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Artikel • Transfusionsmedizin
Auch in Zeiten von Covid-19 das Beste aus dem Blut herausholen
Die Corona-Pandemie war das zentrale Thema bei der 53. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI) Mitte September. Im Fokus standen die Fragen, ob sich das Blutplasma von genesenen Patienten für eine Therapie eignet, und ob die Versorgung mit Blutprodukten durch Covid-19 gefährdet ist. Aber auch die Chancen der Blutgruppen-Genotypisierung sowie neue Erkenntnisse in der therapeutischen Blutreinigung wurden thematisiert.
Bericht: Sonja Buske
Bereits zu Beginn der Pandemie waren Stimmen laut geworden, dass eine passive Immunisierung durch Plasma von genesenen Patienten, so genanntes Rekonvaleszentenplasma, die Lösung zur Bewältigung der Pandemie sein könnte. Zwar zeigen die bisher veröffentlichten Daten keine ungewöhnliche Häufung von unerwünschten Wirkungen, ein Allheilmittel ist diese Methode jedoch nicht, zumindest noch nicht, sagt Prof. Dr. Hubert Schrezenmeier, Ärztlicher Direktor und Medizinischer Geschäftsführer des Instituts für Klinische Transfusionsmedizin und Immungenetik Ulm (IKT) und des Instituts für Transfusionsmedzin des Universitätsklinikums Ulm. „Die bisher verfügbaren Behandlungsergebnisse sind zwar vielversprechend, stellen aber keinen Wirksamkeitsnachweis dar. Weitere Ergebnisse aus randomisierten klinischen Prüfungen sind unbedingt erforderlich.“ Diese Prüfungen laufen in Deutschland aktuell an mehreren Stellen.
Keine Infektionsgefahr durch menschliches Blut
Für Blutspende-Termine galten schon immer hohe Hygienevorschriften, die in der Pandemie nochmals verschärft wurden
Hermann Eichler
Ob das menschliche Blut also dazu geeignet ist, Covid-19-Patienten zu heilen, ist noch nicht sicher. Ganz sicher ist jedoch, dass eine Infektion mit dem Virus über Blutprodukte ausgeschlossen ist. Das machte Prof. Dr. Hermann Eichler, Direktor des Instituts für Klinische Hämostaseologie und Transfusionsmedizin der Universität und des Universitätsklinikums des Saarlandes, in seinem Vortrag deutlich. „Blutspender und auch Ärzte müssen keine Sorge haben, sich während der Spende mit dem Coronavirus infizieren zu können“, bringt er es auf den Punkt. „Für Blutspende-Termine galten schon immer hohe Hygienevorschriften, die in der Pandemie nochmals verschärft wurden. Es ist uns kein einziger Fall einer Coronavirus-Übertragung durch Blut oder Blutprodukte bekannt.“
Eichler hofft, dass diese Erkenntnis die Bevölkerung ausreichend beruhigt und sie wieder zur Blutspende bewegt werden kann. Denn ein Engpass in der Blutversorgung hätte fatale Folgen. „Schon zu Beginn der Krise war die Lage kritisch. Die Menschen waren verunsichert, mieden den öffentlichen Raum und blieben somit auch den Blutspende-Terminen fern“, erinnert sich Eichler. „Blutprodukte haben aber nur eine kurze Haltbarkeit: Erythrozyten-Konzentrate können bis zu 42 Tage gelagert werden, Thrombozyten-Konzentrate verfallen schon nach vier bis fünf Tagen.“ Die Krankenhäuser reduzierten daraufhin ihren Blutverbrauch, indem sie planbare Eingriffe nach Möglichkeit verschoben. „In der Hochphase der Pandemie lag der Blutverbrauch dadurch um etwa 30 Prozent niedriger als vor Ausbruch von Covid-19“, so Eichler.
