Artikel • Nervensache

Das letzte Geheimnis bleibt die axonale Ebene

Seit dem Jahr 2000 beschäftigt sich PD Dr. Hannes Gruber, leitender Oberarzt der Radiologie an der Medizinischen Universität Innsbruck, mit der peripheren Nervensonographie. Wo zu Beginn noch die Frage im Raum stand, ob sich Nerven im Ultraschall überhaupt erkennen lassen, ist man heute so weit, einzelne Schwannome und spezielle Neuropathien gezielt nachweisen zu können.

Bericht: Marcel Rasch

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PD Dr. Hannes Gruber ist leitender Oberarzt der Radiologie an der Medizinischen Universität Innsbruck.

So ist die Sonographie auch auf diesem Gebiet zur First-Line-Modalität avanciert, wie PD Dr. Gruber in seinem Anwenderseminar eindrucksvoll unter Beweis stellt. „Wenn ich mich zurück erinnere, lag vor knapp zwanzig Jahren der Fokus noch ganz klar darauf, die großen Nervenbahnen, wie den Nervus ischiadicus oder den Nervus medianus, mit der Sonographie zu erkennen. Wir wollten Pathologien sichtbar machen und stellten uns die Frage, wie man Interventionen und Infiltrationen stattfinden lassen kann und welche therapeutischen Optionen zur Verfügung stehen“, blickt PD Dr. Gruber zurück. Ziel war es, die Möglichkeiten der bildgebenden Diagnostik aufzuzeigen, sei es traumatologisch beispielsweise am Plexus brachialis relevante Verletzungen festzustellen oder auch Tumordiagnostik zu betreiben.

Der technische Fortschritt und die dadurch bedingte verbesserte Bildqualität...
Der technische Fortschritt und die dadurch bedingte verbesserte Bildqualität ermöglicht es Sonographen, inzwischen auch einzelne Schwannome im Ultraschall zu identifizieren.

Fortschritt durch Frequenz

Vor sechs, sieben Jahren hätte man sich derartiges noch gar nicht vorstellen können

Hannes Gruber

„Die mittlerweile hervorragende Bildqualität des Ultraschalls ist ein immenser Vorteil. Als wir vor vielen Jahren mit den Kollegen Buchberger und Bodner begannen, waren wir schon froh, Nerven eindeutig definieren zu können. Wir konnten damals zwar bereits mit linearen Breitbandschallköpfen operieren, aber die Frequenzgänge lagen maximal bei nur 7 bis 8 Megahertz“, so Gruber. Mit 10 bis 12 Megahertz in den Folgejahren ließ sich schon die innere Textur der großen peripheren Nerven, wie dem Nervus medianus, erkennen. „Der darauffolgende innovative Sprung 2006/2007 mit über 15 Megahertz ermöglichte es dann mit Einschränkungen bei der Eindringtiefe, präzise Aussagen über spezifische neurale Pathologien zu treffen. Heute bieten einzelne Hersteller wie z.B. Toshiba oder GE Sonden mit über 20/24 Mhz an, womit meines Erachtens wahrscheinlich eine natürliche Grenze der diagnostischen Relevanz der Darstellbarkeit erreicht ist“, resümiert der Sonographie-Experte.

Einzig die axonale Ebene bleibt noch verborgen und damit die Möglichkeit, zum Beispiel demyelinisierende von axonalen Neuropathien mit einem Blick zu differenzieren. „Die schnelle Diagnose ist allerdings auch für den geübten Neurologen oder Elektrophysiologen eine Herausforderung. Wobei der Zeitfaktor gerade bei diesen Erkrankungsbildern therapeutisch relevant ist, da die zügige Einleitung der Therapie mit Cortison, die Cortison-Stoßtherapie oder Immunelektrophorese angezeigt ist“, erklärt Gruber. Eine um drei Monate verzögerte Diagnose könne für den Patienten bereits zu spät sein. „Allerdings gibt es mittlerweile sehr gute Messalgorithmen, die zum Beispiel der Dr. Alexander Grimm entwickelt hat, der spezifische Nervenquerschnitte verschiedener Nerven im ganzen Körper sonographisch vermisst – eine sehr elegante Methode, um schnell diagnostische Aussagen treffen zu können. Vor sechs, sieben Jahren hätte man sich derartiges noch gar nicht vorstellen können“, zeigt sich Gruber begeistert.

