. Kurt Becker, Strategischer CIO Salzlandklinken GmbH, Vorstand promedtheus AG und Studienleiter Health Technology Management, Apollon Hochschule der Gesundheitswirtschaft: Nach einer Fusion umfassten die neugegründeten Salzlandkliniken drei GmbHs, fünf Krankenhäuser, drei IT-Abteilungen, 90 Server und 1.200 Clients.
Das Ziel der neuen IT-Infrastruktur war, übergreifende Geschäftsprozesse eindeutig zu adressieren und ein effektives Fehlermanagement zu platzieren. Nicht unbedeutende Voraussetzung für das erfolgreiche Agieren dieser Managementholding ist die standortunabhängige Verfügbarkeit entscheidungsrelevanter Informationen und die Vernetzung der drei Kreiskliniken unter wirtschaftlichen, administrativen und klinischen Gesichtspunkten, um so ein umfassendes Synergiepotenzial zu heben.
Wesentlich dabei ist auch die Konvergenz von Medizintechnik und IT, um den Herausforderungen des Gesundheitstechnologiemanagements in Zukunft organisatorisch und unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten gerecht zu werden. Eines der dabei identifizierten einrichtungsübergreifenden Projekte der Salzlandklinken GmbH befasst sich mit der Konzeption und Erprobung einer auf den IHE-Standards basierenden zukunftsfähigen Telematikplattform für die Holding mittels IHE-Backbone Integration. Seine Quintessenz lautet: Standards nutzen.Entscheidend dabei ist, dass die Anwender bei Vertragsschließung sehr konkret ihre Anforderungen an die Vernetzung darlegen, um bei der Implementierung keine bösen Überraschungen zu erleben.
21.04.2010