20 Der Sonograf Mehr Thorax- sonographie, bitte! Pulmonale und pleurale Infektionen – alle Verfahren kommen zum Einsatz Nachdem Prof. Gebhard Mathis verschiedene Stationen als Oberarzt und Primararzt im kli- nischen Bereich durchlaufen hatte, eröffnete der Internist im Jahr 2006 seine eigene Pra- xis in Rankweil, Österreich. Mathis ist neben anderen Tätigkeiten außerdem Präsident der Österreichischen Krebshilfe Vorarlberg und ehemaliger Präsident der Österreichischen Ge- sellschaft für Ultraschall in der Medizin (ÖGUM). Er veröffentlichte über 140 wissenschaftliche Arbeiten sowie zwei Bücher und wurde mehr- fach ausgezeichnet. differenzieren. Diese Differenzierung dauert le- diglich eine Minute. WirhabeninderDiagnostikderLungenembolie sozusagen zwei Silberstandards. Es gibt keinen Goldstandard, weil auch mittels CT nicht alles entdeckt wird. Es ist ein etwas hierarchisches Denken, dass das, was mehr kostet, auch besser ist. Dabei wird zu wenig bedacht, welche Metho- de welchen Vorgang physikalisch abbildet. Es gibt Diagnosen, bei denen der Ultraschall bes- ser abschneidet als eine CT, und natürlich gibt es Diagnosen, bei denen die CT besser ist als der Ultraschall. Dasselbe gilt für die MRT. Es wäre gut, sich mehr Gedanken über die Physik und dieTechnikzumachenundaufdieserGrundlage überdiejeweilsanzuwendendeMethodikfürdie Diagnose zu entscheiden. WaswünschenSiesichfürdie Zukunft,umUltraschallfürdieKliniker wiederattraktivzumachen? Die Kliniker müssen den Ultraschall und seine vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten erlernen. VerschiedenesonomorphologischeKriteriensind typisch für pneumonische Infiltrationen. Diese kann man sich aneignen. Der Untersuchende muss wissen, worauf er bei einem Bronchoaero- gramm, einem Fluidobronchogramm oder der poststenotischenPneumoniezuachtenhat.Wenn jeder Kliniker innerhalb seiner Fachdisziplin Ultraschall einsetzt, spart das Manpower, Wege und zusätzliche Untersuchungen. Anrufe mit der Rückmeldung, dass die Technik tatsächlich funktioniert. Bereits 2012 einigten sich die Fachgesell- schaftenineinerKonsensus-KonferenzinItalien darauf, dass der Thoraxultraschall bei Notfallun- tersuchungen und zur Abklärung von Lungen- entzündungen und Lungenembolien bestens zur Diagnosegeeignetist.GeradedieAnschoppungs- phase von Lobär- oder Segmentpneumonien bie- tet gute Bedingungen für eine pathologische Schalltransmission. Auch Bronchopneumonien reichen oft bis an die Pleura und sind dann sono- graphisch einsehbar. Insgesamtdarfmansagen,dassdieWertigkeit der Thoraxsonographie bei Pneumonie heute in der Sofortdiagnostik beim klinischen Verdacht, FieberundDyspnoe,imAbschätzenbegleitender pleuralerFlüssigkeitundinderrechtzeitigenEnt- deckung von Abszessbildungen und Pleuraempy- emen liegt. Zudem ist die Sonographie nicht nur diagnostisch einsetzbar, sondern kann auch the- rapeutischzurVerlaufskontrolleinsbesonderebei SchwangerenundKinderngenutztwerden.Selbst beiTuberkuloseundLungengerüsterkrankungen ist die Sonographie in der Darstellung von gerin- genPleuraergüssenundsubpleuralenKonsolidie- rungen methodisch optimal. Istdasindenentsprechenden Guidelinesnichteingeschlossen? Zum Einsatz des Ultraschalls gibt es noch keine Guidelines, allerdings ist in den neuen Richt- linien der Arbeitsgemeinschaft der