2 Der Sonograf Plädoyer für den Kontrast Prof. Dr. Wolfram Wermke, von der Fan- Gemeinde liebevoll „WW“ genannt, gilt als Wegbereiter der Kontrastmittel-Sonographie: Der heute 64-Jährige sorgte dafür, dass diese Methode als Routineuntersuchung in die medizinische Versorgung Einzug hielt. Seine Lehrbücher sind Standardlektüre für Studenten und alle Ärzte, die sich mit der abdominellen Sonographie beschäftigen. Kollegen bewundern sein immenses Archiv an Ultraschallbildern samt Wissensschatz und Patienten schätzen den menschlichen Umgang. Für seine Verdienste wurde er 2014 mit der Walter-Krienitz-Gedenkmedaille ausgezeichnet. anvertrauten Patienten mit technischen Mitteln zu vervollkommnen, oft auch abzusichern. Dies gelingt zunächst am besten mit der Sonographie. Und nach wie vor gilt die bereits in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts zu Beginn mei- ner ärztlichen Tätigkeit in der Charité allgegen- wärtige Aussage meiner Lehrer: „Die Diagnose basiert zu 80 Prozent auf dem klinischen Blick, derAnamneseundderErfahrungderÄrztinoder des Arztes!“. Bei den Methoden CT und MRT sind die in der Radiologie tätigen Ärztinnen und Ärzte oftmals wenig über die Befunde der Pati- enteninformiert–dieÜberweisungsscheinesind häufig mangelhaft hinsichtlich der Vermittlung wesentlicher Vorbefunde und spezifischer Frage- stellungen. Untersuche ich zugewiesene Patienten man- cher Einrichtungen, ärgere ich mich oft über die NachlässigkeitoderUnkollegialitätandieserStel- le.DarausmacheichallerdingsauchkeinenHehl; der Überweiser wird es zu hören bekommen. DersonographierendeArzthatdenPatienten vor sich, den er bei mangelhaften Befundinfor- mationen befragen kann. Dieser Vorteil ist mit- unterbeiden„Großgeräten“nichtzugarantieren. Manchmal sieht weder der Patient den Radiolo- gen, noch hat dieser den immensen Vorteil, sich mit dem Hilfesuchenden, seinen Problemen und den Fragestellungen persönlich auseinander zu setzen. Dies ist keine Schuldzuweisung; die Ursache liegt überwiegend in der enormen Ver- dichtung an täglich zu absolvierenden Untersu- chungszahlen. Häufig wird propagiert, dass MRT oder CT einen objektiveren Befund ermöglichen. Dies mag für bestimmte Fragestellungen richtig sein, ist aber in der Masse möglicher Pathologien so nicht zutreffend. Allgegenwärtig ist die Aussage, die Sonographie sei ein Verfahren, das mit der Erfahrung des Untersuchers steht und fällt, wo- hingegen CT und MRT den Vorteil hätten, von subjektiven Faktoren frei zu sein. Diese Aussa- ge lasse ich in bestimmtem Maße für die Über- sichtlichkeit des Untersuchungsablaufes und die Befundarchivierung gelten, nicht jedoch für die dazu notwendige Erfahrung. IchsehemirbeiLebertumorenfastimmerdie mitgebrachten CT- oder MRT-Bilder an – aller- dings erst, nachdem ich eine Sonographie durch- geführt habe. Denn bei Untersuchungsbeginn will ich außer der Klinik und der Fragestellung nicht die Ergebnisse der genannten Verfahren vorwegnehmen – weil ich unvoreingenommen sonographieren möchte. Zuerst suche ich das, was mit den beklagten Beschwerden verbunden sein kann, was tatsäch- lich vorhanden ist und nicht das, was andere Ver- fahren möglicherweise nahelegen. Ist offensichtlich, dass die eigene Untersu- chung zur Abklärung der Beschwerden nur un- zureichend beiträgt, schaue ich mir die CT- und MRT-Sequenzen an – dann aber sehr gründlich – und siehe da: ich finde sonographisch die ent- sprechend beschriebenen Auffälligkeiten. Nicht seltenistaberauchfestzustellen,dass„meine“Me- thodemehranAussagenbietet,oderaberdenCT- BildernvergleichbareBefundezuentnehmensind, dievonderRadiologienichtbeschriebenwurden! Ein Vorteil der Großgeräte war bislang, dass durch das PACS eine fortlaufende Bildspeiche- Grundsätzlich