8 Der Sonograf Kontrast am Darm – Off the Label Kontroverse um den Darmverschluss Dr. Daniel Weiss, geboren 1957 in Baden, studierte Medizin an der Universität Bern. Seine berufliche Laufbahn mit internistischem Schwerpunkt führte ihn über Berlin bis nach Bern. 1994 nahm er seine ärztliche Tätigkeit am Spital Thun, einem überregionalen Ver- sorgungszentrum, auf, wo er 19 Jahre lang in der internistischen Abteilung arbeitete und dort neben der allgemeinen inneren Medizin und der Infektiologie auch den medizinischen Ultraschall betreute. 2013 wechselte er als Leitender Arzt in das Röntgeninstitut und führt seitdem auch das Ultraschallzentrum vor Ort. ChirurgniealleinaufdieKontrastmittelsonogra- phie verlassen, sondern immer auch eine CT-Un- tersuchung anfordern, damit er die Bilder selbst interpretieren kann. Unter Umständen wird sich dasmitzukünftigenGerätegenerationen,dieeine 3-D-Darstellung des Ultraschalls ermöglichen, ändern, aber bisher ist diese Technologie nur in großen Zentren verfügbar.“ dungsgebiet,dieDarreichungsformunddieGerä- tetechnikspieleneinewichtigeRolle.Wennman beispielsweise das Kontrastmittel zum Trinken gibt, kommt es darauf an, ob man eine Patholo- gieimoberenMagenbereichoderimproximalen Dünndarmdarstellenmöchte.Damussmaneine ganzandereKonzentrationwählen.Beimdistalen Ösophaguskarzinom und Magenpathologien geben wir nur einen Tropfen Echoverstärker auf zweiDeziliterWasser.BereitsbeizweiTropfenist dasBildüberstrahltundmanhatseineMühebei der Interpretation.“ Selbst kleine Durchblutungen mithil- fe des Ultraschalls darstellen: CEUS (Contrast Enhanced Ultrasound) machtesmöglich.Indenvergangenen zehn Jahren hat die Technik der Sonographie zu einem ganz neuen diagnostischen Stellenwert in der klinischen Praxis verholfen. Bei einigen Organen wie der Leber ist der Kontrastmittelul- traschall gar nicht mehr wegzudenken und hat die Computertomographie nicht nur eingeholt, sondern ihr den Rang abgelaufen. Nicht so beim Darm.HieristdieTechnikkaumverbreitet.Einer derErsten,derdiekontrastmittelverstärkteSono- graphieamDarmdennochangewandthat,istDr. DanielWeiss,LeitenderArztamDiagnostischen Röntgeninstitut und Leiter des Ultraschallzen- trumsimSpitalThun,Schweiz.InmancherHin- sichtleistetederInternistsogarechtePionierarbeit. Denn Dr. Weiss war der erste Anwender, der nachweisenkonnte,dassCEUSimGastrointesti- naltrakt auch funktioniert, wenn das Kontrast- mittel geschluckt wird. Trotz solcher positiven Vorstöße sieht die wissenschaftliche Studienlage zum Kontrast am Darm mager aus. Der Schwei- zerRadiologehateineVermutung,worandasun- teranderemliegenkönnte:„VieleKollegenhaben Hemmungen,denDarmzuuntersuchen,weildas ein schwieriges Betätigungsfeld ist. Man muss sich wirklich in die Materie einarbeiten und sich an die Bildgebung gewöhnen. Wenn man schon imGrauwertbildnichtguterkennt,wasSacheist, dannmachtauchderEinsatzvonKontrastmittel keinen Sinn. Das hilft nur, wenn man wirklich weiß, worauf man achten muss.“ Doch ohne große Studien und medizinische Forschung wird es auch keine Aufnahme der Anwendung in den Leistungskatalog der Kran- kenkassen geben. Dennoch hält Dr. Weiss den Einsatz von Ultraschallkontrastmittel am Darm bei einer Vielzahl von Indikationen für äußerst sinnvollundwendetdieTechnikimSpitalThun auchselbstan,etwabeichronischentzündlichen Erkrankungen wie beim Morbus Crohn zur Ein- schätzung der entzündlichen Aktivität, zur Ab- grenzungvonAbszessenundFistelsystemensowie zur Unterscheidung entzündliche vs. fibrotische Stenose. Bei Darmtumoren kann eine Aussage über die Infiltrationstiefe und bei entzündlichen Affektionen wie Divertikulitis oder Appendizitis eine Aussage über Abszessgröße und -anzahl ge- troffen werden. Eine weitere Herausforderung, wenn man CEUS auf wenig erforschtem Terrain wie dem Darm anwenden möchte, stellt die richtige Do- sierung des Kontrastmittels dar. Es gibt hierzu nur wenige Empfehlungen. Daniel Weiss muss sich deshalb auf seine jahrelange Erfahrung und seinmedizinischesWissenverlassen:„Manmuss den Patienten, seine körperliche Konstitution und