Stressforschung

Für chronischen Stress verantwortliche Neuronen entdeckt

Max-Planck-Wissenschaftler identifizieren unbekannte Neuronen, die bei chronischem Stress aktiv werden. Stress gehört zu unserem Alltag. Werden Stress und Sorgen jedoch chronisch, so können sie Besorgnis erregende Krankheiten wie Depression und Angststörungen auslösen. Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Psychiatrie haben eine neue Population von Neuronen im Gehirn identifiziert, die verantwortlich für die Reaktion auf chronischen Stress ist.

Artwork by Ryuji Yamashita,
Artwork by Ryuji Yamashita,
Quelle: © gallerysway.com

Am Münchner Max-Planck-Institut für Psychiatrie beschäftigen Wissenschaftler sich mit der Frage, wie das Gehirn Stressoren in eine biologische Antwort umsetzt, um auf Stress angemessen zu reagieren. Nach jüngst im Fachmagazin Nature Neuroscience publizierten Studienergebnissen hoffen die Autoren, dass ihre außergewöhnlichen Erkenntnisse dazu beitragen, neue Behandlungsmöglichkeiten für stressbedingte Erkrankungen wie Depression und Angst zu entwickeln, die dann ansetzen, wenn chronischer Stress zur Erkrankung führt.

Für uns alle ist Stress Bestandteil des Alltags. Wir fühlen uns gestresst, wenn wir im Stau stehen oder wenn wir einen dringenden Abgabetermin einhalten müssen. Finanzielle Sorgen, Probleme am Arbeitsplatz oder Beziehungskonflikte lösen Stress aus. Der Körper reagiert darauf automatisch: Das Herz schlägt schneller, Blutzuckerspiegel und Blutdruck steigen, die Atmung beschleunigt sich. Auch im Gehirn spielen sich entscheidende Veränderungen ab: Furcht und Angst machen sich breit, die Konzentrationsfähigkeit und Gedächtnisleistung lassen nach, wir haben Heißhungerattacken oder gar keinen Appetit mehr. Diese Reaktionen bewirken, dass wir besser mit der Stresssituation umgehen können. 

Wenn Stress jedoch chronisch wird, wenn unser Körper ständig mit Stresssituationen fertig werden muss, reagiert das Gehirn nicht mehr angemessen. Die Folge können stressbedingte physische oder psychische Erkrankungen sein. 

Die hormonelle Reaktion auf Stress wird durch die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (HPA) reguliert, ein neuroendokrines System, das bei Stress aktiviert wird. Bestimmte Neuronen in einem Bereich des Hypothalamus geben den sogenannten Corticotropin freisetzenden Faktor (CRF) ab, der an die Rezeptoren in der Hormondrüse Hypophyse bindet. Dadurch wiederum wird die Freisetzung eines speziellen Hormons, des adrenokortikotropen Hormons ACTH, aus der Hypophyse in den Blutkreislauf stimuliert. Das ACTH bindet an die Nebennierenrinde und aktiviert die Synthese einer Klasse von Hormonen, der Glukokortikoide, genauer gesagt des Kortisol beim Menschen bzw. Kortikosteron bei Nagetieren. Glukokortikoide fungieren so als nachgeschaltete Auslöser für die Stressreaktion. Neben einer Vielzahl weiterer Aufgaben geben sie die wichtige negative Rückmeldung an die HPA-Achse, sich „abzuschalten“, wenn der akute Stress vorbei ist.

Nun haben die Forscher am Max-Planck-Institut für Psychiatrie herausgefunden, dass Glukokortikoide noch eine weitere Regulation bewirken. Sie haben eine bislang unbekannte Population von Neuronen im Hypothalamus entdeckt, die den CRF1- Rezeptor auf der Zelloberfläche tragen. „Das Interessante daran ist, dass diese Neuronen in diesem Bereich des Hypothalamus genau dann vermehrt Rezeptoren produzieren, wenn das Glukokortikoid-Niveau hoch ist, wenn die Stressreaktion des Körpers also bereits läuft“, sagt Assaf Ramot, Erstautor der Studie. „Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass es außer dem bekannten negativen Rückkopplungsmechanismus im HPA-System auch einen positiven Verstärkungsmechanismus gibt.“ Die Forschungsergebnisse führen damit zu einem neuen Verständnis der HPA-Achse.

Alon Chen, Direktor des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie und federführender Autor der Studie, ergänzt: „Darüber hinaus konnten wir zeigen, dass diese Population von Neuronen aktiver war, wenn wir Mäuse chronischem Stress ausgesetzt hatten als bei akutem Stress. Wir glauben, dass die betreffenden Neuronen lediglich bei chronischem Stress „rekrutiert“ werden.“

Quelle: Max-Planck-Institut für Psychiatrie 

16.02.2017

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