Mehr sehen als nur die Spitze des Eisbergs

Raumforderungen im Larynx und Pharynx wachsen mit Vorliebe in die Tiefe. Deshalb ist eine adäquate Beurteilung und Therapie von Tumoren im HNO-Bereich ohne radiologische Diagnostik schier unmöglich. Denn was dem Kliniker mit dem Endoskop verborgen bleibt oder nur eingeschränkt sichtbar ist, das offenbart sich dem Radiologen mit den Mitteln der Schnittbildgebung in seinem ganzen Ausmaß.

Kontrastmittelverstärkte CT-Aufnahme eines Patienten mit einem Kehlkopftumor...
Kontrastmittelverstärkte CT-Aufnahme eines Patienten mit einem Kehlkopftumor (Pfeile)

Welche entscheidenden Hinweise das Infiltrationsmuster für die Therapie liefert und warum das CT die Bildgebungsmodalität der ersten Wahl ist, erläutert Prof. Dr. Martin G. Mack, Stellvertretender Direktor am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Geschäftsführender Oberarzt am Universitätsklinikum Frankfurt, auf dem 7. Internationalen CT Symposium.

Nirgendwo sonst im Körper befinden sich so viele lebensnotwendige Strukturen auf kleinstem Raum wie im Kopf-Hals-Bereich. „Hier entscheiden oft ein oder zwei Millimeter darüber, ob ein Patient operiert werden kann oder nicht“, berichtet Prof. Mack. „Wie tief der Tumor also in das Gewebe reinwächst und in welche Richtung, sind zentrale Fragestellungen für die Therapieentscheidung. Auch unter dem Aspekt, dass jede Behandlungsverzögerung bei malignen Erkrankungen wertvolle Lebenszeit des Patienten kosten kann. Deswegen sind diagnostische Hilfestellungen aus der Radiologie im Bereich des Larynx und Pharynx besonders wichtig, aber auch höchst anspruchsvoll.“

In 90 % der Fälle handelt es sich bei Krebserkrankungen im Larynx/Pharynx um ein Plattenepithelkarzinom, das vor allem mit Hochrisikofaktoren wie starkem Rauchen und Alkoholmissbrauch einhergeht. Daneben gibt es eine Vielzahl weiterer, jedoch seltenerer Tumorarten: zum Beispiel ausgelöst durch eine HPV-Infektion, genetische Prädispositionen, spontanes Wachstum oder auch durch das langjährige Einatmen von Buchenstaub am Arbeitsplatz.

Plattenepithelkarzinome gehören zu den typischen Zufallsbefunden, die entweder bei einem Zahnarztbesuch entdeckt werden oder sich erst durch Symptome wie Schluckbeschwerden, Atemprobleme oder Schmerzen bemerkbar machen.
Wurde ein Karzinom erkannt, dann steht eine große Auswahl an fortschrittlichen Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Diese reichen von laser- über mikrochirurgische Techniken bis hin zur Chemo- und Strahlentherapie. Für welches Verfahren sich das Ärzteteam im Tumorboard letztendlich entscheidet, ist maßgeblich vom radiologischen Befund abhängig. Durch endoskopische Bildgebungsverfahren oder klinische Untersuchungen allein ist die Ausdehnung des Tumors dagegen überhaupt nicht einzuschätzen. „Es ist wie mit dem berühmten Eisberg: Nur die Spitze, die aus der Oberfläche herausragt, ist für das Auge sichtbar. Der größte Teil liegt im Verborgenen. Deswegen bekommt jeder Patient mit einer Raumforderung im HNO-Bereich eine radiologische Untersuchung – entweder im CT oder MRT“, betont Mack.

Nicht selten führt die Bildgebung zu der Erkenntnis, dass bereits kritische Strukturen befallen sind und eine Operation ausgeschlossen werden muss. „Das ist zum Beispiel der Fall, wenn Gefäße oder Nerven infiltriert oder ummantelt sind, der Tumor zu weit in Richtung Thorax reicht oder die Muskulatur der Wirbelsäule bereits betroffen ist“, so der Experte. Die Ausbreitungswege der Tumoren entlang der Nervenbahnen können darüber hinaus sehr fein und damit schwer zu sehen sein.

Prof. Mack bevorzugt für die Untersuchung des Larynx und Pharynx die CT, zeigt sie doch einen entscheidenden Vorteil gegenüber der MRT: Sie ist deutlich schneller. Dieses Kriterium spielt gerade beim betroffenen Patientenkollektiv eine Rolle, weiß der Experte: „Plattenepithelkarzinome entstehen meist durch exzessiven Alkoholabusus. Das heißt, unsere Patienten zeigen sich aufgrund ihres Lebenswandels nicht immer kooperativ und haben Schwierigkeiten, über längere Zeit ruhig in einer engen Röhre liegen zu bleiben. Hinzu kommt, dass Patienten, die einen Tumor im Larynx-/Pharynx-Bereich haben, häufig unter Schluckstörungen oder auch Atemprobleme leiden. Dadurch verwackeln Bildaufnahmen im MRT sehr häufig und es wird schwierig, Aussagen darüber zu treffen, wohin der Tumor wächst. Im CT dagegen haben selbst die unruhigsten Patienten keine Chance, einen Scan zu verwackeln.“
 

Im Profil

Prof. Dr. Martin Georg Mack studierte Medizin in München und Berlin. Bereits in seiner Dissertationsschrift beschäftigte er sich mit der Diagnostik und Intervention von Tumoren der Kopf-Hals-Region. 1995 begann er seine Ausbildung als wissenschaftlicher Assistent am Virchow-Klinikum der Charité in Berlin. Ende 1998 wechselte er an das Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Frankfurt/Main. Seit 2000 ist Martin Mack als Oberarzt am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Frankfurt/Main tätig. Es folgte 2007 die Ernennung zum Ständigen Vertreter des Direktors am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Frankfurt/Main und die außerplanmäßige Professur an der Universität Frankfurt am Main. Im September 2011 wurde der 43-Jährige zum Präsident der European Society of Head and Neck Radiology gewählt.
 

05.01.2012

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