seinen aktuellen Gesundheitszustand genau in Augenschein nehmen, um sein Herzminuten- volumenabschätzenzukönnen.AuchdasAnwen- Grundsätzlich rät der Experte dazu, lieber etwas weniger Kontrastmittel zu applizieren, um sich ersteinmaleineallgemeineÜbersichtzuverschaf- fen.BeiBedarfkannmandannimmernocheine zweiteKontrastmittelgabeverabreichen,umeine bestimmte Gewebestruktur besser darzustellen. In der Regel wird für die Untersuchung eine Ve- nenverweilkanüle in der Armvene platziert. Die orale Kontrastmittelgabe ohne eine zusätzliche intravenöse Injektion kann nur in wenigen Aus- nahmefällenangewandtwerden,zumBeispielzur Darstellung einer Hiatushernie. „Das oral verab- reichte Mittel reicht nur in die oberen Körperre- gionen,danachverdünntessichimmermehr.Bei einerMagen-Darm-Pathologiespritzeichdeshalb dasKontrastmittelmeistenszuerstintravenösund gebedemPatientendannnacheinpaarMinuten etwas zum Schlucken.“ In Thun gehört CEUS bei Untersuchungen imGastrointestinaltraktlängstzurAlltagsroutine. EineweitereEinschränkunggibteszurzeitjedoch noch, bemerkt Weiss: „Wenn es darum geht, ei- nen Patienten zu operieren, dann wird sich der Weiters kann der Ileus mittels Ultraschall sechs bis zwölf Stunden früher diagnostiziert werden als mit einer Röntgen-Abdomen-Übersichtsauf- nahme,weilimFrühstadiumdieDarmschlingen noch nicht stark dilatiert, aber bereits mit Flüs- sigkeit gefüllt sind, was sich nur im Ultraschall erkennen lässt. Und nicht zuletzt erlaubt die Ul- traschalluntersuchungeineDifferenzialdiagnose: „MitUltraschalllassensichauchmöglicheandere Ursachen für die akuten Bauchbeschwerden er- Um die Diagnose des Darmver- schlusses tobt seit langer Zeit eine Kontroverse,derenEndenochnicht abzusehen ist. Die bekannten Leitli- nien – die Bologna-Guidelines zu Diagnose und Management des mechanischen Ileus sowie die entsprechendenLeitliniendesAmericanCollege ofRadiology–empfehlenbeiVerdachtaufDarm- verschluss eine Röntgen-Abdomen-Übersichts- aufnahmeund/odereineComputertomographie. UltraschallspieltindiesenGuidelineskeineRolle. Viele Mediziner sind damit jedoch gar nicht ein- verstanden: „An unserem Haus wird bei akuten Bauchbeschwerdenseit20JahrenkeineRöntgen- Abdomen-Übersichtsaufnahme mehr gemacht“, betont Dr. Alois Hollerweger, Oberarzt an der Abteilung für Radiologie und Nuklearmedizin des Krankenhauses Barmherzige Brüder Salz- burg: „Bei uns ist die primäre Bildgebung in so einemFallimmerderUltraschall.DieAbdomen- NativaufnahmeistfürdieAbklärungvonakuten Bauchbeschwerden zu wenig sensitiv.“ Mittels einer Ultraschalluntersuchung kann in den meisten Fällen das Vorliegen der drei wichtigsten Ileus-Kriterien festgestellt werden: dilatierte Darmschlingen, in denen Flüssigkeit steht, eine zumindest zu Beginn rege Peristaltik und eine abrupte Änderung des Lumens („Kali- bersprung“). Mit der Abdomen-Nativaufnahme hingegen könne die Peristaltik des Darms nicht beurteilt und vor allem drohende Komplikati- onen nicht erfasst werden, erklärt Hollerweger. kennen,etwaeinNierenstauoderGallenkoliken. Das Röntgenbild leistet keinen Beitrag zur Dif- ferenzialdiagnose“, unterstreicht der erfahrene Ultraschalluntersucher. Das oftmals vorgebrachte Argument, dass man im Abdomen-Röntgen die Flüssigkeitsspie- gel im Darm gut erkennen könne, lässt er nicht gelten: „Das ist schon richtig – aber ein Spiegel ist nur ein indirektes Zeichen, dass sich Luft und Flüssigkeit im Darm befinden. Mit Ultraschall darm komplex Abb. 1: Abszess bei Crohn Abb. 2: Crohn Abb. 3: Hiatushernie Abb. 4: T2-Karzinom Veranstaltung Raum:ADavos1/3 Freitag,25.09.2015,11:00Uhr Grenzendersonographischen Ileusdiagnostik– wannbrauchtmanCT? AloisHollerweger,Österreich Session:Refresher Abdomen–Ileus Raum:ADavos1/3 Mittwoch,23.09.2015,14:00Uhr Anwenderseminar Gastrointestinal:CEUSamund imGastrointestinaltrakt DanielWeiss,Schweiz Veranstaltung Bildbeispiele eines mechanischen Dünn- darmmilieus: Abb. 1: Flüssigkeitsgefüllte und dilatierte obere Dünndarmschlingen. Abb. 2: Neben der erweiterten Dünndarmschlinge findet man das kontrahierte Kolon (weißer Pfeil).