Berlin bleibt weiter führend

Infektiologie in Deutschland

Die Welt rückt näher zusammen. Das merken wir leider nicht nur an weltumspannenden Kontakten. Infektionskrankheiten, die es sonst zum Beispiel nur in Afrika gab, treten nun in Europa auf. So kamen mit der Ebola-Epidemie auch in Deutschland Menschen mit dem Verdacht auf die schwere Erkrankung in die Klinik. Es scheint somit, dass die Neueröffnung eines neuen S4-Hochsicherheitslabors am Robert-Koch-Institut zur richtigen Zeit erfolgt. Wir haben bei Prof. Norbert Suttorp, Leiter der Medizinischen Klinik für Infektiologie und Pneumologie an der Charité - Universitätsmedizin Berlin, nachgefragt.

Interview: Simone Ernst

Prof. Norbert Suttorp
Prof. Norbert Suttorp
Quelle: privat

Herr Prof. Suttorp, warum gibt es derzeit nur einen Lehrstuhl für Infektiologie in Deutschland?

Das ist historisch bedingt. In den USA hat jede Uniklinik, jedes Krankenhaus der Maximalversorgung eine Abteilung für „Infectious Diseases“. Das gibt es in Deutschland so nicht. Bei uns werden Infektionskrankheiten von einzelnen Fachärzten betreut, z.B. vom Kardiologen, Pneumologen oder Kinderärzten. Darüber hinaus gibt es Mikrobiologen, die Erreger im Labor untersuchen. Diese habe vielfach auch eine Beraterfunktion für Kliniker im Hinblick auf Antibiotikagabe. Es gibt also eine traditionelle Zweiteilung, die sich aber langsam auch in Deutschland ändert.

Wie wird man Infektiologe?

In der Regel sind es Fachärzte für Innere Medizin oder Pädiatrie, die eine Zusatzausbildung in Infektiologie erwerben. In Deutschland gibt es in der Inneren Medizin 22 zertifizierte Zentren, die bestimmte Strukturvorgaben erfüllen, um anerkannt zu werden. Dort arbeiten Infektiologen, die auch selber weiterbilden. Es werden also durchaus Infektiologen ausgebildet, aber es sind zu wenige, um zum Beispiel die korrekte Verschreibung von Antibiotika in allen großen Krankenhäusern zu regeln.

Ganz in der Nähe der Charité wurde ein neues S4-Hochsicherheitslabor am Robert-Koch-Institut gebaut, in dem mit hochansteckenden Erregern gearbeitet wird. Wofür braucht Deutschland ein solches Labor?

Es gibt zwar bereits zwei weitere solcher Einrichtungen in Deutschland, doch ich halte den Bau hier in Berlin für richtig und sehr sinnvoll. Denn das Labor am RKI wird vom Bund betrieben und kann ganz wichtige und komplexe Fragestellungen angehen. Denken Sie an den Ebola-Ausbruch, der die ganze Welt beschäftigt hat. Es gibt zahlreiche weitere medizinisch bedeutsame Pathogene, die nur unter S4-Bedingungen analysiert werden können.

Werden Sie das Labor auch für Ihre eigene Forschung nutzen?

Wir arbeiten mit dem Robert-Koch-Institut eng zusammen und haben aktuell gemeinsame Interessen im Bereich Influenza und Ebola. Für das bessere Verständnis von schwerwiegenden Infektionskrankheiten wie Ebola sowie zur besseren Diagnostik und Therapie ist es sehr positiv, wenn man unter S4 Bedingungen in-vitro- Versuche sowie Tierversuche durchführen kann. Von spezieller Bedeutung ist der Umstand, dass wir Infektions-Patienten unter S4-Bedingungen auf unserer Seuchenstation behandeln. Dann können wir die kurzen Wege nutzen, um Proben der Patienten hinsichtlich zahlreicher Fragestellungen im S4-Labor zu analysieren. Auch kann man in dem neuen großen S4-Labor Forschung betreiben, die zum Beispiel in Afrika nicht möglich ist, weil dort die Infrastruktur oder die Ressourcen fehlen. Für die Infektionsforschung ist das neue S4-Labor des RKI auf jeden Fall ein Geschenk des Himmels.


Mehr zur Eröffnung des S4-Hochsicherheitslabors am RKI finden Sie hier:

The S4 laboratory
 

PROFIL:

Norbert Suttorp wurde 1953 in Lüdinghausen/Westfalen geboren. Er studierte Medizin in Münster und Gießen und promovierte im Jahr 1979. Als post-doc Research Fellow arbeitete er bis 1982 an der Stanford Universität in Palo Alto, Kalifornien, USA. Im Jahr 1990 schloß er sowohl seinen Facharzt für Innere Medizin als auch seine Habilitation ab. Es folgte eine C3-Stiftungsprofessur des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft. Seit 1999 ist Prof. Dr. med. Norbert Suttorp Lehrstuhlinhaber des einzigen deutschen Lehrstuhls für Infektiologie an der Charité sowie Leiter der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie der Charité, Universitätsmedizin Berlin.

27.07.2015

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