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ESC/EACTS-Leitlinie stärkt Patientensichrheit

Die aktualisierte medizinische ESC/EACTS-Leitlinie zur Behandlung von Herzklappenerkrankungen stärkt die Patientensicherheit durch Bestätigung der Empfehlungen für das Herz-Team und bewährte Strukturmerkmale.

Interdisziplinärer Austausch und fachgebietsübergreifende Kooperation bedeuten für den Patienten in jedem Fall die bestmögliche Beratung und führen zu einer auf ihn abgestimmten Therapieempfehlung. So sieht und bestätigt es auch die jüngst aktualisierte Leitlinie For the management of valvular heart disease der European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS) und der European Society of Cardiology (ESC), welche anlässlich eines der größten internationalen herzmedizinischen Kongresse im August 2017 in Barcelona vorgestellt wurde.

Leitlinie fordert ausdrücklich Entscheidungen im Herz-Team

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Herzklappe "Trifecta" zur Behandlung einer erkrankten, geschädigten oder funktionsgestörten Aortenklappe. Die Herzklappe steuert den Blutfluss vom Herzen in die übrigen Körperregionen. Wenn die erkrankte Aortenklappe durch eine biologische Herzklappenprothese ersetzt wird, kann dies bei Patienten mit Herz- oder Aortenklappeninsuffizienz zu mehr Lebensqualität, zu einer Linderung der Symptome und zu einer längeren Lebensdauer führen.
Quelle: BVMed/St. Jude Medical

Insgesamt 159 aktualisierte und neue Empfehlungen enthält die Leitlinie, die grundsätzlich in vier Empfehlungsklassen (Klasse I = klar indiziert bis Klasse III = kontraindiziert) eingeteilt werden. Als eine der Klasse I Empfehlungen ist das Herz-Team vorgesehen, im Kern bestehend aus Herzchirurgen, Kardiologen und Anästhesisten. Das hohe Qualitätsniveau zur bestmöglichen Patientensicherheit soll durch die Zusammenarbeit im qualifizierten, multiprofessionellen und interdisziplinär arbeitenden Fachärzte-Team erreicht werden, welches strukturierten Prozessen folgt, eine adäquate Infrastruktur vorweist und sich durch kontinuierliche Fort- und Weiterbildung kennzeichnet. 

„Patientensicherheit und Behandlungsqualität sind seit Jahrzehnten ein besonderes Anliegen und zentrales Element der Herzchirurgie, da sie das Fachgebiet im Speziellen, und die Herzmedizin im Allgemeinen, in der Forschung und der klinischen Versorgung stets begleiten und auch in der modernen Weiterentwicklung kontinuierlich geprägt haben. Wir befürworten ausdrücklich, wie schon in der Vergangenheit, die Arbeit im Herzteam. Sie ist ein wichtiges Kriterium für die bestmögliche Patientenversorgung“, erklärt Privatdozent Dr. Wolfgang Harringer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie.

Leitlinie ESC/EACTS bestätigt G-BA-Richtlinie

Die empfohlene Umsetzung eines Herzteams ist bereits auf nationaler Ebene seit Juni 2016 gemäß der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) für minimalinvasive Herzklappeninterventionen verpflichtend manifestiert. Die aktualisierte Leitlinie der ESC/EACTS empfiehlt zudem den Auf- und Ausbau von „heart valve centres“ (spezialisierte medizinische Zentren zur Behandlung von Herzklappenerkrankungen).

Herzoperation oder minimalinvasives Verfahren – klare Indikationsempfehlungen mit Herzteam-Verweis bei Herzklappenerkrankungen

Aortenklappen-Stenose und Mitralklappen-Insuffizienz sind europaweit die häufigsten operationsbedürftigen Herzklappen-erkrankungen. Stehen unterschiedliche Behandlungsoptionen zur Verfügung, sind studienbasierte Risikoadjustierungssysteme ein wichtiger Entscheidungsfaktor für die geeignete Therapiewahl. Unter Berücksichtigung von Risiko-Scores und Einbeziehung aller aktuellen Studien- und Forschungsergebnisse, gibt die neue Leitlinie eindeutige Empfehlungen, wann ein invasiver Eingriff zur Behandlung erkrankter Herzklappen indiziert ist und welches Verfahren geeignet erscheint.

