Dachzeile 6 radiologia bavarica2015 Mehr als die Summe ihrer TeileGegenwart und Zukunft der PET/MR Der vielfach ausgezeichnete Nuklearmediziner und Radiologe Prof. Dr. Ambros Beer ist seit Februar 2014 Ärztlicher Direktor der Klinik für Nuklearmedizin am Universitätsklinikum Ulm, wo er sich intensiv mit der Forschung und Weiterentwicklung moderner molekularer Bildgebung und Therapieverfahren beschäftigt. Zuvor hat der 42-Jährige an der Technischen Universität München in der Klinik für Nuklear- medizin (Direktor Prof. Dr. Markus Schwaiger) mit dem ersten simultanen Ganzkörper-PET/ MR-System gearbeitet, das 2010 installiert und im Rahmen einer Großgeräteinitiative der DFG finanziert wurde. Er habilitierte an der Medizi- nischen Fakultät der TU München für das Fach Nuklearmedizin mit dem Thema „Moderne Techniken der Bildgebung zur morphologi- schen und biologischen Charakterisierung von Malignomen“. fahren jetzt in einem Gerät zur Verfügung ste- hen. Auch in Bezug auf die ganz Kleinen, bei denen man dadurch gegebenenfalls nur noch eine statt zwei Narkosesitzungen benötigt.“ Für die Zukunft erhofft man sich mit der simultanen Bildgebung aus PET und MRT jedoch noch viel weiter zu gehen. Denn die MRT ist zu sehr viel mehr in der Lage als zur rein anatomischen Bildakquise. Mithilfe von erweiterten MR-Techniken wie Perfusions- bildgebung, DWI oder Spektroskopie kön- nen funktionelle Messungen vorgenommen werden, die Aufschluss über physiologische Abläufe im Gewebe geben. Zurzeit wird des- halb auf Forschungsebene daran gearbeitet, die Signale aus PET und MRT miteinander zu kombinieren, um noch tiefere Einblicke in dieTumorbiologiezuerhalten.„Daswäredann wirklich Bildgebung als neuer Biomarker“, er- klärt Dr. Beer, „das heißt, man könnte unter Umständen besser abschätzen, wie aggressiv ein Tumor ist oder die Information zur Biop- sieplanung verwenden. Für die histologische Erstabklärung stellt es häufig ein Problem dar, wenn Tumoren sehr heterogen sind. Dann kann es vorkommen, dass man eine Gewe- beprobe entnimmt, die nicht repräsentativ ist, weil der aktivste Tumoranteil gar nicht erfasst wurde.DieneuartigeMethodekönntealsoim Rahmen der Biopsieplanung helfen, die Pro- be aus dem aktivsten Herd zu entnehmen. Sie könnte aber auch zur frühen Beurteilung des Tumoransprechens auf die Therapie oder zur Therapieplanung eingesetzt werden.“ Entscheidender Faktor bei der Frage, ob sich die PET/MR-Hybridtechnologie auf breiter Basis durchsetzen kann oder nicht, sind jedoch die Kosten. Bislang stehen die neuartigen Kombinationstomographen fast ausschließlich in Universitätskliniken und ForschungseinrichtungenzurVerfügung.Beer dazu: „Ich denke, der große Durchbruch wird kommen, wenn die Forschungsergebnisse den eindeutigen Beweis erbracht haben, dass die Technik einen wirklichen klinischen Mehr- wert hat, und gleichzeitig die Gerätepreise sinken.“ Aktuell kommt jedoch Bewegung in den Markt, denn nachdem der Biograph mMR von Siemens lange Zeit der einzige PET/MR-Scanner am Platz gewesen ist, be- lebtdieEinführungdesSIGNAPET/MRvon GE seit Anfang des Jahres das Geschäft um die Hightech-Geräte neu. W enn es um die Zukunft der Bildge- bunggeht,dannstelltdieFusionver- schiedener Modalitäten aktuell den größten Trend dar. Denn eines ist klar: Die Kombination aus morphologischer, funktio- nellerundmolekularerBildgebungergibtmehr als die Summe ihrer Einzelteile und hat somit enormes diagnostisches Potenzial. Während die PET/CT bereits weite klinische Verbrei- tung findet, insbesondere in der Diagnostik onkologischer, entzündlicher und neurode- generativer Erkrankungen, steht die PET/MR noch an der Schwelle zwischen Wissenschaft und Praxis. Prof. Dr. Ambros Beer, Ärztlicher Direktor der Klinik für Nuklearmedizin am UniversitätsklinikumUlm,gibteineÜbersicht, wo die PET/MR gerade steht und wo sie sich hinentwickeln könnte. „Eine kombinierte PET/MR-Technologie bietet nicht nur aus logistischer Hinsicht Vor- teile, weil man dadurch zwei verschiedene Bildgebungen in einem Untersuchungsgang durchführen kann, sondern ermöglicht eine sehr viel bessere Überlagerung der Bilder in atemverschieblichen Organen im Brust- und Bauchbereich im Vergleich zu Bildern, die an getrennten Geräten generiert und später fu- sioniert werden“, sagt der Nuklearmediziner, „dadurch können zum Beispiel die Läsionen anatomisch besser zugeordnet und gegebe- nenfalls differentialdiagnostisch besser ein- geordnet werden. Dabei ist die MRT durch ihren hohen Weichteilkontrast in Körperregi- onen wie zum Beispiel dem Becken oder dem Gehirn der CT überlegen.