Die Sonographie als Allroundtalent

In der Traumatologie ist das Zeitfenster für die Diagnose relevant verletzter peripherer Nerven recht eng. Um eine nicht regenerierbare neuromuskuläre Atrophie zu vermeiden, müssen solcherlei Verletzungen jedenfalls innerhalb der folgenden sechs Monate therapeutisch versorgt sein. Hier leistet die Sonographie sehr gute Dienste. „Auch im Bereich der Kompressionssyndrome, wie beim Kapillartunnelsyndrom oder dem Kubitaltunnelsyndrom, ist die periphere Nervensonographie inzwischen genauso gut wie die Elektrophysiologie und fix etabliert“, macht Gruber deutlich.

Auch morphologisch zur Tumorerkennung extraneuraler Tumoren, die das klinische Erscheinungsbild einer Neuropathie abgeben können, ist die Sonographie als Initialdiagnostikum unschlagbar. Die Fragestellung, ob ein Tumor neben einem Nerven oder in einem Nerven liegt, lässt sich schnell und zutreffend beantworten. „An dieser Stelle ist die Bildgebung mit Ultraschall Standard, um eine weitere, auch orthopädisch-chirurgische Therapie einzuleiten, da Nerventumoren grundsätzlich nicht biopsiert werden sollen. Die Gefahr, durch die Biopsie umliegende oder weiterführende Nervenbahnen zusätzlich irreparabel zu schädigen, ist zu groß“, verdeutlicht Gruber.

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„Grundsätzlich sind alle morphologisch basierten Diagnosen dank Sonographie exzellent nachweisbar. Auch im Bereich der Neuropathien lässt die Sonographie teils bessere Ergebnisse erwarten als die Elektrophysiologie“, fasst Gruber zusammen. Natürlich hat auch die Sonographie ihre blinden Flecken: „Immer dort, wo der Ultraschall abgeschattet wird, wo er wenig Platz hat, ist er unvorteilhaft. An der Wirbelsäule zum Beispiel, am Thorax-Wirbelsäulenübergang detektiert die Sonographie Tumoren nur mäßig gut, weil sie erst ab einer gewissen Größe überhaupt entdeckt werden können. Viele Spezialisten, die sich mit dem Thema periphere Nervensonographie auseinandersetzen, gibt es derzeit nicht, obwohl die DEGUM dieses Gebiet in ihr Curriculum aufgenommen hat. Meist wird mehr oder weniger autark in der Neurologie ausgebildet“, so Gruber mit einem abschließenden Rat an alle Praktizierenden: „Schauen Sie sich die Nervensonographie einfach einmal an. Sie ist ein elegantes und gar nicht so schwer zu erlernendes Gebiet der Sonographie.“


Profil:

Priv. Doz. Dr. med. univ. Hannes Gruber, MD, studierte Humanmedizin an der Leopold Franzens Universität in Innsbruck und promovierte zum Doktor der gesamten Heilkunde in 1998. 2007 legte er die Facharztprüfung und Anerkennung zum Facharzt für Radiologie ab und habilitierte zum Thema „Hochauflösender Ultraschall des peripheren Nervensystems“ Seit 2011 ist er leitender Oberarzt der Einheit für Radiologisch-Diagnostische und Interventionelle Sonographie der Medizinischen Universität Innsbruck.


Veranstaltungshinweis:

Raum: Split-Meeting 6+7

Mittwoch, 11. Oktober 2017, 11:15 – 12:00

US - Nervendiagnostik 2: Etablierte Nervendiagnostik

Nerventumore

Hannes Gruber (Innsbruck/AT)

11.10.2017

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