Technik

Neue Generation minimalinvasiver Instrumente für MRT

Einen flexiblen Fertigungsprozess für eine neue Generation minimalinvasiver medizinischer Instrumente entwickeln jetzt neun Partner aus sechs europäischen Ländern in einem gemeinsamen Forschungsprojekt: Konfigurierbare Einwegartikel wie Führungsdrähte, Katheter und Instrumente, aus Faserverbundkunststoffen, die ohne Metallteile auskommen sollen und sich damit besonders für die patientenschonende Magnetresonanztomographie eignen. Ziel des Projekts ist es, die erforderlichen flexiblen Fertigungstechnologien für hochgradig individualisierbare Produkte bereitzustellen und zu erproben.

Mikro-Pullwinding-Anlage zur Herstellung miniaturisierter Profile aus...
Mikro-Pullwinding-Anlage zur Herstellung miniaturisierter Profile aus Faserverbundkunststoff.
Quelle: Fraunhofer IPT
Minimalinvasive Medizinprodukte aus Faserverbundkunststoff.
Minimalinvasive Medizinprodukte aus Faserverbundkunststoff.
Quelle: Fraunhofer IPT

ie enormen Fortschritte bei bildgebenden Verfahren haben dazu beigetragen, dass die Anzahl minimalinvasiver medizinischer Eingriffe in den vergangenen Jahren stark angestiegen ist. Zusätzlich unterziehen sich rund zehn Millionen Menschen jährlich einer Magnetresonanztomographie (MRT) zu Diagnose-Zwecken. Doch obwohl die Anzahl minimalinvasiver Eingriffe so stark gewachsen ist und die Eingriffe durch Weiterentwicklung der Instrumente immer umfangreicher und komplexer werden, verfügen die Mediziner vielfach nur über ein eng begrenztes Spektrum an Standard-Operationswerkzeugen. Mit Hilfe dieser Werkzeuge stellen sich heutige Chirurgen der Aufgabe, ohne direkte Sicht auf das zu behandelnde Areal im Körper zu navigieren und zu operieren.

Dabei können sich die Ärzte lediglich auf ein Monitorbild und ihr Fingerspitzengefühl verlassen – und das ist bei jedem Mediziner unterschiedlich. Deshalb hat beinahe jeder Chirurg individuelle Idealvorstellungen und Wünsche bezüglich Handhabung und Sichtbarkeit seiner medizinischen Instrumente. Um die Benutzbarkeit der Werkzeuge zu erleichtern und damit auch den Erfolg der Operationen positiv zu beeinflussen, bietet es sich an, diese so weit wie möglich an die speziellen Anforderungen des Operateurs anzupassen.

Die erste flexible Fertigungskette für individuelle minimalinvasive Einweg-Werkzeuge

Die neun Partner im EU-Forschungsprojekt »Openmind« haben sich mit dem Ziel zusammengeschlossen, innerhalb der kommenden drei Jahre eine flexible Fertigungstechnologie für solche hochindividuellen Einwegwerkzeuge zu entwickeln. Damit sollen Medizinprodukte hergestellt werden, die ohne metallische Werkstoffe auskommen. Der faserverstärkte Kunststoff, aus dem sie stattdessen bestehen, eignet sich sowohl für den Einsatz im Röntgengerät und im Computertomographen als auch für Untersuchungen und sogar Operationen im Magnetresonanztomographen.

Mit der neuen Fertigungsprozesskette wollen die Projektpartner die Lücke zwischen der effizienten Fertigung vollständig standardisierter und individuell hergestellter Medizinprodukte schließen. Dabei soll die Fertigungskette den laufenden Prozess selbstständig weiter optimieren: Alle Prozessdaten, die während der Herstellung gewonnen werden, können anhand von Data-Mining-Algorithmen analysiert und ausgewertet werden. So lassen sich Prozessdaten für zukünftige Produktkonfigurationen leichter vorhersagen und die Dauer der Produktentwicklung und -herstellung kann sich bis zu 50 Prozent verkürzen. Die Projektpartner rechnen dadurch mit Kostenersparnissen bis zu 30 Prozent und gehen davon aus, dass auch die »Time-to-Market« sich um 30 Prozent verkürzen wird.

Werkstoff mit Potenzial für neue Produkte

Der Einsatz faserverstärkter Kunststoffe (FVK) birgt hier ein großes Potenzial: Das Material ist aufgrund seiner speziellen Eigenschaften dazu geeignet vielfältige Produktideen zu verwirklichen. Denn bis heute sind chirurgische Behandlungen von Weichgewebe und Gefäßen unter Sicht im Magnetresonanztomographen noch selten. Dies liegt vor allem an der geringen Kompatibilität der bislang eingesetzten minimalinvasiven Instrumente, die meist metallische Bauteile enthalten und damit im Magnetfeld des Tomographen zu starken Bildstörungen führen.

Die Fertigungskette für die neuen Werkzeuge aus FVK, die im Projekt Openmind entsteht, setzt nun auf den Prozess des Mikro-Pullwinding, um eine neue Generation flexibler und individualisierbarer minimalinvasiver Instrumente herzustellen. Mit diesem Verfahren und dem innovativen Kunststoff-Material lassen sich Festigkeit und Biegsamkeit der Produkte je nach Orientierung der eingesetzten Fasern anpassen. Da die Fasern bei bedachter Auswahl weder das Magnetfeld beeinflussen noch elektrische Leitfähigkeit besitzen, eignen sich die Instrumente besonders gut für den Einsatz im MRT und erlauben Medizinern eine völlig neue Sicht auf ihr Operationsgebiet. Für die Magnetresonanztomographie eröffnen sich damit neben der reinen Diagnose weitere umfassende Einsatzfelder für therapeutische Anwendungen.

Erstes Anwendungsbeispiel: Flexibler Führungsdraht für Katheter

Als erstes minimalinvasives Werkzeug soll im Projekt Openmind ein Führungsdraht für Katheteranwendungen entstehen, wie sie beispielsweise häufig bei Eingriffen am Herzen genutzt werden. Herzerkrankungen sind weltweit nach wie vor die Todesursache Nummer eins, doch immer mehr Menschen überleben Herzinfarkte und Schlaganfälle aufgrund der stetigen Fortschritte in der minimalinvasiven Medizin. Patienten mit Stents, künstlichen Herzklappen oder Aneurysmen könnten schon in wenigen Jahren von den neuen, individuellen Instrumenten profitieren, die dem Mediziner die Arbeit erleichtern.

Neben dem Nutzen für die Hersteller von Medizinprodukten trägt das Projekt »Openmind« nicht zuletzt auch dazu bei, Gesundheitskosten zu reduzieren: Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachen zusätzlich zu den reinen Behandlungskosten allein in Europa mehr als 45 Milliarden Euro Kosten pro Jahr. Individualisierte minimalinvasive Instrumente helfen den Medizinern dabei, die Effizienz ihrer Arbeit zu verbessern. Die moderne Medizin profitiert durch die sogenannten Schlüssellochoperationen, die die Genesungsdauer der Patienten deutlich verkürzen und Komplikationen verringern. Die flexiblen, vielseitig einsetzbaren Werkzeuge aus FVK können außerdem in Verbindung mit den Fortschritten bei den bildgebenden Verfahren als Wegbereiter für völlig neue Therapieangebote dienen.


Quelle: Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT

07.12.2015

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