8. Compamed-Frühjahrsforum „Medizintechnik to go“
Ausblick auf die COMPAMED, die führende Fachmesse für Zulieferer der Medizintechnik-Industrie.
Lösungen aus der Mikrosystemtechnik helfen dabei, medizinische Geräte schneller, flexibler und smarter zu machen. Das ehrgeizige Ziel der Entwickler dabei besteht darin, die Lebensqualität von Patienten durch mehr Mobilität nachhaltig zum Beispiel durch schnellere Testergebnisse vor Ort, bei der Kontrolle von Vitalparametern und Blutwerten oder durch innovative Therapiesysteme für chronisch Kranke zu steigern.
„Medizintechnik to go“ lautete entsprechend passend auch das Motto für das 8. Compamed Frühjahrsforum, das am 9. Mai in Frankfurt stattfand. Das Forum ist mittlerweile fest etabliert und bietet jedes Jahr bereits im Frühjahr einen Ausblick auf die spannenden Themen der mit mehr als 700 Ausstellern international führenden Fachmesse für Zulieferer der Medizintechnik-Industrie, der Compamed in Düsseldorf (12. - 14. November 2014). Rund 50 Experten aus Forschungseinrichtungen und von „MedTech“-Komponenten-Herstellern hörten Vorträge zu den neuesten Trends und diskutierten darüber.
Intelligente und mobile Systeme etablieren sich beispielsweise zunehmend auch im so genannten zweiten Gesundheitsmarkt und werden dort vielfach im Präventions- und Fitnessbereich eingesetzt. Im Zusammenspiel mit modernen E-Health-Anwendungen eröffnen sich zahlreiche neue Möglichkeiten, um dem gestiegenen Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung und den Herausforderungen der demografischen Entwicklung zu genügen. In diesem Sinne ist „Medizintechnik to go“ auch ein Impulsgeber für das Innovationsfeld AAL (Ambient Assisted Living). Hinter diesem Begriff werden altersgerechte Assistenzsysteme für ein selbstbestimmtes Leben in der gewohnten, häuslichen Umgebung verstanden. Im Hinblick auf die medizinische Betreuung chronisch kranker, älterer Menschen sind mobile diagnostische Geräte zur Überwachung wichtiger Vitalparameter mit Telematik-Anbindung an Hilfsdienste schon seit geraumer Zeit bei der Compamed sowie der stets parallel laufenden weltgrößten Medizinmesse Medica durch Aussteller immer wieder thematisiert worden (z. B. entsprechende Sensoren oder auch kompakte Telemedizin-Einheiten).
Zusammenwachsen von Technik und IT
Immer wichtiger hinsichtlich mobiler Lösungen wird die Informationstechnik. Das Potenzial reicht von ständiger Erreichbarkeit und Verfügbarkeit von Informationen über die Dokumentation am Krankenbett in Echtzeit bis hin zur Optimierung von Tagesabläufen. „Genau wie E-Mails unsere Arbeit in den letzten 20 Jahren wesentlich verändert haben, werden mobile Applikationen die Planungs- und Dokumentationsabläufe im Krankenhaus nachhaltig verändern“, prophezeite beim Compamed Frühjahrsforum Dr. Michael Meyer, Leiter der Clinical Products Division des Health Care Sectors von Siemens Deutschland. Bereits 2011 hat das Unternehmen mit dem „Mobilett Mira“ das erste mobile, digitale Röntgengerät mit einem kabellosen Detektor eingeführt. Dieser übermittelt Bilddaten per W-LAN an ein integriertes Bildsystem und erleichtert insbesondere die Untersuchung von schwer kranken, bewegungseingeschränkten Patienten. Derartige Geräte auch für andere bildgebende Verfahren werden in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen.