hat jede diagnostische Methode ihre Tücken und damit Grenzen in der Aussa- gekraft. Es gibt bei gut- und bösartigen Leberne- oplasien neben spezifischen Details auch Über- schneidungen bzw. Ähnlichkeiten. Deshalb be- darfesschoneineslängerenZeitraumsintensiver BeschäftigungmitdenSpielartenpathologischer Prozesse.GrundlagedazuisteinsehrguterLehrer im klinischen Alltag. Natürlich wird jeder, der sich in ein „neues“ Ver- fahrenvertieft,diagnostischeFehlermachen.Das wird insbesondere am Anfang als „schmerzlich“ empfunden.Glückhatderjenige,dessenersteDi- agnosensichimGegensatzzuanderenVerfahren als richtig erweisen. Fehler werden immer auftre- ten.Esgilt,ihreAnzahlzulimitieren.Dazuistein hohes Maß an Kritikfähigkeit notwendig – vor allem sich selbst gegenüber. Weiterhin bedarf es einerwahrhaftigkollegialenAuseinandersetzung – auch mit den Vertretern anderer diagnostischer Verfahren. Besonders lehrreich und schön kann es sein, hat mandieGelegenheit,sichandieFerseneinerech- ten „Eminenz“ zu heften und von ihr „das Weh und Ach“ der zu erlernen den Methode in allen Facetten beigebracht zu bekommen. Dieser Auf- Er gilt als Pionier in der Kontrastmittel- Sonographie, trug entscheidend dazu bei, dass sie als Routineverfahren zum Einsatz kommt und kämpft weiterhin für ihre Anerkennung im Wettstreit mit MRT und CT. Die Rede ist von Univ.-Prof. Dr. Wolf- ram Wermke aus der Medizinischen Klinik der Charité, Berlin-Mitte, mit Schwerpunkt Hepa- tologie und Gastroenterologie, der kein Blatt vor den Mund nimmt, geht es um Einsatz und Nut- zen des inzwischen über viele Jahre bewährten Verfahrens. WelcheVorteilebringtdieKontrast- mittel-SonographiebeiderLeber? Anfang des Jahres 1996 habe ich mit dem kli- nischen Einsatz der Kontrastmittelsonographie begonnen, zunächst an Patienten mit Lebertu- moren. 1998 ist gemeinsam mit „meinem Physi- ker“ Bernhard Gaßmann im Springer-Verlag der erste klinische Atlas zur Lebertumordiagnostik mit Echosignalverstärkern erschienen. Auf der RückseitedesBucheinbandeswurdevorausgesagt, dass die Kontrastmittelsonographie zukünftig ei- nensehrhohenStellenwertinderAbklärungvon Leberherden bekommen wird. Das hat sich be- wahrheitet. Leider ist momentan der Anteil an Ärzten, die sich intensiv um die signalverstärkte Sonographie bemühen, noch viel zu gering, ins- besondere auch in der Radiologie. Unddas,obwohlmitmodernenUS-Geräten heute eine höhere Orts- und Kontrastauflösung zu erreichen ist, als es andere Schnittbildverfah- ren ermöglichen. Heute sind wir sonographisch in der Lage, sehr viel kleinere Gefäße darzustel- lenundihrePerfusiondurchdasEinbringenvon Mikroblasen aufzuzeichnen. Seit Anfang dieses Jahrtausends wurde die Kontrastmittel-Tech- nologie so verfeinert, dass bei ihrem Einsatz die Mikroblasen weniger schnell zerplatzen: Nutzt man einen geringen mechanischen Index, ist das fundamentale Grauwertbild zwar weniger aussa- gekräftig, dafür geraten die Mikrobläßchen aber in Schwingungen, wodurch sie im strömenden Blut bis hin zur Mikrovaskularisation in den Organen zu verfolgen sind. Dies ermöglicht es, sicherer eine normale oder pathologische Gefäß- architekur zu erkennen und damit eine verän- derte Durchblutung zu beurteilen. So eröffnen sichneueMöglichkeitenfürdieEntdeckungund Unterscheidung von entzündlichen oder neoplas- tischen Prozessen. Lebertumoren haben einen spezifischen Gefäßaufbau. Dank der einströmenden Mikro- blasen wird deren Perfusion beurteilbar. Man sieht die Gefäßarchitektur, die Durchblutung, Einblutungen oder Nekrosen sowie die Auswir- kungen der Neoplasie auf ihre Umgebung. In der Leber lässt es die Art und Weise der arteriellen Perfusion und die An- bzw. Abwe- senheit von Portalvenen zu, sehr sicher