3D-Darstellungen von Low-Dose Untersuchungen (Volume-rendered; VRT)
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Artikel • Kardio-Diagnostik

Herz-CT: eine Eier legende Wollmilchsau

Der Computertomographie des Herzens stehen große Zeiten bevor. Radiologen sollten sich intensiv mit diesem Verfahren auseinandersetzen, das bei der kardialen Diagnostik immer mehr an Bedeutung gewinnt.

Bericht: Michael Krassnitzer

portrait of Fabian Bamberg
Professor Fabian Bamberg

„Die Herz-CT hat in den letzten Jahren eine phänomenale technische Entwicklung vollzogen“, erklärt Prof. Dr. Fabian Bamberg, Ärztlicher Direktor der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Freiburg. Es handle sich um ein sehr robustes Verfahren, mit dem in der Routine sehr nebenwirkungsarm sehr hoch aufgelöste Bilder akquiriert werden können. Über die rein morphologischen Informationen und die hohe Evidenz hinaus bietet die Herz-CT mittlerweile sogar die Möglichkeit, funktionelle Informationen zu gewinnen sowie Information über die Komposition der Plaques, die zur Verstopfung von Koronargefäßen führen oder rupturieren können. „Wir haben es mit einer Eier legenden Wollmilchsau zu tun“, schmunzelt Bamberg und bringt damit zum Ausdruck, dass die Herz-CT allen Ansprüchen genügt. „Derzeit akquirieren wir routinemäßig mit einer Strahlendosis von ein bis zwei Millisievert und wenn man sich anstrengt, kann man auch deutlich unter den Wert von einem Millisievert kommen“, ergänzt er: „Für ein Verfahren, das in Zukunft noch breiter eingesetzt werden wird, ist das natürlich eine gute Grundlage.“

Während die Strahlenbelastung auf einen immer tieferen Wert sank, stieg der Evidenzgrad steil nach oben. „Evidenz ist etwas, womit wir früher in der Radiologie nicht so viel zu tun hatten“, erzählte Bamberg bei einem Vortrag auf dem Wiener Radiologischen Symposium (5. bis 7. 11. 2020). Mittlerweile aber gibt es eine Reihe von randomisierten kontrollierten Studien, die der Herz-CT einen hohen Evidenzgrad attestieren, etwa die ROMICAT-Studie, an der Bamberg beteiligt war.

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Digital nachbearbeite Darstellung von einem Gefäß (curved Multiple Planar reformats) der linken Herzkranzarterie welches keine Veränderungen im Sinne von Plaque oder Stenzen darstellt. Die Untersuchungsdosis betrug bei diesem 54-jährigen Patienten nur 0,6 mSv

Eine weitere Studie, die der Herz-CT Aufwind gibt, ist der SCOT-HEART-Trial. Dieser beruht auf den Daten von rund 4.000 Patienten mit Chronischem Koronarsyndrom, wie die stabile Angina pectoris neuerdings genannt wird. Bei der einen Gruppe von Patienten wurde die Standardabklärung in Form einer Herzkatheteruntersuchung durchgeführt, bei der anderen Patientengruppe wurde zur Diagnose sowohl Standardabklärung als auch CT-Angiographie (CTA) herangezogen. Das Ergebnis: Bei jenen Patienten, bei denen auch die CTA durchgeführt wurde, kam es deutlich weniger oft zu einem Herzinfarkt und auch die Mortalität lag signifikant unter der Sterblichkeit jener Patienten, die eine Herzkatheteruntersuchung allein erhalten hatten. „Die CTA wird die invasive Koronarangiographie nicht ersetzen, aber die Zahl der rein diagnostischen Herzkatheteruntersuchungen wird künftig wohl zurückgehen, dafür der Anteil der Interventionen ansteigen“, ist Bamberg überzeugt. 

Auch das Ergebnis der ISCHEMIA-Studie dürfte eine weitere Aufwertung der Herz-CT mit sich bringen. In dieser großen randomisierten Studie wurden die beiden existierenden Behandlungsmöglichkeiten des Chronischen Koronarsyndroms miteinander verglichen. Es stellte sich heraus, dass eine invasive Koronarangiographie keinen Vorteil gegenüber einer alleinigen medikamentösen Therapie aufweist – sofern zuvor eine Hauptstammstenose ausgeschlossen wurde. Und womit wird eine solche Verengung des Hauptstammes der linken Koronararterie ausgeschlossen? Richtig, mit einer Herz-CT. „Wenn wir in der Lage sind, eine Hauptstammstenose mittels Herz-CT auszuschließen, brauchen die verbleibenden koronaren Veränderungen eigentlich nicht mehr mittels Stent behandelt zu werden, sondern es genügt eine medikamentöse Therapie“, bringt es Bamberg auf den Punkt. Kein Wunder, dass die ISCHEMIA-Studie unter Kardiologen hoch kontrovers diskutiert wird. „Diese Studie macht nochmal deutlich, welches Potenzial in der Kardio-CT steckt“, bekräftigt er: „Daher sollten wir Radiologen – egal ob in Praxen, städtischen Krankenhäusern oder universitären Einrichtungen – uns intensiv mit diesem Thema beschäftigen.“

Die allerbeste Möglichkeit um eine hämodynamisch relevante Stenose zu erkennen, besteht in der Kombination der Informationen aus CTA, CT-FFR und CT-Perfusion

Fabian Bamberg

Bamberg nennt zwei weitere Punkte, um das Potenzial der Herz-CT noch weiter hervorzuheben. Zum einen ist es seit Kurzem möglich, im CT zu zeigen, wie sich der myokardiale Blutfluss gestaltet. Bei der dynamischen Perfusionsmessung werden sequenzielle Aufnahmen des Myokards akquiriert. Diese kann auch unter Adenosin-Stress durchgeführt werden, so dass sich sogar die Durchblutung des Herzmuskels unter pharmakologischer Belastung darstellen lässt. Zum anderen lässt sich mittels CT auch die fraktionelle Flussreserve (CT-FFR) darstellen, ein seit Langem etabliertes Maß in der Kardiologie. Dynamische kardiale Perfusionsmessung und CT-FFR lassen sich gut kombinieren, weiß Bamberg: „Die allerbeste Möglichkeit um eine hämodynamisch relevante Stenose zu erkennen, besteht in der Kombination der Informationen aus CTA, CT-FFR und CT-Perfusion.“ Der Computertomographie des Herzens steht also eine große Zukunft bevor.


Profil:

Prof. Dr. Fabian Bamberg ist Ärztlicher Direktor der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Freiburg. Der Radiologe, der sein Medizinstudium und seine fachärztliche Ausbildung an der Medizinischen Hochschule Hannover, der Universität Witten-Herdecke und der Harvard Universität in Boston, USA, absolvierte, schloss zunächst eine akademische Karriere in den USA an und war unter anderem Co-Direktor des „Cardiovascular CT Core Lab“ des Massachusetts General Hospital der Harvard Medical School. Danach arbeitete er am Institut für Klinische Radiologie der Ludwig-Maximilians-Universität in München und als stellvertretender Ärztlicher Direktor der Radiologie am Universitätsklinikum Tübingen. In seinen Forschungsarbeiten interessiert ihn besonders die Sicherheit und Genauigkeit der bildgebenden Verfahren und ihr Einfluss auf die medizinische Behandlung sowie die Kosten-Nutzen-Analysen der diagnostischen Verfahren.

15.12.2020

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