Artikel • Brennen für die Wissenschaft

Zwischen Klinikalltag und Forschungslabor

Forschung in der Radiologie ist überlebenswichtig, davon ist Dr. Dr. Michel Eisenblätter fest überzeugt, denn: „Nur wenn die Radiologen aktiv Wissenschaft treiben, werden sie ihre Daseinsberechtigung als Fach behalten, sonst sind wir irgendwann Dienstleister für die anderen klinischen Fächer. Nur wenn wir selbst die Takt- und Innovationsgeber in unserem Feld sind, werden wir ernst- und wahrgenommen“.

Bericht: Brigitte Dinkloh

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Brennt für die Wissenschaft: Dr. Dr. Michel Eisenblätter.

Er selbst trägt seinen Anteil dazu bei. Als junger Forscher von 30 Jahren geht er als Nachwuchsforschungsgruppenleiter an das Richard Dimbleby Department of Cancer Research des King’s College nach London und zieht damit die Forschung zunächst seiner Facharztausbildung vor. Aber damit ist er eher die Ausnahme als die Regel. Denn Forschung, zumal Grundlagenforschung, kostet Zeit und Forschungsaufenthalte im Ausland werden hier kaum angerechnet. „In meiner Generation gibt es leider nicht sehr viele Radiologen, die aktiv Grundlagenforschung betreiben, so dass man wahrgenommen wird in der Szene“, schildert der Münsteraner, der aufgefordert wurde, sich 2011 für die Forschungsgruppe in London zu bewerben.

Bildgebung als Forschungsbereicherung

In Deutschland ist das schwieriger als im angloamerikanischen Ausland, aber der Aufwand lohnt sich

Michel Eisenblätter

Schon zu Beginn des klinischen Studiums tritt er der AG Molekulare Bildgebung von Prof. Dr. C. Bremer am Institut für Klinische Radiologie des Universitätsklinikums Münster bei. Er interessiert sich für die Fluoreszenz-Bildgebung und forscht daran im Rahmen seiner Doktorarbeit. Das war sein Einstieg in die wissenschaftliche Radiologie. Nach Jahren der klinischen Weiterbildung kam aus London das Angebot, am Comprehensive Care Imaging Center von University College und King‘s College London eine neue Forschungsgruppe aufzubauen. Diese Gelegenheit ergriff er und betrieb fünf Jahre Grundlagenforschung. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man als Bildgeber in der Grundlagenforschung etwas bewegen und der Forschung ganz neue Aspekte hinzufügen kann. Das ist sehr motivierend und spannend“, so Eisenblätter über seine Zeit in der britischen Hauptstadt.

Die Bildgebung half, Tumorimmuninteraktion darzustellen und aufzuzeigen, wie Krebserkrankungen sich das Immunsystem zunutze machen, um sich auszubreiten. Sein Team konnte beweisen, dass in einem Gewebe entzündungsähnliche Veränderungen auftreten, noch bevor sich Metastasen bilden. Es gelang vorherzusagen, wo Metastasen entstehen würden, die optische Fluoreszenz-Bildgebung stieß dabei an jedoch ihre Grenzen. Aus diesem Grund wurden die abschließenden Arbeiten mit handelsüblichen PET-Scannern ausgeführt, da die technischen Grundlagen der Radionuklid-Bildgebung ähneln und Eisenblätter das Vorgehen aus seiner Promotion leicht ‚übersetzen‘ konnte. Seine persönliche Motivation für die Forschung ist der Wunsch, etwas zu verändern und eine Spur zu hinterlassen. „Ich möchte nicht nur einzelnen Patienten helfen, sondern die Radiologie positiv beeinflussen. Dafür muss man aktiv forschen. In Deutschland ist das schwieriger als im angloamerikanischen Ausland, aber der Aufwand lohnt sich.“ Von den 35 universitären radiologischen Instituten in Deutschland unterhalten nur wenige eigene, voll ausgestattete Forschungslabore für die Grundlagenforschung.

Spezifische Kontrastmittel ermöglichen die Detektion der von Brusttumoren...
Spezifische Kontrastmittel ermöglichen die Detektion der von Brusttumoren aktivierten Immunzellen im bis dahin gesunden Lungengewebe. Die Veränderungen gehen einer Metastasierung voraus und erlauben eine Vorhersage der späteren Metastasenlast.
Dieses und ähnliche Verfahren sollen den gezielteren Einsatz immunmodulatorischer Therapie ermöglichen und die Erforschung der Ausbreitungswege von Tumoren erleichtern.