zwischen „gut-“oder„bösartig“zuunterscheiden.Dadurch ist es möglich, die Mehrzahl der Lebertumoren exakt zu benennen oder bestimmte Arten auszu- schließen.OftkommenPatientenmiteinerViel- zahl von MRT- oder CT-Untersuchungen beim Verdacht auf eine Leberraumforderung zu mir. Die Artdiagnose ist selten eindeutig benannt. Hinsichtlich der Di- gnität bzw. Art der Neoplasie trauen es sich nicht alle zu, eine spezifischere Diagnose zu stellen als die eines „unklaren Leberherdes“ oder es wird eine Vielzahl an Differenzialdiagnosen aufgezählt, die es dem Kliniker schwer macht, das diagnostische Vorgehen einzugrenzen und frühzeitig therapeutischen Konsequenzen zu ziehen. DennochscheintdieKontrastmittel- SonographiebeiderDifferenzierung desLeberkrebsesGrenzenzuhaben? gabe habe ich mich in den vergangenen beiden DekadenmitbesonderemAugenmerkgewidmet unddadurcheinenSchülerkreisaufbauenkönnen, den „Gegenwind“ kaum aus dem Gleichgewicht bringen wird – zum Nutzen der Patienten. Wer eine Methode beherrscht, wird in die Lage ver- setzt, vorurteilsfrei über ihre Vorzüge und Nach- teile nachzudenken. Ohne profunde Kenntnisse in der patholo- gischen Anatomie und Pathophysiologie schadet man dem Patienten und dieser Untersuchungs- methodeimmens.BeispielsweisesindLeberkarzi- nomeandersaufgebautalsGallenwegskrebseoder Metastasen.Hinzukommenderdifferenteätiolo- gische und klinische Hintergrund, unterschied- liche Differenzierungsgrade und die Vielzahl an MöglichkeitenderdegenerativenMetarmorphose, sodasssichschonalleinbeieinerbestimmtenEn- tität – beispielsweise einem HCC – in der Kon- trastmittelkinetikgroßeUnterschiedeoffenbaren. Diese zu erlernen und zu erkennen, dauert Jahre. Im Allgemeinen existieren aber stets auch spezifische Hinweise hinsichtlich der Tumor- gefäßarchitektur und des zeitlichen An-und Ab- stromverhaltens der Mikroblasen im Gefäßbett der Neoplasien oder Malformationen, die es uns heute erlauben, eine Artdiagnose sicherer auszu- sprechen, als es vor der Verfügbarkeit der Kon- trastmittelsonographie möglich war. SindMRTundCThilfreich fürdieDiagnose? Selbstverständlich. Es wird immer Patienten ge- ben, deren Diagnose sicher genug und risikoarm nurimVerbundmehrererVerfahrenzustellenist. Beim Vorliegen von Lebertumoren halte ich die Anzahl dieser Fälle aber für relativ gering. Wir strebenan,dieklinischeUntersuchungeinesuns Frei von der Leber weg Hämorrhagisches Adenom bei Leberzelladenomatose einer 34-jährigen Innenarchitektin aus London. Sie verspürte plötzlich Bauchschmerzen und rief deshalb mit der Bitte um eine Untersuchung an. Abb. 1a: Fundamentales Grauwertbild eines eingebluteten Adenoms neben drei kleinen Adenomen. Abb. 1b: Zentripetale Kontrastierung des hämorrhagischen Leber- zelladenoms. Abb. 1c: Fixiertes Resektat des hämorrhagischen Adenoms mit einem Gerinnselanteil, der sich auch auf den Abb.1a und 1b abgrenzen lässt. 47-Jährige Frau mit einem asymptomatischen Zufallsbefund. Die Diagnostik (CT, mehrere Sonographien) verdächtigen eine zystische Echinokokkose (CE). Abb. 2a: 10 cm große liquide Raumforderung mit mehreren wand- ständigen Knoten und einem kleinen zystischen Gebilde (8 Uhr). Abb. 2b: Das Kontrastmittelsonogramm schließt innerhalb der früharteriellen Phase eine Echiokokkose aus, weil die Wandung der Tochterzyste einen Mikroblaseneinstrom aufweist. Tochtervesikel der CE enthalten niemals Blutgefäße! Meine Verdachtsdiagnose lautet „nichtparasitäre Gallenwegszyste“. Abb. 2c: Eröffnetes Resektat mit Abbildung der großen Gallenwegs- zyste, in der sich wandständig die kleinere vermeintliche „Tochtervesikel einer CE“ abgrenzt. Die Histologie bestätigt die Diagnose der Kontratmittelsonographie: „Nichtparasitäre Gallen- wegszyste“. 1b 2b 1a 2a 1c 2c