Keine Zukunft ohne Ultraschall

Leichter, kleiner, schneller und sehr gute Bilder liefernd, setzt die Radiologie wieder zunehmend auf das lange vernachlässigte Verfahren.

Prof. Dr. Christian Stroszczynski
Prof. Dr. Christian Stroszczynski

RöKo Heute: Warum erlangt der Ultraschall wieder zunehmende Bedeutung für die Radiologen?
Stroszczynski: Der Ultraschall erlebt einen starken Innovationsschub mit neuen Verfahren wie der Elastographie, dem Kontrastultraschall und der 3- beziehungsweise 4-D-Technik. Zweitens bietet die Hybridbildgebung, also die Kombination von CT- und MRT-Datensätzen mit dem Ultraschall viele neue Optionen für Radiologen. Und drittens müssen wir uns gegenüber anderen Disziplinen behaupten, die nicht nur sonographisch tätig sind, sondern auch dazu übergehen, mithilfe von CT- und MRT-Informationen integrierte Diagnosen zu stellen.

Mit anderen Worten, die Radiologie holt sich die Expertise zurück, auf die sie lange Zeit keinen großen Wert gelegt hat?
Stroszczynski:
Die Qualität des Ultraschalls hat sich verbessert und die Modalität ist dadurch für uns interessanter geworden. Der Kontrastultraschall mit seinen funktionellen Informationen über die Tumordurchblutung kommt dem radiologischen Denken sehr nahe und liefert endlich vergleichbare Informationen zur kontrastmittelgestützten CT und MRT. Wir sind deshalb sehr vertraut mit der Interpretation dieser Befunde. Von einer Vernachlässigung des Ultraschalls kann man meiner Meinung nach höchstens im niedergelassenen Bereich sprechen, aufgrund der schlechten Vergütung. In die Krankenhausradiologie war er immer integriert, allerdings wurde er nicht als attraktives Betätigungsfeld gesehen.

Jung: Inzwischen wird der Kontrastultraschall in der Praxis besser vergütet als eine normale CT, sodass auch die Niedergelassenen durchaus einen Anreiz haben, sich stärker mit dieser Modalität zu befassen. Historisch gesehen, ist die Sonographie immer in der Radiologie vertreten gewesen, sie ist sogar hier über die Jahrzehnte entwickelt worden. Gerade in der jetzigen Diskussion, wie und wo die digitalen Sonographiebilder gespeichert und verwaltet werden sollen, kann die Radiologie ihre Kompetenz zeigen. Denn die Sonographie ist digital geworden, inzwischen können Ultraschallbilder in einer Qualität projiziert werden, wo andere Verfahren an ihre Grenzen stoßen. Damit wird verständlich, warum diese Bildgebung jetzt diese Aufmerksamkeit mit einer eigenen AG in der Deutschen Röntgengesellschaft erfährt. Auch andere Disziplinen werden unsere Expertise für sich nutzen wollen.

Welchen Stellenwert hat der Ultraschall heute in der Diagnostikkette?
Jung:
Der Ultraschall wird in vielen Bereichen komplementär eingesetzt, beim Mamma-Screening als Ergänzung zur Mammographie oder zur Kontrolle bei Hochrisikopatientinnen und in der Diagnostik von Lebertumoren. Das Gesundheitswesen entwickelt sich – für den Ultraschall günstig – dahin, komplementäre Bausteine anzubieten. So wird die Sonographie zunehmend auch zur Tumorbehandlung eingesetzt. Außerdem werden die Geräte immer kleiner, mobiler, deutlich schneller und liefern sehr gute Bilder. Mit Geräten, die nicht größer als ein Smartphone sind, können Sie in jeder Situation schallen: als Erstversorger am Unfallort, auf der Intensivstation oder bei der Visite – und das mit einer bezahlbaren, guten Technologie.