In der Leitlinie ist zudem festgehalten, dass bei Patienten mit einer erworbenen Aortenklappenstenose und einem niedrigen Risikoprofil (STS/EuroSCORE II <4%) der herzchirurgische Eingriff mit Einsatz der Herz-Lungen-Maschine zu favorisieren ist. Ebenso bei Verdacht auf eine Endokarditis. Bis zum Lebensalter von 75 Jahren und niedrigen Risikoprofil gilt auch weiterhin die eindeutige Empfehlung für die herzchirurgische Operation. Für betagte, multimorbide und Risikobehaftete Patienten (älter als 75 Jahre, STS/EuroSCORE II ≥4%; logistic EuroSCORE I ≥ <10%) lauten die Empfehlungen für die kathetergestützte Aortenklappenimplantation (Transkatheter-Aortenklappen-implantation; TAVI), dies auf der Grundlage einer interdisziplinären Herz-Team-Entscheidung unter Berücksichtigung des Patientenwunsches.

Für die Mitralklappen-Insuffizienz gilt in der Leitlinie die herzchirurgische Operation, bei dem die Mitralklappe zumeist rekonstruiert wird, als Goldstandard, und damit als bestgeeignetes Verfahren für den Patienten, dies immer unter Berücksichtigung aller patientenindividuellen Gegebenheiten. Das MitraClip-Verfahren als kathetergestützter Eingriff ist insbesondere bei Patienten anzuwenden, bei denen Risikofaktoren in ein hohes Operationsrisiko münden und weitere relevante Begleiterkrankungen vorliegen bzw. bestehen. Auch hier empfiehlt die Leitlinie ausdrücklich für alle Entscheidungsoptionen, dass das Herzteam gemeinschaftlich und individuell auf den jeweiligen Patienten abgestimmt, die bestmögliche Behandlung festlegen soll.

Empfehlung: Stärkere Einbindung des Patienten in das Herzteam

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Privatdozent Dr. Wolfgang Harringer.
Quelle: DGTHG

Für die noch intensivere Einbindung der Patienten bei der medizinischen Entscheidungsfindung der Behandlungsmethode spricht sich die Leitlinie ebenfalls explizit aus. „Für uns gilt, dass die adäquate, fachgebietsübergreifende uns insbesondere für jeden Patienten verständliche Aufklärung im ausführlichen Gespräch absolute Voraussetzung für alle weiteren medizinischen Entscheidungen ist“, betont Dr. Harringer. „Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient ist entscheidend für alle Behandlungsschritte.“

Weiter in den Fokus rücken zudem bildgebende Verfahren wie die Ultraschall-3D-Technologien, msCT und cMRT. Als Schlüsseldiagnostik nennt die Leitlinie explizit die Echokardiografie. Daher verfügen moderne Hybrid-Operationssäle neben den Röntgengeräten auch über eine entsprechende Ausstattung mit Ultraschallgeräten. Es ist davon auszugehen, dass dies in absehbarer Zukunft der Standard sein wird.

„An erster Stelle steht das Wohl und die Information des Patienten. In diesem Sinne gilt es, die Synergie fachgebietsübergreifender Kompetenz strukturiert umzusetzen, moderne und innovative Medizintechnik verantwortungsvoll zu nutzen, um damit das bestmögliche Therapieziel erreichen zu können. Dieses Anliegen sollte von allen in der Herzmedizin tätigen Ärzte stets im Blick gehalten werden“, so Dr. Harringer.


Quelle: Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie e.V.

25.09.2017

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