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Infektionskrankheiten: Ein „altes“, immer neues Thema
Im Rahmen der MEDICA findet auch in diesem Jahr das Internationale Forum für Laboratoriums-Medizin statt, das von Prof. Georg Hoffmann, München, geleitet wird. In einem Schwerpunkt des Seminars werden die Infektionskrankheiten behandelt. Professor Dr. Dr. André Gessner, Medizinische Mikrobiologie und Hygiene, Universität Regensburg wird am 12. November einen Vortrag halten über „Das humane Mikrobiom – diagnostische und therapeutische Aspekte“. Zur Brisanz dieses Themas und das „Umfeld“ haben wir mit Prof. Gessner das nachfolgende Gespräch geführt.
Wenn ihre Fachgesellschaft eine Tagung, einen Kongress organisiert, wissen Sie von vornhinein, mit welcher Klientel Sie es „zu tun“ haben. Wenn im Rahmen der MEDICA, die einmal „als größter Hörsaal der Welt im November“ bezeichnet wurde, ein spezifisches Fachthema wie das Ihrige zu behandeln ist, wissen Sie keineswegs, wie sich der Zuhörerkreis zusammensetzt. Er ist sicher sehr viel heterogener als das üblicherweise der Fall ist. Macht das Ihre Aufgabe schwieriger oder spannender?
Ich habe schon häufiger Vorträge vor heterogenen Zuhörern gehalten und finde die Herausforderung, komplexe Zusammenhänge möglichst verständlich zu vermitteln sehr spannend und positiv. Oft habe ich auch schon sehr anregende Fragen gerade von fachfernen Kollegen bekommen.
Sie haben vor ca. 3 Jahren an der Universität Regensburg eine ähnliche Veranstaltung mit dem Thema „Das Darmmikrobiom als Zentrum der Gesundheit und Krankheit“ durchgeführt. Hierzu hatten Sie bewusst nicht nur Ärzte, sondern auch Apotheker, Ernährungswissenschaftler, Mikrobiologen, Diätassistenten, Fachberater und Gesundheitsjournalisten eingeladen, also auch ein sehr „heterogenes“ Auditorium. Nützt Ihnen diese „Erfahrung“ bei der Düsseldorfer Tagung?
Eindeutig ja, die Tagung ist ein gutes Beispiel für ein aus Sicht der Teilnehmer gelungenes interdisziplinäres Symposium.
Mir ist wichtig, realistisch zu bleiben und vor allem nicht zu früh (noch) nicht erfüllbare Hoffnungen für Ärzte und ihre Patienten zu wecken
André Gessner
Eine der wesentlichsten Forderungen moderner Medizin bzw. im Gesundheitswesen generell lautet heute Interdisziplinarität. Tragen solche Veranstaltungen wie die in Regensburg und jetzt in Düsseldorf dazu bei diesem Ziel näher zu kommen, aber vor allen Dingen, was muss in der täglichen Praxis, im Routinealltag getan werden?
Die Herausforderung ist, die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse mit einer kritischen Bewertung gut verständlich zu übermitteln und zu „kondensieren“, ohne dabei zu sehr zu simplifizieren und damit Informationen zu verfälschen. Mir ist wichtig, realistisch zu bleiben und vor allem nicht zu früh (noch) nicht erfüllbare Hoffnungen für Ärzte und ihre Patienten zu wecken.
Über die Rolle der mikrobiellen Darmflora, als einer der Grundbausteine für die Aufrechterhaltung der Gesundheit wurde in letzter Zeit viel gesprochen, geschrieben, geforscht und publiziert. Sie haben u.a. moderne Hochdurchsatz-Sequenzierungstechniken als eine Quelle des dramatischen Wissenzuwachses beschrieben. Können Sie das ein wenig erläutern bzw. vertiefen?
Ohne die Hochdurchsatzsequenziertechnik mit entsprechend qualifizierter Bioinformatik ist eine Mikrobiomanalyse nicht möglich. Diese Technik hat den enormen Wissenszuwachs, derzeit über 65.000 Publikationen in gut zehn Jahren, erst ermöglicht.
Quelle: Universität Regensburg
Was erwarten Sie für die Zukunft? Gibt es Ansätze (Absichten, Tendenzen, etc.) in die „richtige“ Richtung?
Die technischen Möglichkeiten der Analytik entwickeln sich rasant weiter. Wir brauchen hier eine bessere Standardisierung der Analysen, Qualitätskontrollen und erhoffen uns immer größere „Leseweiten“ d.h. in einem Stück sequenzierbare DNA-Abschnitte, geringere Sequnzierfehlerraten und natürlich weiter sinkende Kosten der Untersuchungen. Besonders wichtig ist aber auch ein deutlich besseres Verständnis der funktionellen Zusammenhänge zwischen Mikrobiom und verschiedenen Erkrankungen, damit in Zukunft rationale neue Therapien entwickelt werden können.
Neben der Interdisziplinarität spielt auch die Frage nach der Internationalität eine wichtige Rolle. Wie sieht die Zusammenarbeit, die Kooperation, der Austausch in Forschung, Lehre und in der Praxis aus?
Die Mikrobiomforschung ist in besonderer Weise geprägt von zahlreichen bereits sehr gut etablierten internationalen Kooperationen, sowohl zwischen akademischen Institutionen wie Universitäten, aber zunehmend auch sehr zahlreichen Firmen. Der Austausch ist extrem intensiv, nicht nur über wissenschaftliche Publikationen sondern auch über Internetforen und mehr als ein Dutzend internationaler Kongresse zu Mikrobiom-Themen pro Jahr.
Danke für das Gespräch.
Profil:
Prof. André Gessner ist seit 2010 als Direktor des Instituts für medizinische Mikrobiologie und Hygiene an der Universität Regensburg tätig. 2015 wurde er zum Dekan für Forschung der medizinischen Fakultät ernannt. Seinen Forschungsschwerpunkt legt Prof. Gessner auf molekulare Infektionsimmunologie, Infektionskrankheiten und die Rolle der Mikrobiome bei Krankheiten. Er ist zudem zertifizierter leitender Experte und Gutachter für verschiedene Magazine und Wissenschaftsorganisationen wie der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).
27.09.2018