Artikel • Nachwuchs im Umbruch

Akademisierung der MTRA-Ausbildung: Ein zweischneidiges Schwert

Wer heute in Deutschland Medizinisch-Technische/r Radiologieassistent/in (MTRA) werden will, muss dafür eine dreijährige Ausbildung absolvieren. Doch das könnte sich bald ändern. Michael Wiertz, Vorstand der Vereinigung Medizinisch-Technischer Berufe und selbst Lehr-MTRA in Aachen, spricht über die vom Dachverband DVTA geforderte Akademisierung des Berufs und ihre Vor- und Nachteile.

Bericht: Wolfgang Behrends

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Michael Wiertz, Vorstand der Vereinigung Medizinisch-Technischer Berufe und selbst Lehr-MTRA.

Ein grundsätzlicher Unterschied zur aktuellen Ausbildung: Während die Inhalte bislang an einer Berufsfachschule vermittelt und durch die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung geregelt wurden, findet die akademische Ausbildung an einer Universität oder anderen Hochschule statt. „Diese Entwicklung liegt in der zunehmenden Komplexität des Berufs begründet“, erklärt Wiertz. Radiologische Untersuchungen werden aufwändiger, in der Strahlentherapie sind für die Berechnung von Bestrahlungsplänen fundierte Physikkenntnisse nötig, daher werden diese ausschließlich von Medizinphysikern vorgenommen. „Parallel dazu werden auch die verwendeten Geräte immer komplexer – und mit dieser Entwicklung müssen die MTRAs Schritt halten.“

Die Grenzen fallen, die Hürden steigen

Für MTRAs, die später im Ausland arbeiten wollen, wäre die Akademisierung eine große Erleichterung: „Unsere europäischen Nachbarn setzen inzwischen allesamt auf den akademischen Weg“, berichtet Wiertz. „Die Berufsausbildung, wie sie in Deutschland festgelegt ist, wird in diesen Ländern nicht oder nur zum Teil als berufsqualifizierend anerkannt.“ Je nach Land können umfangreiche Nachschulungen nötig werden, im schlimmsten Fall muss sogar das komplette Studium nachgeholt werden. Im Falle einer akademischen MTRA-Ausbildung in Deutschland fiele dieser Hemmschuh weg.

„Nur aus diesem Grund eine Akademisierung in Deutschland einzuführen, würde allerdings mehr Probleme schaffen als lösen“, warnt Wiertz. Denn während die EU-Grenzen durch die Akademisierung fallen, steigen die Voraussetzungen, um überhaupt eine Ausbildung beginnen zu können, an. Denn dann stünde die MTRA-Laufbahn nur noch denen offen, die die Schule mit Abitur, Fachabitur oder einer vergleichbaren Hochschulreife abschließen. Für Wiertz ist das ein kritischer Punkt: „Derzeit steht die Ausbildung auch den Absolventen des mittleren Bildungsgrades offen, also der Realschule. Wenn wir auf eine akademische Ausbildung umsteigen, entziehen wir diesen jungen Leuten die Möglichkeit, MTRA werden zu können.“ Der Ausbilder verweist in diesem Zusammenhang auf den demographischen Wandel: „Wir werden immer älter, daher wird der Bedarf an Fachkräften im Gesundheitswesen immer weiter steigen. Wenn wir aber den Zugang zu solchen Fachberufen von vornherein einschränken, dann graben wir uns den Nachwuchs an Fachkräften selbst ab. Das sollte man sich also sehr gut überlegen.“

Inhalte gehen in die Tiefe, nicht in die Breite

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MTRA-Auszubildende während eines Vortrags auf dem RKR 2016.

Wiertz sieht zudem die Gefahr der Theoretisierung: „Bei einer rein akademischen Ausbildung könnten praktische Inhalte in den Hintergrund gedrängt werden.“ Zwar zeigt sich beim Blick auf die Nachbarländer, dass auch im Verlauf eines MTRA-Studiums Praxis vermittelt wird, jedoch in einem weit geringeren Umfang als in Deutschland. „Bei uns ist ein/e fertig ausgebildete/r MTRA befähigt und qualifiziert, in allen drei Fachbereichen – radiologische Diagnostik, Nuklearmedizin und Strahlentherapie – zu arbeiten“, sagt Wiertz. In Ländern wie Belgien und den Niederlanden entfällt im Studium dagegen ein Großteil der theoretischen und praktischen Ausbildung in der Strahlentherapie. „Die zusätzliche Komplexität der Inhalte geht dort auf Kosten der Ausbildungsinhalte und schränkt die MTRAs bei der Wahl ihres Tätigkeitsbereichs ein.“

Auf der anderen Seite könnte die Akademisierung der MTRA-Laufbahn den Beruf für junge Leute attraktiver machen. Zum einen eröffnet die Vergleichbarkeit mit anderen Ländern neue Karriereoptionen, zum anderen bedeutet eine akademische Ausbildung einen Prestigegewinn und zusätzliche Wertschätzung für den MTRA-Beruf. Dass diese sich sofort auch in der Lohnstruktur niederschlägt, wagt Wiertz jedoch zu bezweifeln: „Leider ist es in der Praxis meist nicht so, dass eine bessere Ausbildung und Qualifizierung automatisch und zeitgleich zu einer höheren Vergütung führt.“

Zu Höherem berufen?