Schnellere Ergebnisse vor Ort sind auch das Ziel der so genannten Point-of-care-Diagnostik, also einer aus Zeit- und Kostengründen patientennah durchgeführten Labordiagnostik. Hierfür hat die iX-factory im Rahmen eines Forschungsprojektes, das durch das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) finanziert wurde, mit der Hochschule Hamm-Lippstadt eine Chip-basierte Methode zur Diagnostik von akuter Leukämie entwickelt. „Alle 16 Minuten erhält ein Mensch die niederschmetternde Diagnose Blutkrebs, allein in Deutschland erkranken daran 12.000 Menschen pro Jahr“, erklärt Dominique Bouwes, CEO von iX-Factors. Das neue Verfahren ermöglicht die frühzeitige Erkennung sowohl von Akuter Myeloischer als auch Akuter Lymphatischer Leukämie (AML bzw. ALL) in einer Zeitspanne unter einer Stunde. Die Materialen sowie Technologien wurden speziell auf die Anforderungen des Projekts abgestimmt, um somit die Chipeigenschaften wie Biokompatibilität, Zellerkennung, sensitive Messungen sowie einfachere Durchführungen zu garantieren. Das Mikrosystem ist so bemessen, dass Zellen durch den Chip fließen können, die Detektion erfolgt mittels Fluoreszenz. Die Entwicklung von iX-factory gehört in den Bereich der Mikrofluidik, deren Anteil in der Medizintechnik mit einer Wachstumsrate von 27 Prozent in den letzten Jahren enorm angestiegen ist.
Wichtige Aspekte bei Point-of-Care-Anwendungen sind sowohl eine leichte Handhabung als auch ein erschwinglicher Preis. Die Verwendung von Kunststoffen bietet hier kostengünstige Möglichkeiten für die Serienproduktion. Die CDA GmbH als Hersteller komplexer Mikrostrukturen in Polymeren fertigt mikrofluidische und optische Bauteile mit Spritzguss- und Spritzprägeverfahren in Serie. Ein Schwerpunkt liegt dabei in der Kombination von Fluidik, Optik und gedruckter Elektronik für die mobile Anwendung. „Wir replizieren die Strukturen hier insbesondere im Spritzguss und im Spritzprägen, als Verbindungstechnik setzen wir das Laserschweißen ein“, berichtet Dr. Angelika Murr, Projektmanagerin für Microfunctional Solutions bei CDA.
Angenehmes Monitoring mittels smarter Komponenten
Von großem Interesse sind auch Monitoring-Anwendungen. So hat das Forschungsinstitut für Mikrosensorik und Photovoltaik (CiS) Vitalparametersensoren entwickelt, die sich zur Pulswellenanalyse einsetzen lassen. Basis dafür ist die "Im-Ohr-Sensortechnologie" für kardiovaskuläres Monitoring, die auf einem patentierten, optoelektronischen Sender-Empfänger-Modul beruht. Seit langem ist bekannt, dass ein erhöhter Augeninnendruck ein wichtiger Risikofaktor für die Entwicklung eines Glaukoms (Grüner Star) ist. Aber ebenso stellt die instabile Durchblutung des Augenhintergrundes eine pathologische Ursache dar. Etwa 40 Prozent der Glaukompatienten, die über einen normalen Augeninnendruck verfügen, zeigen Empfindlichkeiten gegenüber Blutdruckschwankungen. Für die Untersuchung vaskulärer Dysregulation entwickelte das CiS deshalb gemeinsam mit der aviant GmbH aus Jena eine multisensorische Lösung, die EKG und Parameter der Photoplethysmographie (PPG) zeitsynchron erfassen kann. Nach heutigen Erkenntnissen ist bei Normaldruckglaukom-Patienten nicht nur das Auge krank, sondern möglicherweise das Herz- und Gefäßsystem des Körpers im Allgemeinen. Durch die zeitsynchrone Messung von EKG und PPG soll das Screening vaskulärer Dysregulation mit einer guten Sensitivität und vor allem einer sehr hohen Spezifität möglich werden. Das Herzstück, der PPG-Sensor zur Erfassung der Pulswelle, zeichnet sich durch eine hohe Signalqualität und ausgezeichneten Tragekomfort aus. Nahezu unsichtbar, versteckt in einer Otoplastik, wird der Sensor im äußeren Gehörgang getragen und ist somit für den Patienten ohne Einschränkungen auch im Alltag nutzbar. Möglich wurde dies durch die Integration eines speziellen, optischen Strahler-Empfänger-Moduls, das in Chip-in-Chip-Technologie hergestellt wird. Eine am Körper tragbare, mit zwei AA-Batterien betriebene Systemelektronik komplettiert die mobile Lösung. Diese beinhaltet neben der Sensorsteuerung, einen Datenlogger mit einer rausch- und driftarmen Vorverstärkung und Signalverarbeitung. Die Datenspeicherung kann wahlweise auf einer herkömmlichen SD-Card oder über eine USB-Schnittstelle am PC des Arztes erfolgen.