Wissen- schaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften Die Zahl an Klinikern, die bei Ver- dacht auf Lungenembolie auf die bildgebende Abteilung und da- mit Computertomographie oder Magnetresonanztomographie zurückgreifen, nimmt zu. Das ist insofern bedauerlich, als die Thoraxsonographie gerade die Anschoppungs- phase bei Lobär- oder Segmentpneumonien sehr präzise abbildet. Auch Bronchopneumonien rei- chen oft bis an die Pleura und lassen sich in die- sem Stadium sonographisch gut beurteilen. Prof. GebhardMathis,mehrfachausgezeichneterInter- nist mit eigener Praxis, Experte und Pionier der Thoraxsonographie, möchte deshalb Kliniker zu häufigeren Nutzung des Ultraschalls ermuntern und nennt dafür ein paar gute Gründe. IneinemIhrerPapierestellenSiedie Hypotheseauf,dassKlinikergernBilder vonRadiologenanfordern,umsichab- zusichern.Warumdas? Ultraschall ist eine anwenderabhängige Unter- suchung, während CT und MRT objektive und auch im Nachhinein zu analysierende Bilder ma- chen. Zudem haben Kliniker damit auch eine andereFachabteilungimRücken,mitdersieden Fallbesprechenkönnen.Andererseitswirddamit das klinische Denken nicht gefördert. Wir ver- fügen mit dem Ultraschall über ein Instrument, mitdemwirsehrgutdiagnostizierenkönnen,also sollten wir es auch einsetzen. Bei einer Lungen- untersuchunginderNotfallmedizinzumBeispiel hat das Stethoskop ein paar fundamentale Nach- teile, denn etwa die Hälfte der Lungenentzün- dungen können wir damit nicht hören. Da lohnt es in jedem Fall, die Thoraxsonographie einzu- setzen,umeinenVerdachtzuverifizierenunddie Stellezuprüfen,anderderPatientdieSchmerzen verspürt. Die ganze Untersuchung dauert etwa zwei, drei Minuten. GehörtnichteingeschultesAuge underheblichesWissendazu,um UltraschallbeimThoraxerfolgreich anzuwenden? EsgibtsehrguteTrainingsmodelleundderUltra- schallunterrichtsolltebereitsandenUniversitäten beginnen.SogibtesgroßartigeMöglichkeitenfür Studenten, die Ultraschallmethodik zu erlernen, beispielsweise in den USA, an der Universität Maribor, in Marburg, aber auch in Danzig und Düsseldorf. In Europa gibt es zahlreiche Fort- bildungen und Kurse zu diesem Thema. Ich selbst gebe weltweit Vorträge und Seminare zu Lungenultraschall und Thoraxsonographie und bekomme hinterher regelmäßig verwunderte (AWMF) zur Lungenembolie der Ultraschall wesentlich aufgewertet worden. Das hängt auch damit zusammen, dass man Strahlenexposition durchRöntgenverfahrenvermeidenundgenerell die Kosten niedrig halten möchte. WasmussausIhrerSichtpassieren, damitUltraschallzukünftighäufiger Anwendungfindet? BeimeinenVeranstaltungenmerkeich,dasssich das Ansehen des Verfahrens nach und nach ver- bessert – insbesondere in den USA und China. Aber es geht langsam, vor allem in Mitteleuropa. Das liegt an strukturellen oder kulturellen Ge- pflogenheiten, die hemmend wirken. WasistIhrAnliegen beimKongressinDavos? Ich möchte die Ärzte dafür sensibilisieren, im Notfall bei Atemnot vermehrt den Schallkopf zu nutzen.MitderSonographiekannmanzwischen einem Lungenödem aufgrund von Herzversagen oder einer verstärkten COPD-Exazerbation gut LUNGE & PLEURA Raum:CSanada Mittwoch,23.09.2015,14:40Uhr Thromboembolie GebhardMathis,Österreich Session:Anwenderseminar „Ultraschallinder täglichenPraxis“ Veranstaltung Abb. 1: Pneumonie, ausgedehnte