Wir sollten zunächst auf eine grundständige Ausbildung, die eine fundierte Basis für alle Fachbereiche legt, setzen

Michael Wiertz

Wiertz: „Von der akademischen Ausbildung profitieren in den meisten Fällen diejenigen, die später als leitende MTRAs oder Lehrkräfte arbeiten, denn das Studium vermittelt auch Kenntnisse in Personalführung oder Qualitätsmanagement, die in diesen Positionen wichtig sind.“ Auch für MTRAs, die sich auf einen bestimmten Tätigkeitsbereich spezialisieren – wie zum Beispiel in Lehre und Ausbildung – wollen, bietet die Akademisierung zusätzliche Möglichkeiten. „Andererseits gibt es viele MTRAs, die keinen höheren Schulabschluss haben, aber mit der Ausführung von Routineaufgaben in Diagnostik und Therapie vollkommen zufrieden sind. Diese würde man effektiv aus dem Beruf aussperren, obwohl sie ausgezeichnete Arbeit leisten.“

In der Frage, wie man das Dilemma auflöst, sind sich die Verbände in den meisten Punkten einig, einzig in den Details gibt es Abweichungen. Vertreter des Dachverband für Technologen/-innen und Analytiker/-innen in der Medizin Deutschland (DVTA) und der Vereinigung Medizinisch-Technischer Berufe (VMTB), der auch Wiertz angehört, stehen hier in einem engem Dialog.

Für Wiertz ist klar: „Wir sollten zunächst auf eine grundständige Ausbildung, die eine fundierte Basis für alle Fachbereiche legt, setzen. Nach deren Abschluss kann eine weitere inhaltliche Vertiefung und Erweiterung des Wissensspektrums, etwa in der Radiologie und ihre zahlreichen Unterbereichen wie Schnittbildtechnologie oder Projektionsbildradiografie folgen“, erklärt Wiertz. „Dieser Ansatz hält den MTRA-Beruf für die Absolventen der mittleren Bildungsgrade offen, was insbesondere mit Blick auf den bereits existierenden Fachkräftemangel wichtig ist. Wer sich darüber hinaus akademisch weiterbilden will, um seine Ausbildung zu veredeln, hat dafür via Spezialisierungs-Studiengänge ebenfalls die Möglichkeit.“ Entsprechende Studienseminare werden bereits angeboten, beispielsweise im Haus der Technik in Essen. Eine weitere realistische Option wäre ein duales Studium, das die reguläre MTRA-Ausbildung bei Bedarf mit spezialisierenden Studieninhalten kombiniert und jungen Leuten mit einem höheren Schulabschluss den Erhalt eines Bachelor-Abschlusses ermöglicht.

Um mit der raschen technischen Entwicklung des Berufsfeldes Schritt zu halten, benötigt zunächst die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung eine Frischzellenkur, ist Wiertz überzeugt: „Deren Inhalte wurden 1994 formuliert und seitdem nicht aktualisiert – für die heutige Zeit ist diese Verordnung nicht mehr ausreichend.“ Ohnehin nimmt aus diesem Grund die berufsbegleitende Weiterbildung einen hohen Stellenwert für MTRAs ein. Nicht zuletzt müsste das MTA-Gesetz von Grund auf novelliert werden, damit die Akademisierung des Berufs überhaupt stattfinden könnte.


Profil:

Michael Wiertz hat 1995 seine Ausbildung an der MTA-Schule Aachen abgeschlossen. 2006 bildete er sich zum „Leitenden MTRA“ und 2015 zum „Medizinpädagogen“ an der Akademie für Lehrkräfte im Gesundheitswesen, Münster, weiter. Seit 2014 ist er als Lehr-MTRA an der MTA-Schule Aachen tätig. Wiertz ist seit vielen Jahren auf zahlreichen Veranstaltungen aktiv als Referent in der Fort- und Weiterbildung.


Veranstaltungshinweis:

Fr, 10.11.2017, 16:10 – 16:30

Fort- und Weiterbildung im Beruf

Michael Wiertz, Aachen

Session: MTRA-Fortbildung (mit TED)

Tagungsraum 1&2

08.11.2017

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