Die schwarzen Lungen der Knappen
Weit weniger prätentiös als im Lungensanatorium von Davos erfolgt die Behandlung von Lungenerkrankungen, insbesondere die von Bergleuten, seit fast 100 Jahren im Bergmannsheil in Bochum. Aus der berufsgenossenschaftlichen Tradition bildet die Versorgung von Patienten mit Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten den medizinischen Mittelpunkt des Bergmannsheils.
Während das Krankenhaus nach seiner Gründung 1890 zunächst eine reine Unfallklinik war, begann 1920 mit der Errichtung der Inneren- und Nervenabteilung eine neue Ära. Diese entwickelte sich vor allem nach der Anerkennung der Silikose als Berufserkrankung im Jahr 1929 zu einer wichtigen Gutachtenstelle für die Bergbau-Berufsgenossenschaft und in der Folge zu einer international anerkannten Forschungseinrichtung.
Die Silikose, im Volksmund auch Staublunge genannt, entsteht durch die Einlagerung von feinen Kohle- und Quarzstaubpartikeln in der Lunge und ist seit dem Altertum bekannt. Erst durch die Entdeckung der Röntgenstrahlen war es möglich, die Staublunge bereits zu Lebzeiten des Bergmanns zu diagnostizieren und nicht erst dank einer Obduktion im Nachhinein festzustellen, dass sich eine fast schwarze Lunge zeigte. Insbesondere in den Anfängen und zu den Hochzeiten des Bergbaus stellte die Staublunge ein massives Problem dar, an dem viele Knappen aufgrund fehlender Therapiemöglichkeiten verstarben. Während die Krankheit in Deutschland seit Ende der 1970er-Jahre auf dem Rückzug ist, haben heute Schwellenländer aufgrund mangelnder Arbeitsschutzmaßnahmen mit der Silikose zu kämpfen.
Bessere Diagnose und besserer Schutz
„Die langfristig wohl bedeutendste Aufgabe der Inneren- und Nervenabteilung setzte schon bei ihrer Gründung im Jahr 1920 mit der experimentellen Silikose-Forschung und der klinischen Behandlung Silikosekranker ein“, beschreibt die Chronik des Bergmannsheils, die anlässlich des 100-jährigen Bestehens 1990 herausgegeben wurde. Schon vor 1929 hatten der Bochumer Klinikleiter Prof. Dr. Viktor Reichmann und sein Team eine wichtige Rolle gespielt und in der Folgezeit intensivierte sich der Austausch mit wissenschaftlichen Instituten vieler Länder. Es gelang, die Diagnosetechniken weiter zu verfeinern und so zum Beispiel die Siliko-Tuberkulose von der Silikose abzugrenzen. Durch die Reihenuntersuchungen von Gesteinshauern gewann man große Erfahrung in der Diagnostik der Silikose. Erstmalig konnte so auf frühzeitige Krankheitsanzeichen mit einer medizinischen Betreuung und einer Arbeitsplatzverlagerung reagiert werden. Durch die versicherungsrechtliche Gleichstellung der Silikose zu Arbeitsunfällen bemühte sich die Berufsgenossenschaft ab 1929 auch um die Staubbekämpfung und damit um die Krankheitsprävention.
Der Krieg und seine Folgen
Der Zweite Weltkrieg stellte einen schweren Einschnitt in der Forschung und Prävention der berufsbedingten Lungenerkrankungen in Bochum dar. Die Anzahl der Präventionsuntersuchungen sank bis 1942 auf ein Viertel und kam nach dem Bombenangriff 1944 vollständig zum Erliegen. „Da sich die Silikose meist erst viele Jahre nach der staubexponierten Tätigkeit zu einer Erkrankung entwickelt, ist der Grund für den starken Anstieg der Staublungenerkrankung in den 1950er-Jahren unter anderem auch in den kriegsbedingten Unterlassungen zu sehen“, so die Bochumer Chronik. Auch nach dem Krieg bestimmt die Silikose die Arbeit der Klinik maßgeblich, insbesondere stehen Fragestellungen zur Röntgendiagnostik und Therapie im Fokus. Erste Erfolge zeigen sich Anfang der 1950er-Jahre: Durch Tuberkulostatika und Corticosteroide konnten Siliko-Tuberkulose und Staublunge in einem bisher nicht für möglich erachteten Maß therapiert werden. Die Zahl der Ärzte im inzwischen ausgegründeten Silikose-Forschungsinstitut (SFI) verdreifachte sich innerhalb kürzester Zeit. Ihren Gipfelpunkt erreichte die Staublungenerkrankung 1953 mit rund 9.000 entschädigten Fällen, danach nahm die Zahl kontinuierlich ab, bis auf gut 1.000 anerkannte Fälle im Jahr 2010.
Internationaler Standard made in Bochum
Der pathologische und röntgenologische Befund bei Silikosen stand oft in Diskrepanz zum subjektiven Befinden der Patienten. Den Bochumern gelang es, den Strömungswiderstand in den Atemwegen als für das Krankheitsbild entscheidend nachzuweisen. Diese Erkenntnis beruhte auf der Lungenfunktionsprüfung, für die im SFI ein geeignetes Verfahren entwickelt wurde, das heute zum internationalen Standard gehört. Die moderne Lungenfunktionsprüfung ermöglicht es heute, den Krankheitsstand sehr genau zu begutachten, und sorgt damit für eine größere Gerechtigkeit im Rentenentscheidungsverfahren.
Veranstaltung:
Raum Rieder
Sa., 31.05.2014,
10:45 – 12:15 Uhr
Refresherkurs: DRauE II –
Berufskrankheiten der Lunge,
kann man sie von anderen
interstitiellen Lungenerkrankungen
unterscheiden?
30.05.2014