Was muss sich ändern?

Als Vorsitzender der AG Methodik und Forschung der DRG von 2012 bis 2017 arbeitete Eisenblätter gemeinsam mit den Weiterbildungsassistenten intensiv daran,das Interesse junger Radiologenfür die experimentelle und klinische Forschung zu wecken. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit in der DRG war die Professionalisierung der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. In der DRGwurde dafür unter anderem das Programm „Forscher für die Zukunft“ins Lebengerufen, in dessen Zuge ausgewählten Ärzten an Universitäten die Möglichkeit gegeben wird, mit Hilfe von Workshops Netzwerke aufzubauen und sich mit aktuellen wissenschaftlichen Themen auseinanderzusetzen.

Weitere Überlegungen wurden in einem Whitepaper zusammengefasst, das bald veröffentlicht werden soll. Die Kernforderung lautet: „Es muss zusätzliche Möglichkeiten geben, Wissenschaft zu erfahren und zwar in einer Art und Weise, die nicht mit der Weiterbildung konkurriert. Sie muss integraler Bestandteil der radiologischen Weiterbildung werden. Junge Radiologen wollen zügig ihre Facharztausbildung abschließen und es muss möglich sein, im Rahmen dieser Weiterbildung, Freiräume für wissenschaftliche Tätigkeiten zu schaffen“, so Dr. Eisenblätter. Das bedeutet, dass trotz der zunehmenden Arbeitsverdichtung erfahrene Mentoren, sich des wissenschaftlichen Nachwuchses annehmen müssen.

Auch das Problem der Freistellung müsse angegangen werden, da diese nach wie vor nicht überall möglich sei. Häufig müssten Gelder eingeworben werden, um den Forscher von den klinischen Verrichtungen „freizukaufen“. Dr. Eisenblätter sieht prinzipiell Interesse für die Forschung an der Uniklinik ebenso wie in der Peripherie, aber die zeitlichen Ressourcen sind auf allen Seiten sehr knapp. Es bedarf daher weiterer Anstrengungen, damit Deutschland in der Forschung nicht noch weiter abgehängt wird.

Weltweit vernetzt

Eisenblätters Werdegang ist ein Beispiel dafür, dass Grundlagenforschungkein Karrierehindernis ist. „Ich bin viel durch die Welt gereist und habe auf zahlreichen Kongressen meine Forschungsergebnisse vorstellen können. Man entwickelt ein internationales Netzwerk an Kooperationspartnern und Kollegen.“ Ein kleiner Wermutstropfen besteht aber doch: „Hätte ich nicht so viel geforscht, wäre ich vermutlich schon seit drei Jahren Oberarzt. Rückblickend würde ich meine Tätigkeiten heute mehr straffen. Will man stringent Karriere machen, wird es in Deutschland oft nicht goutiert, sich so lange mit etwas zu beschäftigen.“


Profil:

Sein Studium der Medizin und Philosophie an der Universität Münster schließt Dr. Dr. med. Michel Eisenblätter 2011 mit der Promotion zum Thema: “Visualisierung der zellulären Immunantwort in-vivo mittels optischer Bildgebung“ ab. Im Jahr 2009 beginnt er die Ausbildung zum Facharzt für Radiologie am Institut von Prof. Heindel und er wird wissenschaftlicher Mitarbeiter der Core Unit „Optische Bildgebung“ des Interdisziplinären Zentrums für Klinische Forschung in Münster. Von 2011 bis 2015 ist er MRC & CRUK Clinical Research Fellow am Comprehensive Cancer Imaging Centre des King’s College London. Anschließend setzt er seine Facharztausbildung in Münster fort. Von 2012-2017 war Dr. Eisenblätter Vorsitzender der AG Methodik und Forschung der DRG, der er jetzt stellvertretend vorsteht. Er wurde mehrfach ausgezeichnet, u.a. 2010 mit dem Young Investigator Award der DRG.


Veranstaltungshinweis:

Do, 9.11.2017, 17:45 – 18:30

Warum ich für die Wissenschaft brenne

Dr. Michel Eisenblätter, Münster

Session: Bildgebung für den radiologischen Nachwuchs zum Thema Thorax (mit TED)

Tagungsraum 1

08.11.2017

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