Patientenaufklärung
Zahlen und Zeichnungen fürs Verständnis
Wer sich einem neuroradiologischen, interventionellen Eingriff unterzieht, hat ein Anrecht darauf, über alle Facetten des Eingriffs lückenlos aufgeklärt zu werden. Was so selbstverständlich klingt, wird in der täglichen Routine oft lapidar gehandhabt. Kommt es jedoch zu Komplikationen, hat eine unzureichende Patientenaufklärung fatale Folgen für den behandelnden Arzt und das Krankenhaus.
Durch die Änderung des Patientenschutzgesetzes im vergangenen Jahr wurde das Anrecht der Patienten auf Informationen zu ihrer Behandlung weiter gestärkt. Wesentlicher Bestandteil der Gesetzesänderung ist die Aushändigung einer Kopie des Aufklärungsbogens an den Patienten. Aber was genau sollte dieser Aufklärungsbogen umfassen? Prof. Dr. Ansgar Berlis, Chefarzt für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie an der Klinik für Diagnostische Radiologie und Neuroradiologie am Klinikum Augsburg: „Zunächst müssen die formalen Aspekte erfüllt sein, also die Datumsangabe sowie die Unterschriften des Arztes und des Patienten. Ferner muss erkennbar sein, wer das Aufklärungsgespräch geführt hat. Denn der Gesetzgeber sieht vor, dass nur Ärzte mit einer nachweisbaren Fachkenntnis den Patienten aufklären dürfen. Um Zweifel auszuräumen, ist es also ratsam, dass der behandelnde Arzt auch das Gespräch führt.“
Keine Bagatellisierungen
Inhaltlich muss das Aufklärungsgespräch alle Aspekte eines Eingriffs aufgreifen. Und zwar so, dass der Patient diese nachvollziehen kann. Dazu gehört beispielsweise, ob es sich um einen rein diagnostischen oder einen therapeutischen Eingriff handelt. Ganz wichtig ist die Darlegung der potenziellen Risiken eines Eingriffs, auch wenn diese statistisch gering sind. „Auf keinen Fall dürfen die Risiken gegenüber dem Patienten heruntergespielt werden. Im Gegenteil sollten diese anhand sehr konkreter, wissenschaftlich belegter Zahlen dokumentiert werden“, so Ansgar Berlis. Ein Beispiel: Selbst bei einem Routine-eingriff wie der diagnostischen Gefäßdarstellung sollte vermerkt werden, dass der Patient über das 0,3- bis 0,5-prozentige Risiko von neurologischen Ausfällen oder Blutungen in der Leiste oder im Bauchraum informiert ist. „Idealerweise stellt man das Risiko eines Eingriffs dem des Nichthandelns gegenüber. Denn, das ist ein weiterer wichtiger Punkt, der Patient muss über mögliche Alternativen zu einer Therapie aufgeklärt werden und die Möglichkeit haben, diese Alternativen gegeneinander abzuwägen“, ergänzt der Neuroradiologe.
Als hilfreich für das Verständnis der Patienten, aber auch für die Dokumentation der Aufklärung erweisen sich kleine, schematische Zeichnungen, die den Ablauf der geplanten Intervention skizzieren. Denn generell gilt: Es muss erkennbar sein, dass sich ein Arzt Zeit für das Aufklärungsgespräch
genommen hat. Kurze Schlagworte wie „Risiko: Schlaganfall“ gelten im
Zweifelsfall als unzureichende Aufklärung – mit entsprechenden juristischen Konsequenzen.
Vordrucke können Fehler vermeiden
Eine offizielle Checkliste für eine fehlerfreie Patientenaufklärung gibt es nicht. Allerdings bieten viele Verlage medizinischer Fachliteratur Vordrucke an, die beispielsweise bereits die häufigsten Komplikationen auflisten. „Die Verwendung solcher Vordrucke ist kein Muss und viele Ärzte verzichten auf den Gebrauch. Kommt es zu juristischen Problemen, hat man mit einer frei erstellten Dokumentation allerdings häufig die schlechteren Karten“, weiß Ansgar Berlis. Zur besonderen Sorgfalt rät er übrigens beim Einsatz neuer Verfahren – in der Interventionellen Neuroradiologie keine Seltenheit. „Zum einen muss ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass es sich um ein neues Verfahren handelt, und es müssen die alternativen Methoden aufgezeigt werden. Zum anderen muss sehr sorgfältig mit den Risikoangaben umgegangen werden.“
In Notfällen kann auf den schriftlichen Aufklärungsbogen übrigens verzichtet werden, hier reicht die mündliche Darlegung der Risiken. Allerdings – so die abschließende Empfehlung von Ansgar Berlis – sollte der Arzt einen schriftlichen Vermerk über das Aufklä-rungsgespräch anfertigen.
PROFIL:
Seit Mai 2008 ist Prof. Dr. Ansgar Berlis Chefarzt für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie an der Klinik für Diagnostische Radiologie und
Neuroradiologie am Klinikum Augsburg. Außerdem hat er einen Lehrauftrag in Freiburg. Vorher arbeitete er acht Jahre als Oberarzt in der Neuroradiologie des Universitätsklinikums Freiburg und war Leiter der Interventionellen Neuroradiologie. Diese Position folgte auf die radiologische Ausbildung am Universitätsklinikum Bonn, nach der Tätigkeit in der Neuro-radiologie und Neurochirurgie am Universitätsklinikum Freiburg. Prof. Berlis’ wissenschaftlicher Schwerpunkt in der Neuroradiologie ist die Behandlung von Schlaganfällen, Aneurysmen und arteriovenösen Fehlbildungen.
28.11.2014