„Wearables“ für die Prävention
Besondere Mobilität versprechen auch tragbare Geräte („Wearables“), die teilweise direkt in die Kleidung integriert werden. „Wearables sind eine neue Gerätekategorie, die die Medizin von einem eher kurativen Ansatz auf einen präventiven Ansatz ändert“, kommentierte beim Compamed Frühjahrsforum Erik Jung vom Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM) die neue Ausrichtung. Dazu gehören verschiedene Projekte zur Erfassung und Überwachung von Vitalparametern, ob zuhause im Auto oder bei der Arbeit. Die technologischen Wurzeln dafür sind eine gut verfügbare miniaturisierte Sensorik, Energieversorgung und Kommunikation, ein verbessertes Data-Mining zur Extraktion von versteckten Informationen aus großen Datenmengen sowie Cloud Services, die überall und jederzeit Daten bereitstellen. Die technischen Voraussetzungen erfüllen inzwischen winzige Sensoren, flexible und dehnbare Substrate aus Silicon, Polyurethan, Polyimid oder Textilien, die großflächig Elektronikbaugruppen aufnehmen können, sowie miniaturisierte Verbindungstechnologien, energieeffiziente Kommunikationselektronik und hochdichte Energiespeicher, die sich unter anderem drahtlos aufladen lassen. „Menschen, die eine entsprechende Ausrüstung tragen, sind eine komplette Messstation“, sagt Fachmann Jung.
Die Ausrüstung verbirgt sich inzwischen immer häufiger in intelligenten Textilien, die unterschiedliche Parameter überwachen. Fasern als Grundlage von Textilien bringen ein breites Eigenschaftsspektrum mit, weil sie fest und steif, flexibel und dehnbar sein und verschiedene Oberflächen aufweisen können. „Wir versuchen, die Prozesskette vom Granulat über das Faserspinnen und die Fasermodifikation, die Textilproduktion und das Finishing bis zum Einbau und dem fertigen medizinischen Textil möglichst komplett abzubilden“, betont Dr. Christoph Monfeld, Bereichsleiter Life Science & Smart Textiles am Institut für Textilkunde der RWTH Aachen. Auf jeden Fall wird das Thema intelligente Textilien für medizinische Anwendungen in seinen vielseitigen Facetten bei der Compamed 2014 ebenso eine wichtige Rolle spielen wie ganz generell das zukunftsweisende Gebiet „Medizintechnik to go“.
Zur Compamed 2014 (12. - 14. November) in den Düsseldorfer Messehallen 8a und 8b ist in Anknüpfung an das Rekordergebnis aus dem Vorjahr wieder mit einer Beteiligung von gut 700 Ausstellern zu rechnen. Von den 132.000 Fachbesuchern, die insgesamt die Medica und Compamed 2013 besuchten, interessierten sich gut 16.000 für die Themen der Compamed.
26.05.2014