“ Hauptindikationen, bei denen die PET/ MR bereits heute auf dem Gebiet der kli- nischen Onkologie Einzug gehalten hat, um- fassendieDiagnostikvonProstatakarzinomen, HNO- und Hirntumoren sowie in der Kin- derradiologie. „Gerade bei jungen Patienten versucht man, wann immer es möglich ist, auf die Strahlenexposition der Computertomogra- phie zu verzichten“, betont Dr. Beer, „in der Kinderonkologie ist es häufig so, dass Kinder eine Ganzkörper-MRT und eine PET-Unter- suchung bekommen. Insofern ist es gerade im pädiatrischen Bereich erfreulich, dass die Ver- Molekulare Bildgebung Abb. 1: Aufnahme einer Leber mit Krebserkrankung. Abb. 2: Darstellung des Gehirns nach erfolgreicher Tumorbehandlung. Veranstaltungshinweis: Raum: Karajan-Saal Freitag, 2. Oktober 2015, 11:30–11:50 Uhr PET/MR A. Beer, Ulm/Österreich FFF 2 – Innovative Techniken in der Onkologie Lungenkrebsscreening ist in Deutschland nicht in Sicht nung bislang nicht als Indikation. An dieser Situation wird auch das Whitepaper erst ein- mal nichts ändern“, so Diederich. Bremsende Faktoren „Zwar ist auch in Deutschland die theore- tische Erkenntnis vorhanden, dass ein prä- ventives Screening unter klar beschriebenen Bedingungen sinnvoll sein könnte, aber für die praktische Umsetzung fehlt die Freigabe des Bundesumweltministeriums, das als Ge- setzgeber hier zuständig wäre“, so Diederich. Schon vor Jahren haben die Deutsche Rönt- gengesellschaftunddieDeutscheGesellschaft fürPneumologieentsprechendeStatementsfür Lungenkrebsscreeningspubliziert.VieleOrga- nisationen befürworten ein Konzept , bei dem Hochrisikoraucher eingeladen werden oder sich anmelden können und das dann vernünf- tigwissenschaftlich-epidemiologischbegleitet wird, um zu schauen, ob in Deutschland ähn- liche Ergebnisse zu erzielen sind. „Hier stehen wir vor dem Problem der Ko- stenübernahme“, erklärt der Radiologe, „die Ministerien waren der Auffassung, dass die Krankenkassen die Kosten der CT-Untersu- chungen übernehmen sollten, diese sahen sich abernichtinderLage,dieentsprechendenMit- tel selbst zur Verfügung zu stellen.“ Zwar sa- ßenbeiBeratungsgesprächendieVertreter der E in von der European Society of Radiolo- gy (ESR) und der European Respiratory Society (ERS) kürzlich herausgegebenes Whitepaper bekräftigt die potenzielllebensret- tende Auswirkung der Detektion von Lungen- krebsimFrühstadiummithilfeeinesLow-Dose- CT-Lungenscreenings bei starken Rauchern. In Deutschland wird das präventive Lungen- screening nach wie vor kontrovers diskutiert. Seine Umsetzung scheitert vor allem an einer fehlenden Gesetzgebung und auch deshalb, weil kleinere Studien in Europa zum Teil das GegenteilderamerikanischenNLST-Studiezu beweisen scheinen, wie Prof. Dr. Stefan Diede- rich, Chefarzt des Instituts für Radiologie am MarienHospitalDüsseldorf,zuberichtenweiß. „320 Screenings retten einen Patienten“ Laut Whitepaper von ESR und ERS sind die Zahlen eindeutig: Präventive Lungenscree- nings bei aktiven Rauchern retten Leben. „Weltweit gibt es zahlreiche Empfehlungen, sol- cheLungenscreeningsdurchzuführen“,berich- tetDiederich.Deutschlandsprichtkeinesolche Empfehlung aus. „Das Problem ist, dass alle positivenZahlenvoneinereinzigenStudieher- rühren, nämlich dem amerikanischen ‚Natio- nal Lung Screening Trial‘. Die Empfehlungen für das Screening der Lunge stammen alle aus Ländern,diekeineRöntgenverordnunghaben, wie es in Deutschland der Fall ist.“ Laut die- ser dürfen asymptomatische Menschen nicht geröntgt werden, was es schwierig macht, eine ZwischenstufezwischenoffiziellemScreening- programmwiebeiderMammographieundder symptomorientiertenBildgebungeinzuziehen. „Unsere Gesetzgebungs- und Kontrollinstituti- onen akzeptieren eine individuelle Früherken- Cumulative Numbers of Lung Cancers and of Deaths from Lung Cancer The number of lung cancers (Panel A - left) includes lung cancers that were diagnosed from the date of randomization through December 31, 2009. The number of deaths from lung cancer (Panel B) includes deaths that occurred from the date of randomiza- tion through January 15, 2009. PMC full text: N Engl J Med. Author manuscript; available in PMC 2015 Mar 11. Published in final edited form as: N Engl J Med. 2011 Aug 4; 365(5): 395–409. Published online 2011 Jun 29. doi: 10.1056/NEJMoa1102873a