Dank einer breit angelegten Werbe- und Aufklärungskampagne kehrten viele Stammspender zur Blutspende zurück oder spendeten zum ersten Mal Blut, wodurch die Blutbanken wieder aufgefüllt werden konnten. Damit es im weiteren Verlauf der Pandemie nicht erneut zu derart kritischen Situationen kommt, rufen die DGTI und die Blutspendedienste weiterhin dazu auf, regelmäßig Blut zu spenden. Eichler: „Ein Ende der Krise ist noch nicht in Sicht. Wir müssen auf alles vorbereitet sein.“
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News • Transfusionsmedizin
Coronavirus verschärft Blutspende-Mangel
Durch die aktuelle Coronavirus-Krise kommt es derzeit zu Engpässen in der Blutprodukteversorgung. Darauf weist die Deutsche Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI) hin. Als Grund hierfür nennt die Fachgesellschaft das Wegbleiben der Blutspender aufgrund der Corona-Epidemie. Vor diesem Hintergrund ruft die DGTI zu zeitnahen und regelmäßigen Blutspenden auf.
Hoffnung für seltene Blutgruppen
Dem kann Dr. Christof Weinstock nur zustimmen. Der Leiter der Abteilung für Immunhämatologie und Blutgruppenserologie am Institut für Klinische Transfusionsmedizin und Immungenetik des Universitätsklinikums Ulm befasst sich mit seltenen Blutgruppen, für die es noch schwieriger ist, passende Blutprodukte für eine Transfusion zu finden. Helfen kann hier die Genotypisierung: Dank neuester Next-Gen-Sequencing-Verfahren können gleichzeitig hundert und mehr Merkmale bei tausenden von Blutspendern mit relativ geringem Aufwand und geringen Kosten untersucht werden. „Damit ist es den Blutspendediensten erstmals möglich, in großem Umfang nach seltenen Spendern zu suchen“, so Weinstock.
Lichtblick für Schwangere
Auch Schwangere profitieren von Genotypisierungsverfahren der neuesten Generation. Um festzustellen, ob eine Blutgruppen- oder Rhesusunverträglichkeit zwischen Mutter und Kind vorliegt, die im schlimmsten Fall zu einer Hirnblutung oder zu Sauerstoffmangel beim Kind führen, musste bisher eine Nabelschnurpunktion durch die Bauchdecke durchgeführt werden. Damit einher ging stets das Risiko einer Fehlgeburt. Heute kann der Test gefahrlos anhand einer Blutprobe der Mutter erfolgen.
Krankheiten aus dem Blut waschen
Für Dr. Nina Worel ist das kranke Blut ihrer Patienten von Interesse. Die Vorsitzende der Sektion Apherese der DGTI arbeitet an der Universitätsklinik für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin an der medizinischen Universität Wien daran, Krankheiten aus dem Blut heraus zu waschen. „Sehr vereinfacht ausgedrückt, kann man so das Prinzip der Apherese, also der Blutwäsche, beschreiben“, sagt Worel. Die bekannteste Form der Blutwäsche ist die Dialyse, aber auch bei einer Vielzahl von anderen Erkrankungen ermöglicht es Apherese-Technologie, Blut außerhalb des Körpers von krankmachenden Bestandteilen zu reinigen. Worel: „Bereits jetzt ist die Apharese ein erprobtes und höchst effektives Verfahren mit beeindruckenden klinischen Erfolgen in etablierten Einsatzgebieten, wie zum Beispiel in der Transplantationsmedizin.“ Hier können bei einer Blutgruppenunverträglichkeit zwischen potenziellem Organspender und -empfänger selektiv Antikörper gegen die fremde Blutgruppe aus dem Blut entfernt werden. „Auch andere, sogenannte präformierte Antikörper, die zu einer Abstoßung des transplantierten Organes führen, können mittels Apherese eliminiert werden“, erklärt Worel. Ziel ist, das Langzeitüberleben von Transplantaten weiter zu verbessern.
Große Hoffnung setzt sie auch auf zukünftige Einsatzmöglichkeiten bei schweren allergischen Erkrankungen. „Hier könnte eine gezielte Entfernung von hohen Spiegeln an Immunglobulin E-Antikörpern (IgE) durch Apherese durchgeführt werden. Erste Forschungen laufen dazu bereits.“
28.09.2020