Technik II

Aneurysmen aus dem 3D-Drucker

Intrakranielle Aneurysmen stellen abhängig von Größe oder Morphologie ein Risiko dar. Eine Möglichkeit der Behandlung bieten endovaskuläre Verfahren. Gerade komplexe Aneurysmen erfodern allerdings ein hohes Maß an Planung. Das Universitätsklinikum Eppendorf arbeitet daher gemeinsam mit der Technischen Universität Hamburg-Harburg an dem Projekt Aneurysm Like Synthetic bodies for Testing Endovascular devices in Reality (ALSTER), in dem dreidimensionale Gefäßmodelle hergestellt werden. Operationen können mit diesen Modellen vorab simuliert werden. Das Projekt ist aber nicht nur für die Behandlung von Aneurysmen bedeutend, wie Prof. Dr. Jens Fiehler (UKE) und Prof. Dr.-Ing. Dieter Krause (TUHH) erklären.

Interview: Melanie Günther

Coiling eines 3D-Aneurysmamodells
Coiling eines 3D-Aneurysmamodells
Quelle: TUHH

Herr Prof. Fiehler, der 3D-Druck als Verfahren in der Medizin ist nicht neu. Welches Potenzial bietet es der interventionellen Radiologie insbesondere auf dem Gebiet der Behandlung von Hirnarterienaneurysmen?

Fiehler: Es gibt bereits verschiedene Verfahren, wie Coiling, Flow Diverter oder Flow Disruptor, um Aneurysmen auf dem Gefäßweg zu behandeln. Der Einsatz dieser Techniken erfordert insbesondere bei komplexen Aneurysmen ein hohes Maß an Planungssicherheit und unterliegt patientenspezifischen Herausforderungen. Das Hauptpotenzial des 3D-Drucks ist, dass wir im Vorfeld ein Gefäßmodell erzeugen können, um diese Verfahren in einem realitätsnahen Umfeld auszuprobieren.

Herr Prof. Krause, wie wird ein Aneurysma mit Hilfe des 3D-Druckers hergestellt? Welche Vorbereitungen sind nötig?

Krause: Der Prozess beginnt mit den CT-Daten. Diese Aufnahme erfasst das Aneurysma dreidimensional. Sie werden über ein bestimmtes Austauschformat in ein CAD-System übergeben. Im CAD-System können wir dann daraus ein Aneurysmenmodell entwickeln und bearbeiten. Das heißt, gewisse Modifikationen können vor dem Druck durchgeführt werden. Wir können beispielsweise Schlauchanschlüsse modellieren, um den Durchfluss zu messen. Dieses modizifierte Modell wird dann wiederum ausgeleitet in ein spezielles STL-Format (STereoLithography), das ein 3D-Drucker lesen kann. Wir drucken das künstliche Aneurysma im Maßstab 1:1. Das heißt mit Schlauchanschlüsssen sind die Modelle dann drei bis vier Zentimeter lang.

Um ein Aneurysma modellieren zu können, spielt auch das Material eine wichtige Rolle.

Krause: Ja, allerdings besteht unsere Zielsetzung nicht darin, Arterieneigenschaften exakt abzubilden. Der Mikrokatheter wird über die Leistenarterie in den Aneurysmasack eingeführt. Diesen Vorgang können wir mit unserem Modell entsprechend simulieren. Wir müssen die Eigenschaften nur insoweit abbilden, dass die gleichen Bedingungen wie bei einer OP herrschen. Während der Prozessentwicklung hieß das für uns darauf zu achten, dass die Oberflächen der Modelle glatt sind, damit der Draht entsprechend daran entlang gleiten kann. Die Wand muss daher eine gewisse Elastizität aufweisen. In diesem Zusammenhang haben wir systematisch die unterschiedlichen generativen Fertigungsverfahren getestet. Außerdem war es wichtig, die Modelle durchsichtig zu gestalten. Der Arzt kann dann den Draht sehen, ohne dass Röntgenstrahlung notwendig ist.

Gibt es noch weitere potenzielle Anwendungsmöglichkeiten?

Fiehler: Ich denke, die viel entscheidenderen Möglichkeiten liegen in der Anwendung in der Lehre und der Entwicklung von Materialien. Das Aneurysma kann natürlich auch im vergrößerten Maßstab gedruckt werden, beispielweise als Lehrmodell. Angehende Ärzte können so ein Gefühl für die Materialien und den Ablauf des Verfahrens entwickeln. Wir bekommen häufig neue Materialien, weil die Entwicklung hier rasant läuft. Diese lassen sich dann an solch einem Modell in einer patientenrealistischen Umgebung testen. Ein weiteres Anwendungsgebiet betrifft die Analyse bei Therapieversagen. Komplikation können anhand des Modells rekonstruiert werden. Diese Anwendung ist wichtig, um in Zukunft mit maximaler Sicherheit arbeiten zu können. Der Erkenntnisgewinn steht hier im Vordergrund. Als Nebeneffekt ergibt sich natürlich auch, dass mit einem Aneurysma aus dem 3D-Drucker Tierversuche vermieden werden. Das ist eine Sache, die uns hier sehr am Herzen liegt.

Wie steht es um den akutellen Stand des Projektes?

Krause: Es wurden bereits eine Vor- und eine Machbarkeitsstudie durchgeführt. Dabei wurde festgestellt, dass das haptische Gefühl nicht realistisch genug ist. Die Modelle waren im Inneren zu glatt. Sie zu ändern, stellt kein Problem dar. Außerdem haben wir die Prozesskette aufgezeigt, die für den Druck eines Aneurysmas nötig ist. Diese gilt es nun zu automatisieren, sozusagen ein Push-to-Button-Verfahren zu etablieren, damit die Daten automatisch übertragen werden.

Des Weiteren haben wir festgestellt, dass wir eigentlich mit dem individuellen Aneurysma nur den Kern entwickelt haben, um ein Operations- bzw. Trainingsmodell zu schaffen. Daher würden wir gern ein komplettes Operationsmodell schaffen. Daraus hat sich ein Folgeprojekt ergeben, um die Operationsumgebung möglichst realistisch abzubilden. Das primäre Ziel ist es dabei, ohne Röntgenstrahlen arbeiten zu können. Den Antrag haben wir bereits beim Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eingereicht.

 

PROFIL:
Prof. Dr.-Ing. Dietmar Krause ist Leiter des Instituts für Produktentwicklung und Konstruktionstechnik an der Technischen Universität Hamburg-Harburg und Projektleiter von ALSTER. Prof. Dr. med. Jens Fiehler ist Direktor der Klinik und Poliklinik für Neuroradiologische Diagnostik und Intervention am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.

 

14.05.2015

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