Stroszczynski: Lassen Sie es mich mal provokant formulieren: Wer sich heute nicht mit dem Ultraschall auseinandersetzt, der wird sich in zehn Jahren auf dem Gesundheitsmarkt schwertun. Wie in keinem anderen Fach sind wir Radiologen diejenigen, die neue Methoden und Modalitäten vorantreiben und damit Impulsgeber für die gesamte Medizin sind. So auch beim Ultraschall.

Welche Rolle spielt der Ultraschall bei der Tumortherapie?
Jung:
Kontrastmittel, sogenannte Microbubbles, suchen sich die Tumorzellen und binden an diese an. In Zukunft wird man so nicht nur den Haupttumor, sondern auch den Tumorbefall angrenzender Organe beurteilen können. Richtig spannend wird es, wenn diese Kontrastmittel auch noch mit Medikamenten beladen werden können – wissenschaftlich hochinteressant, allerdings kaum ein Massenprodukt.

Wie wird sich der Ultraschall in den kommenden fünf Jahren entwickeln?
Stroszczynski:
Ganz sicher wird in Deutschland eine Diskussion über die Einführung von Sonographern beginnen, also von nichtärztlichem Personal, das Standarduntersuchungen durchführen kann. Weiterhin wird sich die Fusionsbildgebung durchsetzen. Man wird diagnostische Sequenzen in den Leitlinien entwickeln und der Schall wird andere Schnittbildverfahren teilweise ersetzen können. Entscheidend wird die bessere Untersuchungsdokumentation sein, um die Bilder in klinischen Konferenzen präsentieren zu können. Die schlechte Reproduzierbarkeit aufgrund der fehlenden PACSAnbindung des Ultraschalls stellt gegenwärtig ein großes Problem dar.

Jung: In Regensburg und in anderen Zentren etablieren sich interdisziplinäre Schallzentren. Hier kann die Radiologie als der zentrale Ansprechpartner fungieren, weil wir Bilder seit jeher bündeln, darstellen und interpretieren können. Bei der Etablierung dieser Zentren kann die AG Ultraschall ein exzellenter Mittler sein.

Sind die Radiologen ausreichend qualifiziert für die neuen Aufgaben?
Stroszczynski:
Radiologen bringen durch ihre Facharztausbildung eine gute Basis für den Ultraschall mit, der einem Level zwischen DEGUM I und II entspricht. Beim Ultraschall bestand die Notwendigkeit der Zertifizierung deshalb, weil andere schallende Fächer nicht über die fundierten Kenntnisse der Bildgebung verfügen. Die Radiologie hat sich dem angeschlossen. Der Trend zu Zertifizierungen wird in Zukunft sicher zunehmen. Das halte ich für ein qualitätsförderndes Element – egal, ob das im Rahmen einer Facharztausbildung oder einer standardisierten Weiterbildung erfolgt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Im Profil
Prof. Dr. Christian Stroszczynski folgte im Oktober 2010 dem Ruf als Lehrstuhlinhaber für Radiologie und Direktor des Instituts für Röntgendiagnostik am Universitätsklinikum Regensburg (UKR). Zuvor war er vier Jahre lang stellvertretender Direktor und Leitender Oberarzt am Institut für Radiologische Diagnostik der Carl-Gustav-Carus-Universität Dresden. Seine Schwerpunkte bilden die diagnostische und bildgeführte Diagnose und Therapieverfahren bei Lebererkrankungen, Krebserkrankungen und in der Gefäßmedizin.

Prof. Dr. Ernst Michael Jung ist Oberarzt und Leiter des Ultraschall-Zentrums am UKR. Nach dem Medizinstudium an der Universität des Saarlandes und seiner Facharztausbildung am Universitätsklinikum Passau, wechselte er 2007 als Oberarzt an das Institut für Röntgendiagnostik des Universitätsklinikums Regensburg, wo er seit 2001 hat er eine APL Professur der Universität Regensburg inne hat.

Veranstaltung
Raum Albers-Schönberg
Mi., 28.05.2014,
16:45 - 17:45 Uhr
Mitgliederversammlung
AG Ultraschall (AGUS)

28.05.2014

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