bakterielle Pneumonie im linken Lungenoberlappen. Abb. 2: Lumgenembolie, 13 × 8 mm messende Lungenembolie dieeinebesondereLiebezudieserTechnikentwi- ckelt haben. Ultraschall geht weit über Realtime- Anwendungen hinaus. Inzwischen ermöglichen Kontrastmittelsonographie, Elastographie und andere neue Techniken multiparametrische Un- tersuchungen. Selbst wenn das alles im Studium unterrichtetwird,kannnichtjederdieseTechnik in alle Verästelungen hinein beherrschen. UnddannistdanochderZeitaufwand.Gera- de bei Pleura und Lunge muss man sich mit dem Patienten und der Technik auseinandersetzen. Viele Fragestellungen wie Pleuraerguss, Pneumo- thoraxoderdieVerlaufskontrollebeiderLungen- entzündunglassensichgutmitUltraschalldurch- führen,insbesonderedieLungenentzündungbei Kindern. Und beim Pleuraerguss ist Ultraschall dieMethodederWahlzurDiagnoseundzurUS- geleitetenPunktion.SieistderblindenPunktion eines Pleuraergusses unbedingt vorzuziehen. Das heißt natürlich keineswegs, dass konven- tionellesRöntgenoderdieComputertomographie (CT) per se schlecht sind. Sie müssen indiziert und nach der medizinischen Strahlenschutzver- ordnung gerechtfertigt sein. StammtdasLungenröntgennichtnoch ausdemTuberkulosezeitalter? Hier muss differenziert werden, denn Entzün- dung ist nicht gleich Entzündung. Sind Sie ge- sund, im mittleren Alter, stehen im Berufsleben und bekommen plötzlich Husten, Fieber und Auswurf, handelt es sich höchstwahrscheinlich um eine ambulant erworbene Lungenentzün- dung(englisch:community-acquiredpneumonia –CAP).Siewirdsinnvollerweisemittelskonventi- onellem Röntgen in zwei Ebenen diagnostiziert. Bei Kindern sieht die Sache anders aus. Zwar ist auch hier das Lungenröntgen – aus Strahlen- schutzgründen nur in einer Ebene – etabliert, allerdings sollte man diskutieren, ob man nicht einen solchen Verdacht zunächst mit einer Sono- graphie abklärt. Es gibt Lungenentzündungen, die im Tho- raxröntgen und in der CT, jedoch nicht im Ul-Die Sonographie wird vor allem in Deutschland, Österreich und der Schweiz von Ärzten verschiedenster Fachrichtungen durchgeführt. Bei pulmonalen und pleuralen Infektionen verwei- sen jedoch viele Internisten an Radiologen, statt selbst eine diagnostische Abklärung per Sonogra- phie vorzunehmen. Das liegt zum einen daran, dassnureinkleinerTeilderÄrztealleAspekteder Sonographiebeherrscht,zumanderenaberhatdie Sonographie bei Erkrankungen der Lunge auch ihre Limitationen, wie Prof. Gerhard Mostbeck, RadiologeamWilhelminenspitalundOtto-Wag- ner-Spital in Wien, weiß. WarumverweisensovieleKlinikerzur AbklärungeinerInfektionderAtemwe- geanRadiologen,stattdieDingeselbst indieHandzunehmen? Man braucht nicht nur Kenntnisse, also theo- retisches Wissen, sondern auch die Fertigkeiten und viel praktische Erfahrung in der klinischen Sonographie. Der Ultraschall ist eine großartige Methode, die jedoch nichts nützt, wenn man sich damit nicht wirklich gut auskennt. Eigent- lichsolltemanalsArzt,egalobNotfallmediziner, LungenfacharztoderInternist,Ultraschallkennt- nissehaben.InderPraxisbeherrschtabernurein ganz kleiner Teil der Ärzte alle Aspekte der kli- nischenSonographieunddassindmeistenssolche, Abb. 1 a-c: 53-jähriger Mann mit Verdacht auf Pneumonie. Im Thoraxröntgen (1a) Konsolidierung im rechten Unterfeld und Pleuraerguss rechts. 1a