Palliativmedizin: Bundestagsbeschluss blendet wichtige Inhalte aus
Mit dem Beschluss des Gesetzes zum Assistenzpflegebedarf, das es Menschen mit Behinderung erlaubt, Hilfen ihres ambulanten Pflegepersonals auch während eines stationären Krankenhausaufenthalts in Anspruch zu nehmen, wurde auch die Aufnahme eines neuen Querschnittbereichs in das Medizinstudium beschlossen: Künftig gehört die Palliativmedizin zur Ausbildung für angehende Ärzte dazu.
Experten sehen diese Entscheidung jedoch kritisch: "Palliativmedizin ohne Schmerztherapie ergibt keinen Sinn" bringt es Prof. Dr. Rolf-Detlef Treede, Präsident der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V. (DGSS) auf den Punkt.
"Hier wurde die einmalige Gelegenheit vertan, ein Problemfeld umfassend in der Approbationsordnung zu verankern."
Ideale gegenseitige Ergänzung zweier Fachbereiche
"Der neue Querschnittbereich hätte 'Schmerztherapie und Palliativmedizin' heißen müssen", sagt der Schmerzspezialist der DGSS, die seit 2003 zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie (DGS) fordert, beide sich ergänzenden Fachgebiete im Rahmen eines Querschnittsbereichs zu lehren. Die DGSS hat bereits ein weltweit vorbildliches "Curriculum Schmerztherapie" von 15 Stunden Umfang aufgebaut, dessen Inhalte mit der Deutschen Gesellschaft für Anästhesie und Intensivmedizin (DGAI), der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), der Interdisziplinären Gesellschaft für orthopädische und unfallchirurgische Schmerztherapie (IGOST), der DGS und anderen Fachgesellschaften konsentiert sind. Das Curriculum wird inzwischen im Rahmen der Lehrfreiheit der Fakultäten an 19 deutschen Medizinfakultäten gelehrt und ist so ausgelegt, dass es einen halben Querschnittsbereich füllt. "Die andere Hälfte sollte idealerweise von der Palliativmedizin gestellt werden", verdeutlicht Prof. Treede. "Dadurch würde ein viel größeres Problemfeld gelöst, und die Umsetzung wäre aufgrund vorhandener Fachkompetenz leichter als bei der im Gesetz verankerten Einschränkung auf die Palliativmedizin."
Breite Unterstützung für die Verankerung eines gemeinsamen Querschnittbereichs
Unterstützung erfährt die Forderung nach einem gemeinsamen Querschnittbereich auch von der Bundesärztekammer und der "Koalition gegen den Schmerz", zu der neben DGSS, DGS und IGOST auch der Berufsverband der Schmerztherapeuten in Deutschland (BVSD), die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP), die Deutsche Schmerzliga und die Deutsche Gesellschaft für Versicherte und Patienten gehören. Schmerztherapie wurde erst im März 2009 vom Chief Medical Officer in England als eines von fünf Schwerpunktthemen der Gesundheitspolitik in England benannt. Zeitgleich wies Human Rights Watch darauf hin, dass Zugang zu Schmerzbehandlung ein Menschenrecht ist. Beide forderten, die Ausbildung in Schmerztherapie zu verbessern.
29.06.2009